Kapitel 38 - Eine Spur

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Olivia

Ich blicke in den Spiegel und kann nicht glauben, was ich da gerade sehe. Meine Augen sind nicht mehr Blau, sondern grau-weiß. Ich öffnete meinen Mund vor Schock. Doch als große, weiße Reißzähne zum Vorschein kommen, musste ich mir die Hand vor den Mund schlagen und mich am Waschbecken festhalten. „Was? Das, nein .. ich meine .. das i-ist .. nicht .. das ist doch gar nicht möglich." Ich trete ein paar Schritte zurück, ehe ich in meinem Rücken die Wand spüre. >Und wie das möglich ist. Wir sind der beste Beweis dafür.< Ich schüttle meinen Kopf und bemerke heiße Tränen meine Wange herunterlaufen. „Aber wie? Ich dachte .. man kann nicht .. Sie können nicht." Ich rutsche an der Wand herunter, ehe ich auf dem Boden ankomme, wo ich meine Beine eng an mich ziehe. >Ich weiß, dass ist jetzt ganz schön viel für dich, aber lass es mich dir erklären." Ophelia sprach ruhig und gelassen, während sie versuchte mich zu beruhigen, doch ich war ein einziges Nervenbündel. „Was willst du da erklären? Ich bin .. ein .. ein Monster! Eine Bestie .." Rufe ich panisch aus, ehe ich mir an den Haaren ziehe. >Nimm das zurück! Wir sind weder eine Bestie noch ein Monster!< Ich schüttle wieder meinen Kopf. „Doch, das seid ihr! Ihr verletzt Menschen! Ihr tötet sie. Ihr habt meinen Vater getötet." Mir kullern immer mehr Tränen die Wange herunter und ich kann mein Schluchzten nicht mehr zurückhalten. >Du weißt es wirklich nicht.< Stellte Ophelia jetzt schockiert fest und sah mich mit einem betrübten Blick an. „Was weiß ich nicht?" Schniefte ich und vergrub den Kopf in meinen Händen.

>Bei dir muss ich ja wirklich von ganz vorne anfangen.< Sie setzte sich hin, ehe sie versuchte mir alles von Anfang an zu erzählen. >Die Frau, von der du glaubst, sie sei deine Mutter, hat dich im Schurkengebiet gefunden.< Ich runzle die Stirn, nicht glaubend, was sie da gerade sagt. >Lass mich ausreden.< Sprach sie, bevor ich etwas erwidern konnte. >Du wurdest dort ausgesetzt, weil du dich nicht verwandeln konntest. Deine Eltern dachten, du hättest keinen Wolf und da in ihrem Rudel Menschen verachtet und getötet wurden, haben sie entschieden dich auszusetzen. Aber nicht, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Deine angebliche Mutter fand dich, hat dich mitgenommen und großgezogen. Dein Vater war auf der Suche nach deinen Eltern, als du älter wurdest, konnte sie aber nicht finden.< „Aber wieso ist er nicht zurückgekommen?" Diese Frage konnte ich mir nicht verkneifen. >Er hat seine Gefährtin gefunden und deine Mutter, sie .. wusste es. Konnte es dir aber nie sagen, weil sie unsere Spezies genauso verabscheut hat, wie du. Aber nicht aus dem gleichen Gründen. Sie war eine abtrünnige Wölfin. Eine schwache Omega und wurde von ihrem Rudel verstoßen. Seitdem hat sie gelebt wie ein Mensch und den Kontakt zu ihrer Wölfin abgebrochen.< Ich rieb mir die Agen und versuchte all die neuen Informationen zu verarbeiten. „Bedeutet das, meine Eltern waren W-Werwölfe?"

Wieder seufzte sie, ehe sie fortfuhr. >Ja, deine Eltern waren Werwölfe und keine rangniedrigen. Aber es war verhöhnt, einen nicht Werwolf als Kind zu bekommen. Einen Kümmerling, so wie sie es nannten. Also gaben sie dich weg, um dich zu schützen.< Ich nickte verstehend, dennoch waren meine Fragen immer noch nicht beantwortet. „Wieso bist du jetzt da? Ich meine, wenn ich doch keinen Wolf hatte? Warum weißt du das alles?" Sie lächelte leicht. >Ich war immer da. Hinter deiner Oberfläche, tief in deinem Inneren vergraben. Ich konnte mich nur nicht zeigen. Erst als du markiert wurdest, bekam ich die Kraft, an die Oberfläche zu kommen und mich zu befreien.< Ich verstand nichts von dem, was sie sagte. „Wie? Ich meine .. welche Markierung? Das ist alles so .. verwirrend, so surreal." Wieder seufzte sie. >Erst als du unseren Gefährten gefunden hast, konnte ich mich erheben und als er dich markiert hat, habe ich die Kraft gefunden, mich zu manifestieren. Nur durch ihn, bin ich jetzt hier.< Sie fing an zu grinsen und mit dem Schwanz zu wedeln. >Das ist auch der Grund, weswegen wir zurück müssen. Wir brauchen ihn und er braucht uns.< Ich schüttelte den Kopf und stützte mich an der Wand ab, um aufzustehen. „Oh nein. WIR brauchen ihn ganz sicher nicht. Er hat uns doch erst in dieses ganze Schlamassel hineingeritten. Ohne ihn müsste ich mich nicht mit diesem, diesem Mist auseinandersetzen."

Ich stand auf und fing an durch meine Wohnung zu laufen. Ich hatte immer noch den Wintermantel und meine Schuhe an. >Bitte, Olivia. Versteh doch.< Ich schüttelte wieder nur den Kopf und kniff die Augen zusammen. „Ich verstehe das. Sehr gut sogar. Er ist ein besitzergreifendes Arschloch, welches meint, irgendwelche Ansprüche auf mich zu erheben. Er hat mein Leben ruiniert. Aber da mache ich nicht länger mit. Er hat keinen Einfluss mehr auf mich oder mein Leben." Ich laufe auf meinen Kleiderschrank zu, um mir neue Anziehsachen herauszusuchen, ehe ich bemerke, dass ich von Erde, Schmutz und Blut bedeckt bin. Dann wohl doch erst eine Dusche. Doch Ophelia gab nicht auf und versuchte mich vom Gegenteil zu überzeugen. >Du verstehst das falsch. Er will uns beschützen und er wusste es ja nicht besser. Woher hätte er das auch wissen sollen? Wir sind beide füreinander gemacht. Ohne ihn können wir nicht leben. Ohne ihn kann ich nicht leben.< Ich stampfte wütend ins Bad, nicht glaubend, was sie da gerade von sich gab. „Ich schon. Und das sehr gut sogar. Also wenn du mich entschuldigen würdest. Ich habe gerade keinen Kopf dafür, mich mit einer liebeskranken Wölfin zu streiten, welche nicht erkennt, was für ein Arschloch er ist." Damit kappte ich die Verbindung und versuchte sie in die hinterste Ecke meines Verstands zu verscheuchen, wie ich es bereits die Wochen zuvor gemacht habe. Anschließend stieg ich unter die Dusche und ließ mich von dem Wasser berieseln.

Xavier

Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt habe ich Mullingar erreicht und bin erst einmal in ein Hotel gegangen, um mir dort einen Plan zu machen, wie ich als nächstes vorgehen könnte. Immerhin kann ich schlecht wahllos durch die Stadt wandern und nach ihr suchen. Vielleicht wäre es sinnvoll die Stadt in Sektoren aufzuteilen, welche ich nacheinander durchsuche. Sobald ich auch nur ein Anzeichen entdecke, mein Wolf ihren Geruch aufnimmt oder ich sie sogar spüre, kann ich diesen Spuren folgen. Aber solange werde ich mich wohl noch gedulden müssen. Außerdem ist es bereits am Abend, weswegen es keinen Sinn hätte, noch loszuziehen. Selbst wenn sie sich hier niedergelassen hat, wäre sie jetzt schon nicht mehr unterwegs. Glaube ich zu mindestens. Oder besser gesagt, hoffte ich. Ich ging also in das anliegende Badezimmer, um mich dort zu duschen und umzuziehen, ehe ich anfing mir eine Strategie zu überlegen. Mein Hotel liegt sehr zentral, weswegen es nicht schwer sein sollte, das Gebiet in verschiedene Sektoren aufzuteilen. Ich kritzelte also wild auf den Karten herum und teilte die Stadt in drei Sektoren ein. Der östliche und westliche Teil der Stadt, sowie das Zentrum. Das sollte machbar sein. Ich legte die Materialien beiseite, um mich in das Bett zu legen, damit icv wenigstens ein wenig Schlaf abbekomme. Doch das war einfacher gesagt als getan. Mir gingen zu viele Dinge durch den Kopf, als dass ich mich ausruhen, geschweige denn hätte schlafen können.

Ich richtete mich also wieder auf und sah mich in dem Zimmer um. Wir sollten laufen gehen. Rief mir Xenon zu und war schon ganz aufgeregt. Ich seufzte akzeptierend, ehe ich das Hotelzimmer verließ und mich mitten in der Nacht auf den Weg machte, um das nächste Waldgebiet aufsuchen, in welchem ich Xenon die Kontrolle überlassen konnte. Vielleicht hilft das ja dabei, den Kopf abkühlen zu lassen. Ich lief daher durch die Gegend und versuchte mich auf den morgigen Tag zu konzentrieren, ehe ich das angepeilte Waldgebiet bereits sehen konnte. Ich steuerte auf direkten Weg auf dieses zu, ehe ich mich meiner Kleidung entledigte und mich verwandelte. Meine Knochen fingen an zu knacken und brechen, ehe sie sich neuformierten und ich wenige Sekunden später in meiner Wolfsform auf dem Waldboden stand. Ich schüttelte mein Fell, bevor ich Xenon die Kontrolle überließ, welcher direkt anfing loszulaufen. In der Zwischenzeit fokussierte ich mich eigentlich nur auf die an uns vorbeiziehenden Bäume, Büsche oder Sträucher, welche dem Wald einen gewissen Charme verliehen. Doch plötzlich stoppte mein Wolf in der Bewegung, rammte die Pfoten in den Boden und riss mich aus meiner Trance. Sie war hier. Knurrte er nur und schnupperte in der Luft, sowie am Boden. Sie war hier? Meine Gefährtin? Das kann nicht sein. Das ist unmöglich. Wieso sollte sie .. ich meine freiwillig? Aber mein Wolf unterbrach mich ein zweites Mal. Etwas ist anders. Er fletschte die Zähne, ehe er einer Spur folgte. Ihr Geruch, er hat sich verändert.

Ich schüttelte den Kopf. Das ist nicht möglich. Wieso sollte sich ihr Geruch verändern? Ich versuchte darüber nachzudenken, bis mir etwas in den Kopf kam. Nein! Niemals! Das würde sie nicht. Ich spannte mich augenblicklich an und fing an wütend zu werden. Es ist nicht das, was du denkst. Reißt mich die Stimme von Xenon wieder aus meinen Gedanken. Woher willst du das wissen? Argumentiere ich. Sie riecht nicht nach einem anderen. Es ist vielmehr, etwas animalisches. Etwas tierisches in ihrem Geruch, was vorher noch nicht da war. Ich verstand gar nichts mehr. Wie soll das möglich sein? Was willst du damit andeuten? Fragte ich barsch, nicht verstehend, worauf er hinauswollte. Ich weiß es doch selbst nicht. Knurrte er jetzt wütend. Ich kann dir nur das sagen, was ich rieche. Und ihr Geruch hat sich verändert. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich rümpfte die Nase, ehe ich wieder die Kontrolle übernahm, um mich selbst davon zu überzeugen. Aber es stimmte. Zu ihrem Geruch aus Wildblumen und Baumwolle hat sich ein holziger, waldiger Geruch gelegt. Ein Geruch, welcher zumeist von Tieren getragen wird. Ich konnte nicht glauben, was hier gerade passierte. Was ist in der Zeit passiert, als ich weg war? Ich schloss die Augen und musste mir selbst eingestehen, dass ich es wohl erst herausfinden werde, wenn ich sie gefunden habe. Dennoch ist es ein Anfang, dass ihr Geruch in der Luft hängt. Das bedeutet sie war hier und wird hoffentlich noch in der Nähe sein. Außerdem können wir ihrer Spur folgen, auch wenn sie bereits ein paar Tage älter ist.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt