Olivia
Was ist da gerade verdammt nochmal passiert? Ich habe die Kontrolle verloren. Nein. Oder doch? Ophelia hat sie an sich gerissen. Meine Wölfin hat mich überwältigt und meinen Geist in mein Bewusstsein zurückgedrängt. Ich war nur Zuschauer, von dem, was da gerade passiert ist. Ich konnte nichts dagegen tun, egal wie sehr ich es gewollt hätte. Ich war unfähig überhaupt etwas zu tun. Und jetzt? Ich war fassungslos, überwältigt, angewidert, erregt und peinlich berührt. Ich saß auf dem Bett, die Bettdecke um meinen Körper geschlungen, da von meinen Anziehsachen nicht mehr viel übrig war, während Xavier fünf Meter entfernt von mir an der Wand lehnte und sich ebenfalls sammelte. Auch er schien von dem Geschehenen nicht sehr begeistert zu sein, so zu mindestens mein Eindruck. Er rieb sich die Stirn und kniff sich mehrfach in die Nase, während er wirres Zeug redete. Doch in meinem Kopf liefen die Zahnräder auf Hochtouren und entgegen meinen Erwartungen, war ich diejenige, die die Stille brach. „Ich denke wir sollten das vergessen. Ich meine was da gerade passiert ist." Ich sah ihn mit aufgerissenen Augen an und presste die Lippen aufeinander. „Vergessen." Er wiederholte das gerade gesagt. „Und wie stellst du dir das vor? Ich meine, wie könnte man das vergessen?" Ich ließ meine Lippen verschlossen und sah ihn nur stumm an, bis sich meine Gedanken in Bewegung setzten. „Einfach nicht dran denken. Aus dem Gedächtnis löschen. Was weiß ich."
Ich stand von dem Bett auf, immer noch in der Bettdecke eingewickelt und lief hinüber zum Schrank, um mir neue Anziehsachen herauszusuchen. „Du wolltest mir doch das Rudel zeigen oder nicht?" Ich zog eine grau Jogginghose, ein weißes Shirt und einen schwarzen Sweater aus dem Schrank. „Du willst es also totschweigen. Das, was gerade passiert ist." Er stand jetzt in der Tür und sah zu mir herüber, während ich mir gerade den Pullover überzog. „Aus den Augen, aus dem Sinn. So heißt es doch, nicht wahr?" Ich schlüpfte schnell in die Hose nachdem ich mich und meinen Körper umständlich mit der Decke vor seinen Blicken geschützt habe. Doch er lachte nur bitter auf und schüttelte den Kopf. „Als ob das jemals funktioniert hat." ich ignorierte ihn einfach und sprach weiter. „Außerdem ist mein Klamotten Problem immer noch nicht gelöst. Ich kann nicht die ganze Zeit in deinen Sachen herumlaufen." Plötzlich fing er an zu grinsen, als ich auf ihn zugelaufen kam. „Und wie du das kannst. Mir macht das nichts aus." Er lächelte hinterhältig und durchbohrte mich mit seinem Blick. „Gut. Ich will nicht die ganze Zeit in deinen Sachen herumlaufen." Ich schnaufte hörbar auf, ehe ich mich an ihm vorbei drängelte und auf die Tür zusteuerte. „Kommst du jetzt oder was?" Ich stand im Flur und tippte mit dem Fuß auf den Boden, während ich meine Hände in die Seiten gestemmt hatte. Doch Xavier atmete nur ergeben aus und grummelte vor sich hin. „Weißt du, was du bist?" Er kam langsam durch die Tür und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. „Nein, was bin ich denn?" Er ging an mir vorbei und nuschelte. „Unausstehlich und eine Sklaventreiberin noch dazu."
Ich blähte die Backen auf, kurz davor gegen ihn zu feuern, doch er war schon längst die Treppen nach unten gegangen und stand nun im Flur. Doch anstatt sich die Schuhe anzuziehen oder eine Jacke überzuwerfen, fing er an mich nachzuahmen. „Wird's bald? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit." Ich schnappte nach Luft, ehe ich die Treppen hastig nach unten lief. „Das ist doch jetzt nicht dein Ernst!" Rief ich ihm zu, während ich direkt auf ihn zulief. Doch er sah mich nur verwirrt an und zog fragend eine Augenbraue hoch. „Ich weiß nicht, was du meinst." Er schnappte sich die Autoschlüssel und lief auf die Tür zu. „Das war doch deine Idee mit dem Rudel und nicht meine. Ist nicht mein Problem, dass du dich nicht unter Kontrolle hast." Ich zog meine Augen zusammen und sah ihn beleidigt an. „Ich mich nicht unter Kontrolle? Deine Wölfin war doch genauso daran beteiligt! Sie hat doch darum gebettelt!" Ich ließ einen empörten Laut aus meinem Mund kommen. „Gebettelt? Ich glaube du hast ein falsches Weltbild!" Ich zog mir schnell ein paar Schuhe an und schnappte mir eine Jacke, in welche ich mich einwickelte. „Du warst doch gerade derjenige, der mich überfallen hast! Ohne mich vorzuwarnen. Der angefangen hat sich auf mich zu stürzen. Ich hatte doch gar keine Chance gegen dich!" Ich ging durch die Tür und lief zielstrebig auf sein Auto zu. „Ich dachte wir wollten das vergessen." Sein rechter Mundwinkle zog sich nach oben, was ihn verschmitzt grinsen ließ. Doch ich knurrte nur und blieb vor der Beifahrertür stehen.
Xavier
„Nur weil du jetzt nicht zum Abschuss gekommen bist, musst du nicht gleich andere für deine schlechte Laune verantwortlich machen. Was kann ich dafür, wenn du deinen Wolf nicht zähmen kannst!" Sie zog die Tür auf, setzte sich in mein Auto und schlug die Tür mit Gewalt zu, während ich mich zeitgleich hinter das Lenkrad setzte. „Meinen Wolf nicht zähmen? Hast du eigentlich auch nur eine Ahnung, wie schwer es war ihn von dir wegzubekommen!? Während sich deine Wölfin an ihm festgekrallt hat und nach mehr geschrien hat! Während sie vor Erregung getropft hat!" Sie lachte höhnisch auf und schnallte sich an. „Erregung? Du spinnst ja wohl. Einbildung ist auch ne Bildung." Während ich den Motor startete und sie die Hände vor der Brust verschränkte, war die Spannung zwischen uns zum Greifen nach. Doch ich wäre nicht Alpha dieses Rudels geworden, wenn ich ihr dieses Verhalten einfach so durchgehen lassen würde. Niemand hat das letzte Wort, bis auf meine Wenigkeit. „Du musst es ja wissen! Es ist eben viel leichter die Dinge zu leugnen, als sie zu erklären, nicht wahr?" Sie plusterte ihre Wangen auf und gab einige schnapphafte Atmer von sich. „Das ist ja wohl die Höhe! Ich leugne überhaupt nichts! Was fällt dir ein so etwas über mich zu sagen. Du kennst mich doch nicht einmal." Sie giftete mich an, während ich nur den Kopf schütteln konnte. „Nein, natürlich nicht. DU bist der letzte Mensch, der etwas leugnen würde. Oh, tut mir leid. Das bist ja gar kein Mensch mehr. Nicht wahr, Kitty?"
„Dann nenn mir eine Situation, in der ich etwas geleugnet habe. Und außerdem: Hör auf mich so zu nennen, Wolfi!" Sie fletschte die Zähne und war kurz davor ihre Krallen auszufahren, doch auf irgendeine Arte und Weise machte mich das scharf. Es turnte mich nahezu an und veranlasste meinen Wolf erregt aufzuknurren, was ich gerade so herunterschlucken konnte. Aus irgendeinem Grund wollte ich aber, dass sie mit ihren Krallen über meinen Rücken fährt. Dass sie sich in ihm verewigt. Dass sie ihre Spuren hinterlässt. Mich auf diese Art und Weise markiert. „Ich kann dir sogar mehrere nennen." Keifte ich also zurück, da ich es nicht erwarten konnte, sie auf die Palme zu bringen. „Na dann schieß mal los." Ich knurrte und fletschte die Zähne, bevor ich meinen Kiefer zusammenpresste. „Du leugnest die Gefährtenbindung. Du streitest es ab, dass du dich zu mir hingezogen fühlst. Dass sich deine Wölfin mit mir paaren möchte. Dass du mich attraktiv findest. Dass du von mir berührt werden willst. Dass du von mir geküsst werden willst. Und, dass du von mir .." „Stopp!" Rief sie laut aus, was mich auf die Bremse treten ließ. Wir wurden ein Stück weit nach vorne geschleudert, ehe wir wieder an die Sitze gedrückte wurden. „Was? Was ist los? Ist die Wahrheit, zu viel für dich?" Ich sah sie herausfordernd an, während sie meinen Blick mied. Als sie sich jedoch hektisch abschnallte und aus dem Auto ausstieg, bereute ich das eben gesagte, bevor ich ihr hektisch folgte.
Doch entgegen meinen Erwartungen, lief sie nicht weg, wie sonst auch. Nein, sie blieb. Sie blieb neben dem Auto stehen, mit Blick in den Wald. Die Arme vor der Brust verschränkt. Sie stand einfach nur da. Ganz still. Während sich ihr Atem in kleine Nebelwolken verwandelte. Also stellte ich mich vorsichtig neben sie und blickte ebenfalls in den Wald. Wir standen eine ganze Weile so da, schwiegen eine Ewigkeit, bis ihre helle, klare Stimme die Umgebung erhellte. „Und wenn es stimmt?" Sie sah mich immer noch nicht an, mied weiterhin meinen Blick und starrte stur geradeaus. „Ich meine das alles." Sie atmete erschöpf aus und ließ den Kopf hängen. „Macht mich das zu einem schlechterem Menschen? Wenn ich meinen Gefühlen nicht über den Weg traue? Wenn ich mit all dem Guten in meinem Leben nichts anfangen kann und es leugne?" Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ihre Worte berührten und schockierten mich zugleich. Das war bis jetzt das erste oder eines der wenigen Male, in denen sie wirklich offen und ehrlich zu mir war. In denen sie sich nicht versteckte oder versuchte mir etwas vorzumachen. Doch ich hatte keine Ahnung, wie ich darauf reagieren sollte. Mein Bruder hätte sowas gesagt wie „Man kann sich nicht vor etwas schützen, indem die Augen zumacht oder sich ständig etwas vormacht." Ich war aber nicht mein Bruder, doch als ich sie kichern hörte, drehte ich meinen Kopf zu ihr. „Hast du sowas wie ein >Sprüche fürs Leben< Buch gegessen oder woher kommt der ganze schlaue Kram, den du von dir gibst."
Und da war sie wieder. Meine kleine, biestige und schlagfertige Gefährtin. Doch anstatt auf ihren bissigen Kommentar einzugehen, gingen mir ihre Worte von gerade eben nicht mehr aus dem Kopf. „Warum traust du deinen Gefühlen nicht." Ich sah sie nicht an, sondern blickte, genauso wie sie zuvor, stur geradeaus, in den mit Schnee bedeckten Wald. „Weil sie nicht echt sind. Zu mindestens denke ich das." Ich rümpfte die Nase und schloss die Augen. „Und wer sagt das? Ich meine, dass diese Gefühle nicht echt sind?" Doch sie zuckte nur mit den Schultern. „Der gesunde Menschenverstand?" Ich konnte bei dieser Aussage nur herzlich auflachen. „Der gesunde Menschenverstand sagt auch, dass es Werwölfe nicht gibt. Und jetzt sieh uns an." Sie nickte kapitulierend mit dem Kopf. „Da hast du vielleicht Recht aber .." Sie sprach nicht weiter. „Aber ..?" Hakte ich nach, um endlich Antworten zu bekommen. „Ich meine, wir sind zwei völlig Fremde. Haben uns nie zuvor gesehen und dann, ganz plötzlich trittst du in mein Leben und ich fühle mich zu dir hingezogen? Will mit dir mein Leben verbringen? Denke nur noch an dich? Das kann doch alles gar nicht real sein. Ich meine, wie kann es sein, dass ich dich will, obwohl wir uns nicht mal leiden können." Sie bewegt ihren Kopf endlich in meine Richtung und sieht mich mit ihren großen blauen Kulleraugen an. „Wer sagt, dass wir uns nicht leiden können?" Sie zieht eine Augenbraue nach oben und sieht mich mit diesem >Dein-Ernst-Blick< an. „Ich meine ja nur. Du hast mir nie die Möglichkeit gegeben, dich kennenzulernen oder Zeit mit dir zu bringen. Alles, was du mir seit unserer ersten Begegnung entgegengebracht hast, war Abscheu, Hass und Verachtung."
Olivia
Ich senkte meinen Blick und atmete frustriert aus. „Du sagst das so, als wäre ich eine bösartige, gefühlskalte und herzlose Furie." Ich zog die Lippe nach unten und formte einen Schmollmund, während er mein Kinn mit seinem Zeige- und Mittelfinger anhob. „Das hast du jetzt aber gesagt." Er sah mich nachdenklich an und schien jeden Zentimeter meines Gesichts in sich aufzunehmen. „Aber du hast Glück. Ich bin nicht nachtragend und vergebe dir. Wenn .." Ich formte meine Lippen zu einem schmalen Strich und sah ihn gespannt an. „Wenn?" Fragte ich also zögerlich nach. Doch anstatt zu antworten, legte er seine Hände auf meine Wangen und zog mich näher an ihn heran, sodass ich nun an seine Brust gedrückt dastand und seinen Herzschlag hören konnte. „Wenn du mir versprichst, dass du nicht mehr abhaust. Dass du dich darauf einlässt. Dass du mich kennenlernst und mich dich kennenlernen lässt." Er hielt meinen Körper weiterhin fest und machte nicht die Anstalten mich jemals wieder loszulassen. Aber da ich gerade so sehr von seinem Geruch, seiner Nähe und seinen Worten eingenommen war, wollte ich das vielleicht auch gar nicht. Deswegen nickte ich nur mit dem Kopf und schloss die Augen, um diesen Augenblick zu genießen. „Ich werde es versuchen." Flüsterte ich eher zu mir selbst als in seine Richtung. Doch seien wir ehrlich. Dieser Typ ist ein verdammter Werwolf. Ein Fabelwesen, was es eigentlich gar nicht geben dürfte. Mit übersinnlichen Fähigkeiten, wohlbemerkt. Egal wie leise ich spreche, er wird es immer hören können.
DU LIEST GERADE
Der Hass meiner Gefährtin
WerewolfIn einer Welt, in der Menschen neben Werwölfen koexistieren, führt Olivia mit ihrer Mutter ein bescheidenes Leben, abseits der Zivilisation. Doch als sie plötzlich umziehen müssen, gerät sie in das Visier eines Alphas, welcher in ihr endlich seine G...