Kapitel 43 - Überrumpelt

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Xavier

Was soll ich dazu sagen? Auch wenn ich es insgeheim hasse, so zu denken aber irgendwo hatte sie Recht. Ich wusste eigentlich nichts über sie. Zu mindestens nichts, was offensichtlich war oder innerhalb weniger Minuten herauszufinden war. Ich war die ganze Zeit darauf fokussiert, sie für mich zu gewinnen, ohne daran zu denken, wer sie eigentlich war und ob wir überhaupt kompatibel waren. Natürlich waren wir miteinander gepaart worden und das spielt immer noch eine wichtige Rolle, aber ist das wirklich alles, was zählt? Gibt es da nicht noch so viel mehr? Ich meine hinter all dem Gefährtenzeugs, hinter dem Mateband. Würden wir uns unter normalen Umständen überhaupt füreinander interessieren? Würde ich mich für sie interessieren, wenn sie nicht meine Mate wäre? Hätten wir als Paar eine Chance, wenn ich kein Werwolf wäre? Wären wir überhaupt ein Paar? Oder wären wir zwei Fremde, die sich zufällig begegnet sind. Aber andererseits. „Du hast mir nicht einmal die Möglichkeit gegeben, dich kennenzulernen. Oder mich kennenzulernen. Du warst von Anfang  an gegen mich und hast mich auf das reduziert, was ich bin. Aber das kann ich nicht ändern. Ich bin, was ich bin und das wird sich nicht ändern. Also erzähl mir nicht, dass nur ich Schuld daran habe." Sie seufzte und rieb sich die Stirn. „Es geht doch gar nicht darum, wer Schuld hat und wer nicht. Es geht ums Prinzip. Unter normalen Umständen hätten wir gar kein Interesse aneinander. Wir würden uns wahrscheinlich nicht einmal daten.

Sieh uns doch mal an. Wir passen ja nicht mal optisch zusammen. Geschweige denn charakterlich. Wir sind beide Sturköpfe und würden uns gegenseitig eher den Kopf abreißen, als einen Kompromiss einzugehen." Ich grummelte vor mich hin und stützte mich an der Küchentheke an. „Woher willst du das wissen? Wir haben es doch nicht einmal ausprobiert. Wir haben uns nun mal nicht unter normalen Umständen kennengelernt, was solls. Ändern können wir die Vergangenheit eh nicht mehr. Aber wir können die Zukunft verändern, solange sie noch nicht geschrieben ist. Und das gemeinsam." Ich weiß nicht warum ich plötzlich so euphorisch und zuversichtlich war, dass wir unsere verkorkste Beziehung noch ändern konnten aber irgendetwas, tief in mir, ist überzeugt davon, dass es für uns ein Happyend geben kann. Vielleicht ist es mein Wolf. Mein Glaube an die Mondgöttin. Die Hoffnung, sie hat keinen Fehler bei der Partnerwahl gemacht. Je mehr ich mit dem Gedanken spielte, sie gehen zu lassen, desto mehr wollte ich sie vom Gegenteil überzeugen. Das noch nichts endgültig war. Das wir daran arbeiten konnten und das zusammen. Egal was zwischen uns passiert ist. Egal, welche Vorurteile man hatte. Doch sie musste all meine Hoffnungen mit nur einem Wort zerstören. „Nein." Sie mied meinen Blick und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich kann und will das nicht. Ich wollte nie etwas mit dir zu tun haben und will es jetzt immer noch nicht. Ich kann nicht einfach vergessen, was du mir angetan hast. Das ist zu viel."

Mein Herz fing an zu bröckeln und mein ganzes Selbstbewusstsein floss dahin. Was hatte sie gerade gesagt? Sie kann und will das nicht? Ich musste kurz schlucken, als sie fertig war. Hat sie auch nur einmal daran gedacht, was das für mich bedeutet? Das auch ich von ihrer Entscheidung betroffen war? Was dachte sie sich dabei? Ich schütte ihr mein Herz aus, zeige ihr eine Möglichkeit, wie wir unser verkorkstes Kennenlernen vergessen können und sie sagt nein? Nein? „Ist das dein Ernst? Du sagst nein? Obwohl du mir gerade einen Vortrag gehalten hast, dass ich nichts dafür getan habe, dich kennenzulernen und nichts über dich weiß? Doch wenn ich auf dich eingehe und dich kennenlernen will. Dir sogar eine Möglichkeit zeige, wie wir das ändern können, sagst du nein? Ohne es auch nur probiert zu haben? Was ist falsch mit dir?" Ich presste die letzten Worte durch zusammengebissene Zähne heraus. Mein Wut fing an hochzukochen, je mehr ich mich in Rage redete. Dieses Mädchen hat echt Eier. Aber nicht im guten Sinne. „Was mit mir nicht stimmt? Was stimmt mit dir nicht? Du kommst hierher, obwohl ich dir mehr als deutlich gemacht habe, dass ich nicht interessiert bin. In keiner Hinsicht. Und wenn du mit der Wahrheit konfrontiert wirst, knickst du auf einmal ein und willst alles anders machen? Sorry, aber nicht mit mir." Ich konnte nur lachen, während ich einen Schritt auf sie zu trat. „Mit der Wahrheit konfrontiert? Welcher Wahrheit? Die, die du dir zusammengesponnen hast? Oder die, die in den Büchern steht? Du hast doch keine Ahnung, wie es sich anfühlt einen Gefährten zu haben. Du bist ein Mensch."

Olivia

Ophelia knurrte bei seinen Worten im Kopf. >Wir sind kein Mensch. Nicht mehr zu mindestens. Und wir wissen sehr wohl, was es bedeutet einen Gefährten zu haben! Sag es ihm, Olivia. Sag es ihm. Er muss die Wahrheit erfahren.< Einen Scheiß muss er, dachte ich mir. Verschwinden. Das ist das einzige, was er muss. Aus meinen Augen und aus meinem Leben. „Du redest davon, dass ich nicht wissen würde, wie es ist, ein Werwolf zu sein und vielleicht ist das auch so." >Nein! Ist es nicht!< Doch, Ophelia! „Aber du hast genauso wenig einen Plan, wie es ist ein Mensch zu sein. Du weißt nicht, wie das ist, wenn einem gesagt wird du wärst der Besitz von jemanden den du gar nicht kennst. Ihr würdet zusammengehören. So ein Schwachsinn." Er knurrte wieder. Warum knurrt er immer? >Weil er und sein Wolf vielleicht wütend sind? Weil du ihn die ganze Zeit in Frage stellst. Ich rate dir, Olivia. Hör auf damit. Du willst nicht wissen, wie es ist, wenn ein Alpha wütend wird.< Soll er doch wütend werden. Mir egal. Das zeigt nur noch mehr, was für eine Bestie er ist. >Er ist keine Bestie! Nimm das zurück!< Du hast gar nichts zu melden, kleine Wölfin. >Ich schwöre dir, bei der Mondgöttin. Wenn du es nicht gut sein lässt, mache ich dir das Leben zur Hölle!< Doch wieder lachte ich nur. Versuch es doch, Ophelia. „Ich rate dir jetzt eins, Olivia. Nimm dich zurück, bevor du noch etwas sagst, was du bereuen könntest. Du bist gerade nicht du selbst und bewegst dich auf dünnem Eis." Er atmete kontrolliert ein und aus, obwohl ich sah, das sein Wolf an der Oberfläche kratze.

„Und was wenn nicht? Was soll schon passieren? Willst du mich schlagen? Mich überwältigen? Sag schon! Was hat der große, böse Wolf vor? Was könntest du schon tun, Xavier." Er schnaufte und spannte sich merklich an. Er führte einen inneren Kampf mit seinem Wolf. Doch ich gewann immer mehr an Selbstbewusstsein. Ich weiß nicht woher ich diese Kraft nahm. ihm die Stirn zu bieten, anstatt einzuknicken, aber ich mochte diese Macht. Ich mochte das Gefühl, welches ich verspürte, wenn ich mich gegen ihn stellte. „Ich warne dich, ein letztes Mal. Halt dich zurück. Ich habe genauso gut ein Recht darauf, meine Interessen einzufordern, wie du. Und das bedeutet, dass ich die Möglichkeit bekommen möchte, dich kennenzulernen. Auf einem normalen Weg." Er macht ein Scherz, oder? „Du hast ein Recht darauf? Ein Recht? Du bist der letzte Mensch, der ein Recht auf irgendwas hat! Du hast weder das Recht hier zu stehen noch Zeit mit mir zu verbringen! Du bist das Allerletzte! Eine Bestie, ein Monster .." Doch er rollte nur mit den Augen. „Komm schon. Lass dir was neues einfallen. Die Beleidigungen werden langsam langweilig." Ich ließ ein Knurren los. Dass er die Bosheit besaß, mich zu unterbrechen, machte mich nur noch wütender. „Du bist Abschaum und hast nicht einmal das Recht zu existieren. Die Welt wäre besser dran, wenn du tot wärst!" Ich war außer mir vor Zorn, doch im Gegensatz zu ihm, waren meine Gefühle wohl erst das Fegefeuer. Denn in ihm brodelte die ganze Unterwelt der Hölle.

Xavier

Ich verlor mich. Ich verlor mein bewusstes Denken und den Verstand. Xenon übernahm die Kontrolle und stürmte auf sie zu. Während sie erschrocken einen Schritt zurückwich, doch ich griff ihre Arme, zog sie an mich und drehte sie mit dem Rücken zu mir. Ich agierte so schnell, dass sie gar nicht realisierte, was gerade passiert war. Doch nachdem ich sie fest im Griff hatte, fing sie an sich zu wehren und zu winden. Sie biss, trat und schlug um sich. Doch das alles schien mir nichts auszumachen. „Ich hatte dich gewarnt. Du hattest die Wahl aber wer nicht hören will, muss eben fühlen." Ich zog ihre Arme nach hinten, was sie leicht aufjaulen ließ. „Also. Entweder du hörst auf dich zu wehren und machst genau das, was ich dir sage oder du musst mit den Konsequenzen leben." Meine Stimme klang verzerrt und wesentlich tiefer, was die Tatsache bestätigte, dass Xenon die Kontrolle übernommen hatte. Doch anstatt zu kooperieren, schrie sie mich an. „Vergiss es, du wiederwertiger Bastard!" Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln und seufzen. Womit habe ich das alles nur verdient. „Du hast es so gewollt." Ich fixierte ihre Arme mit nur einer Hand auf dem Rücken, ehe ich mit ihr in das Wohnzimmer lief. Sie versuchte sich weiterhin aus meinem Griff zu lösen, doch sie war machtlos gegen meine Kraft. Ich drückte sie gegen die nächste Wand und fixierte sie mit nur noch einer Hand. Mit der anderen holte ich eine kleine Spritze aus meiner Hosentasche und zog die Kappe ab. Ich hatte eigentlich nicht vor, das gegen sie zu verwenden. Ich wollte sie umstimmen.

Sie davon überzeugen, freiwillig mit mir zu kommen, aber da hatte ich mich wohl getäuscht. „Überleg es dir nochmal. Wir können das auch anders klären." Doch sie fing plötzlich an zu schreien und um Hilfe zu rufen, was mich endgültig daran zweifeln ließ, dass sie ihre Meinung änderte. Also nahm ich die Spritze und stieß sie ihr in den Nacken, ehe ich die gesamte Flüssigkeit in ihren Körper fließen ließ. Sie riss die Augen auf und jaulte kurz, ehe sie versuchte meine Hand abzuschütteln, aber früher oder später würde sie aufgeben. Also wartete ich einfach ab. „Egal was du versuchst, es wird dir nichts bringen." Sie versuchte mich immer noch abzuschütteln und in ihren Nacken zu greifen, doch das Beruhigungsmittel bahnte sich längst seinen in ihren Blutkreislauf. Jetzt hieß es nur noch abwarten, bis sie schwächer werden und einschlafen würde. Mit der Zeit schwächte sich ihre Gegenwehr ab und der Kampf schien entschieden. Ich lockerte meinen Griff um sie und wartete, bis sie in sich zusammenbrechen würde.
Als sie an Körperspannung verlor, flüsterte ich ihr noch letzte Worte zu, ehe sie endgültig bewusstlos wurde. „Es hätte nicht so enden müssen." Anschließend sackte sie in sich zusammen und fiel in meine Arme. Ich strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe ich die Spritze entsorgte. Danach nahm ich sie auf die Arme und legte sie auf die Couch, ehe ich ihre Wohnung nach den wichtigsten Dingen wie Schlüssel, Handy und Portemonnaie absuchte. Nachdem ich alles gefunden hatte, trug ich sie nach unten und stieg in mein Auto, welches wenige Straßen entfernt geparkt war.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt