Kapitel 25 - Lügen haben kurze Beine

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Olivia

Während der Bus an meiner üblichen Haltestelle in Ballymahon hielt und ich ausstieg, versuchte ich mir zu überlegen, wie ich mich im Falle eines nicht Gelingens meines Planes, absichere. Immerhin kann da eine Menge schief gehen und ich habe keine Lust danach immer noch auf seinem Platz eins, der Dinge die er besitzen will, zu stehen. Ich radelte also ganz entspannt nachhause, genoss die frische Waldluft, sah die Blätter auf den Boden fallen und dachte daran, wie ich Xavier vernichte. Ein schönes Oxymoron, wenn ihr mich fragt. Nachdem ich dann ungefähr Zehn Minuten später das Waldhaus vor mir auftauchen sehe, steige ich von meinem Rad ab, um es kurz darauf an das Haus zu lehnen und abzuschließen. Im Anschluss öffnete ich die Haustür und lauf auf direktem Weg in die Küche, in der ich mir ein paar Eier zubereitete. Nachdem diese servierfertig waren, gesellten sich noch zwei Toastscheiben sowie ein paar Bohnen dazu. Aus dem Kühlschrank klaute ich mir dann noch etwas Speck und setzte mich entspannt auf die Couch und sah etwas fern. Nach weiteren zehn Minuten war der Teller leer und mein Magen gefüllt. Ich stellte daher die Teller in die Spüle und ging nach oben in mein Zimmer. Doch bereits als ich die Tür öffnete, kam mir etwas komisch vor. Ich trat also in mein Zimmer und sah mich skeptisch um. Nichts außergewöhnliches zu erkennen und dennoch. Es fühlt sich so an, als wäre jemand hier gewesen. Jemand ganz bestimmtes.

Ich schnupperte also in der Luft und meinte einen Hauch von Wald zu erkennen, was durchaus auch von draußen kommen könnte. Doch ich roch auch etwas Weihrauch und Kardamom, was mich den Kopf schütteln ließ. Wenn er hier gewesen wäre, würde ich das doch spüren, oder? Wieder schüttelte ich den Kopf. Blödsinn. Als hätte er nichts Besseres zu tun,ö als hier einzubrechen und auf mich zu warten. Wie lange habe ich eigentlich schon die Kräutermischung nicht mehr genommen? Vielleicht halluziniere ich ja deswegen. Ich warf daher einen Blick in meine Schublade und kramte die kleine grüne Flasche heraus. Nicht mehr wirklich viel, musste ich feststellen als ich die Flüssigkeit im Licht umher schwenkte. Aber Nachschub ist bereits in Arbeit, dachte ich mir und tröpfelte die übliche Dosis auf mein Zunge und schluckte das bittere Zeug herunter. Seit ich diese Tropfen einnehme, hat sich mein Körper deutlich verändert, was mich jedoch weniger stört als diese Bindung zu diesem Möchtegern Werwolf. Mein Geschmacksnerven auf der Zunge fühlen sich taub an und ich nehme kaum noch Geschmäcker wahr. Auch mein Geruchssinn scheint sich reduziert zu haben und ich habe am ganzen Körper Ausschlag, welcher sich mehr schlecht als recht behandeln lässt. Auch meine Atmung scheint verändert und ich huste öfter als zuvor. Dennoch halten mich diese Zipperlein nicht davon ab, diese Kräuter weiterhin zu mir zu nehmen.

Xavier

Ich lief aufgeregt vor den Türen des Labors auf und ab und wartete darauf, dass Atlas endlich diese verdammte Tür öffnet und mir die Ergebnisse mitteilt. Er war bereits seit Stunden da drinnen und werkelte an seinen Geräten herum. Doch jedes Mal, wenn ich ihn per Gedankenverbindung kontaktierte, vertröstete er mich. Ich solle mich gedulden, ihm die Zeit geben, die er braucht, um sich alles genau anzusehen. So etwas bedarf seiner Zeit, hatte er gesagt. Ich konnte darüber nur den Kopf schütteln und wild schnaufen. Das ist einfacher gesagt als getan, wenn sich dein innerer Wolf schon ausmalt, wie er seine Gefährtin gewaltsam markiert, weil sie alles tun würde, um sich vor der Anziehungskraft zu schützen. Das schlimmste ist, ich kann es ihm ja nicht einmal verübeln. Dennoch möchte ich, dass sie sich für uns entscheidet und nicht durch die Markierung bei uns bleibt, obwohl sie uns eigentlich verabscheut. Während ich also sowohl mit meinem inneren Wolf in einer Diskussion steckte und versuchte ihn von seinen bestialischen Vorstellungen abzubringen und ihm alternative Möglichkeiten vorschlug, steckte ich zeitgleich mit mir selbst in einem Konflikt. Ich hatte nämlich überhaupt keine Ahnung, wie ich von nun an mit ihr umgehen sollte. Vorausgesetzt Atlas bestätigt meine Vermutungen und sie hat wirklich etwas zusammengebraut, was die Anziehungskraft und das Gefährtenband unterdrückt.

Doch bevor ich hier noch gänzlich den Kopf verlor, hörte ich jemanden sich hinter der Tür bewegen und kurz drauf kam Atlas heraus, welcher sich seiner Schürze entledigte, ehe er auch die Handschuhe auszog und die Brille absetzte. Ich sah ihn gespannt an und konnte es kaum abwarten, was er zu sagen hatte. „Und? Was hast du herausgefunden? Sag schon!" Er räusperte sich kurz. „Nun ja. Es gibt gute und schlechte Neuigkeiten." Ich knurrte auf, nicht glaubend, dass er mich auf die Folter spannte. „Atlas! Fang an zu reden." Ich betonte jedes einzelne Wort mit Nachdruck. „Also erstmal ist keines dieser Mittel tödlich. Weder für sie noch für uns. Dennoch können einige dieser Zusammensetzungen schwere und teilweise lebensbedrohliche Nebenwirkungen auslösen. Zu mindestens bei Menschen." Ich musste mich zusammenreißen, ihm nicht an die Gurgel zu springen. „Und weiter?" Entgegnete ich daher genervt. „Die schlechte Nachricht ist, dass eines dieser Mittel, die durch das Mateband ausgeschütteten Hormone beeinflusst, weswegen der die Tropfen einnehmende Part mehr oder weniger immun gegen die Bindung ist. Zu mindestens so lange, bis die Wirkung nachlässt." Ich heulte laut auf und spürte bereits die Verwandlung in meinen Knochen. Xenon war dabei die Kontrolle zu übernehmen und ich war so hilflos wie noch nie. Nachdem Atlas ausgesprochen hatte, was ich bereits befürchtet hatte, fühlte sich mein Kopf leer an. Es war, als hätten sich alle Gedanken, alle Überlegungen, Pläne in Luft aufgelöst. Da war nur noch diese tiefe Leere und ich wusste nicht, was als nächstes passieren würde. Denn Xenon hatte sich bereits verwandelt und lief mittlerweile aus dem Krankenhaus, zielgerichtet auf den Wald zu.

Olivia

Ich wollte mich gerade an meinen Schreibtisch setzen und den nächsten Schritt einleiten, um eine weitere Ration an Kräuter-Tropfen herzustellen, als es lautstark an der Tür klopfte. Ich stöhnte frustriert auf und lief die Treppen nach unten, als jemand erneut gegen die Tür hämmerte. „Ich komme ja schon!" Rief ich und öffnete die Tür, um einen wütenden Xavier vorzufinden. Sofort knallte ich die Tür zu und schrie durch diese. „Verschwinde! Ich will dich nicht sehen!" Ich lief also wieder die Treppen nach oben, verharrte jedoch kurz, um festzustellen, dass es nicht noch einmal klopfte. Hatte ich ihn so leicht abwimmeln können? Ich zuckte mit den Schultern, ehe ich die Treppen weiter nach oben lief und meine Zimmertür öffnete. Falsch gedacht. Da stand er. seelenruhig am Fenster mit hinter dem Rücken verschränkten Armen. Ich grummelte vor mich hin und wollte ihn gerade zur Rede stellen, doch da erfüllte seine dominante, leicht verzerrte Stimme den Raum. „Weißt du, ich habe mich wirklich oft gefragt, wie du so lange durchhalten konntest. Wie du es geschafft hast, der Anziehungskraft zu widerstehen. Also habe ich nachgedacht." Er ließ eine kurze Pause, in der ich mich unsicher in meinem Zimmer umsah, ehe ich meine unterste Schreibtischschublade sah, welche einen Spalt geöffnet war. Ich riss die Augen auf und blickte ihn schockiert an. „Ich habe mich auch gefragt, was du immer für Kräuter sammelst. Bis ich eins zu eins zusammengezählt habe." Ich zitterte leicht und war bedacht darauf den Abstand zwischen uns zu wahren, während er weitersprach.

„Und als ich dann noch das hier gefunden hatte .. wurde mir so einiges klar." Er hielt mir die grüne Kiste entgegen, in der ich meine Tropfen aufbewahrte. „Woher hast du die?" Rief ich aufgebracht, doch wurde sofort wieder unterbrochen. „Sei still!" Spuckte er mir entgegen, was mich leicht zusammenzucken ließ. „Ich habe wirklich gedacht, dass ich schon alles gesehen, alles erlebt hatte. Skrupellosigkeit bis in die Unendlichkeit ... aber du. Du hast dem ganzen einen neuen Namen gegeben." Er sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an und ließ mich nicht aus den Augen. „Du hast nicht das Recht, meine Sachen zu durchwühlen!" Entgegnete ich trotzig, was ihn nicht weniger wütend machte. „Ich habe jedes Recht deine Sachen zu durchwühlen! DU bist MEINE Gefährtin und frisst Kräuter, um mich auf Abstand zu halten! Damit du es nicht spüren musst! So ist es doch, oder?! Sag schon!" Er hatte seine Stimme erhoben, was mich zunehmend verunsicherte, weswegen ich mich unbewusst klein gemacht hatte. „Das geht dich gar nichts an." Sprach ich zwar leise, aber dennoch hörbar. Er ließ währenddessen ein lautes Knurren los, was mich zum Wimmern brachte. „Und wie mich das etwas angeht! Du stellst dich gegen mich! Gegen deinen eigenen Gefährten! Du lässt mich schwach aussehen!" Ich schüttelte den Kopf. „Du bist nicht mein Gefährte! Menschen haben sowas nicht! Ich gehöre dir nicht!" Ich sprach mit Tränen in den Augen und versuchte seinem stechenden Blick Stand zu halten.

„Hast du überhaupt eine Ahnung, was dieses Zeug mit dir macht?!" Schrie er mich jetzt an, was mich erneut zusammenzucken ließ. „Nichts, was die Anziehungskraft in den Schatten stellen könnte." Ich rümpfte die Nase und versuchte mich aufrechter hinzustellen. Doch da hatte er schon die Box in seiner Hand zerdrückt und gegen die Wand geschmissen. „Bist du zu dumm oder zu geblendet von deinem Hass, dass du nicht einmal merkst, was diese Tropfen mit dir machen? Wie sie dich krank machen?" Ich blickte zur Seite und versuchte den Schmerz herunterzuschlucken. Er lief zu dem Schreibtisch und griff nach der Schublade. Aus Reflex lief ich auf ihn zu und wollte ihm die Flasche aus der Hand nehmen, doch ich hatte keine Chance gegen ein Monster, wie ihn. „Dieses Zeug macht dich krank! Auf Dauer werden deine Organe versagen! Es benebelt doch bereits deine Sinne! Nimmt deinen Körper ein! Du riechst bereits danach!" Er knurrte jedes Wort heraus und sprach durch zusammengebissene Zähne. „Gib mir die Flasche!" Brachte ich halbwegs sicher heraus, ohne mich zu verhaspeln. „Hol es dir doch!" Er grinste mich teuflisch an, wissend, dass ich zu schwach war. Dennoch wollte ich nicht aufgeben. Nicht bevor ich es versucht hatte. Ich stieß mich also von der Wand ab und lief zielstrebig auf ihn zu. Er hielt mir den Flacon provokant vor der Nase, doch als ich zugreifen wollten zog er ihn weg, weswegen ich danebengriff. „Gib mir die Flasche!" Sprach ich jetzt mit Nachdruck und sah ihn wütend an. Er wedelte nur mit der Flasche herum und sah mich arrogant an.

Ich ließ einen kurzen Schrei los, als ich auf ihn zu rannte und ihm die Flasche aus der Hand reißen wollte, doch er hielt mich auf, dreht mich mit dem Rücken zu sich und hielt mich nah an seinem Körper. „Wieder daneben." Flüsterte er mir zu, was mich dazu veranlasste mich gewaltsam aus seinem Griff zu lösen und ihm gegenüberzutreten. „Weißt du, was du bist?" Ich sah ihn mit zu Schlitzen geformten Augen an. „Ein jämmerlicher Versager, der es nicht akzeptieren kann, dass ihn eine Frau nicht will." Um noch einen drauf zu setzten, verpasste ich ihm eine Ohrfeige und griff erneut nach der Flasche, doch da hatte er mich bereits am Hals gepackt und gegen die nächste Wand gedrückt. „Ich rate dir jetzt eins. Mach mich nicht noch wütender, als ich es schon bin." Er sah mich mit gelben Augen an, doch das sollte mich nicht mehr verwundern. „Du bist meine Gefährtin und das kann weder ich noch kannst du das ändern. Deswegen und nur deswegen gebe ich dir eine, eine letzte Chance." Er sah mich dominierend an, was mich den Kopf einziehen ließ. „Setz dieses Zeug ab. Ich gebe dir drei Tage. Dann will ich nichts mehr davon an dir riechen. Hast du mich verstanden?" Ich starrte ihm trotzig in die Augen, doch blieb still. Er ließ mich los und trat einen Schritt zurück. „Drei Tage. Danach kann und will ich für gar nichts mehr garantieren." Er warf mir einen kurzen Blick zu, ehe er aus dem Fenster sprang und wieder unten landete.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt