Kapitel 35 - Gedankenkarussell

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Xavier

„Alpha?" Hörte ich die Stimme meines Gamma in der Gedankenverbindung. „Was ist?" Fragte ich gereizt, da Atlas immer noch damit beschäftigt war meine Wunden zu verschließen. „Wir haben sie erfolgreich zurückgedrängt." Ich knurrte laut, was Atlas aufschrecken ließ, doch als er sah, dass ich in Gedanken mit jemanden kommunizierte, widmete er sich wieder seiner Tätigkeit als Arzt. „Zurückgedrängt? Was soll das heißen?" Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Was soll das bedeuten zurückgedrängt? Hatten sie sie besiegt? Oder waren sie doch stärker als angenommen. „Ich meine natürlich die Gefahr ist vorüber. Sieben Jäger konnten getötet werden. Drei wurden festgenommen und in Gewahrsam genommen. Sie haben sich ergeben." Gab Maxwell spöttisch von sich, was mich aufatmen ließ. Zu solch einer Geste waren nur Menschen fähig. Kein Wolf der Welt, würde sich freiwillig ergeben. Wir würden eher sterben. Dennoch war ich erleichtert, dass die vermeintliche Gefahr gebannt war und wir uns jetzt um wichtigere Dinge kümmern konnten. „Gab es Verletzte? Tote?" Fragte ich dennoch sicherheitshalber nach, um nicht negativ überrascht zu werden, wenn ich mit Maxwell die Nachbesprechung des Angriffs durchgehe. „Nicht in unseren Reihen. Lediglich kleine Schürf- oder Schnittwunden, welche in wenigen Stunden verheilt, sein sollten." Wieder nickte ich und schloss entspannter die Augen, als auch Atlas endlich in die Hände klatschte und die Nadel beiseite legte.

Atlas versuchte mir noch etwas bezüglich meiner Verletzungen zu erklären, doch ich hatte gerade andere Dinge im Kopf als mich mit Wunddesinfektion oder irgendwelchen Salben auseinanderzusetzten. Ich wank nur mit der Hand ab, ehe ich das Behandlungszimmer verließ und auf direktem Weg zum Rudelhaus ließ, vor dem bereits mein Gamma und Beta warteten. „Alpha. Da bist du ja, wir wollten .." Doch ich unterbrach in harsch. „Nicht hier. In mein Büro. Sofort." Ich lief an beiden vorbei, ohne ihnen eines Blickes zu würdigen, ehe ich die Tür meines Büros öffnete und mich hinter meinen Schreibtisch stellte. Die Einstiche fingen an zu pochen, als ich zur Ruhe kam, was mich genervt eine Grimasse verziehen ließ. Das Silber war in meine Muskeln eingedrungen und verursachte kleine Explosionen in ihnen. Während sich das Wolfswurz in meinen Blutkreislauf eingeschleust hatte und meine Adern und Venen brennen ließ. Doch daran konnte ich jetzt nicht denken. Es gab wichtiges zu tun. „Schließt die Tür." Befahl ich ihnen, nachdem sie eingetreten waren und sich auf die beiden Stühle vor mir setzten. Beiden klebten die Haare im Gesicht und sie sahen verschwitzt aus. Selbst mein Bruder schien vor Ort gewesen zu sein, was ihm nicht sonderlich ähnlich sah, doch wenn es um Jäger ging, benötigten wir jeden Mann oder besser gesagt Wolf. Ich stand also hinter meinem Schreibtisch, die Hände auf dem massiven Holz abstützend.

„Das war was, sag ich dir. So ein unkoordiniertes Verhalten von Jägern habe ich noch nie gesehen. Als hätten sie das erste Mal ein Rudel angegriffen." Gab Maxwell von sich und sah Xander grinsend an. „Dennoch wurde uns vor Augen geführt, woran wir noch arbeiten müssen." Gab mein Beta, wie immer, diplomatisch von sich. „Ach, hab dich nicht so. Die Jungs konnten sich ein wenig austoben. Das haben sie mal gebraucht." Gab er nur siegessicher von sich. „Ein Sieg stand nie in Frage. Wir hatten klar die Oberhand." Er nickte sich zustimmend zu, ehe er zu mir sah und mich kritisch musterte. „Das einzige, was ich nicht verstehe, entschuldigt meine Wortwahl Alpha, aber wieso und woher wusstest du davon? Und wo warst du?" Auch mein Beta richtete seinen Blick auf mich und versuchte meinen Blick zu durchschauen. Doch ich drehte mich nur um, schenkte uns jeweils ein Glas Whiskey ein und versuchte vom Thema abzulenken. „Ich war anderweitig beschäftigt. Dennoch wurde die Gefahr verbannt und wir sind als Sieger hervorgetreten. Das ist das einzige, was zählt." Ich hob mein Glas nach oben und prostete ihnen zu, ehe ich den Inhalt herunter kippte und mir erneut einschenkte. Beide sahen mich fragend an, doch taten es mir gleich. „Wenn dann nichts weiter ist, seid ihr entlassen." Ich trat hinter meinem Schreibtisch hervor und deutete beiden an zu gehen. Maxwell brauchte ich das nicht zwei Mal zu sagen. Er stand auf, nickte mir zu und verließ mein Büro.

Doch mein Bruder kannte mich zu lange, zu gut. Weswegen er mich wissend ansah. „Auf ein Wort, Alpha." Er schloss die Tür hinter sich und drehte sich zu mir. Warum wusste ich das, fragte ich mich selbst. Er trat auf mich zu, ehe er mir die Hand auf meine rechte Schulter legen wollte, welche ich in der Bewegung wegschlug. „Nicht anfassen." Knurrte ich, immer noch das Pochen der Wunden spürend. Doch Xander runzelte nur die Stirn und sah mich fragend an. „Was verheimlichst du? DU weißt, dass du mit mir reden kannst, oder?" Er sah mich mit diesem Blick an. Diesem mitleidigen Blick. Ich hasste das. „Sieh mich nicht so an." Gab ich gereizt von mir, ehe ich mich umdrehte und wieder auf meinen Schreibtisch zulief. „Xavier. Rede mit mir. Ist es wegen .." Doch ich unterbrach ihn barsch. „Wage es dir, ihren Namen in den Mund zu nehmen." Meine Augen verdunkelten sich und ich spürte die Wut in mir aufkochen. Ich hatte immer noch nicht verkraftet, dass sie Jäger, wenn auch sehr erbärmliche, auf mein Rudel hetzte. „Ich stehe hier als dein Bruder, Xavier. Nicht als dein Beta. Also bitte, sprich mit mir. Was ist passiert? Du wirkst verändert." Doch ich konnte nur den Kopf schütteln. Hatte ich mich verändert? Wegen ihr? Wegen dem, was ich hätte haben sollen, doch was ich nicht bekommen konnte? Ich kniff mir in den Nasenrücken. Ich wusste nicht mehr, was ich denken oder glauben sollte. Ich wusste nur, dass ich sie nicht aufgeben wollte, nicht aufgeben konnte.

Sie gehörte mir. Sie war meine Gefährtin. Mein Eigentum. Versprochen von der Mondgöttin und ich würde hier nicht als Alpha des Lightwood Rudels stehen, wenn sie bei der Paarung einen Fehler begangen hätte. „Sie hat uns verraten. Mich verraten. Und dennoch .. kann und will ich sie nicht aufgeben." Ich sprach durch zusammengebissene Zähne, mied den Blick meines Bruders. „Xavier, ich, ich verstehe nicht." Ich umgriff das Glas in meinen Händen fester. „Sie ist schuld an dem Angriff. Sie hat uns die Jäger auf den Hals gehetzt. Und obwohl ich sie hassen sollte, sie verabscheuen sollte .." Ich knurrte auf und drehte meinen Kopf. Allein diese Worte über die Lippen kommen zu lassen, sorgten für Messerscharfe Stiche in meinem Herzen. Mein ganzer Körper, mein Wesen sträubte sich dagegen, das zu denken. „Kannst du es nicht." Beendete Xander meinen Satz, was mich nicken ließ. Es herrschte Stille, in der jeder von uns seinen Gedanken nachhing, ehe mein Beta wieder das Wort ergriff. „Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst. Und ich werde es auch nicht. Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist und möchte es auch nicht wissen. Aber das, was ich dir sagen kann, ist, dass du nicht nur an dich denken kannst. Du bist der Alpha, du musst auch an das Rudel denken." Ich grummle nur vor mich hin, ehe ich mich in meinen Stuhl sinken ließ. „Denkst du das weiß ich nicht?" Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, während ich meine Schläfen massiere.

„Ich sage ja nur, dass du dir überlegen solltest, ob sie das alles wert ist. Ist sie es wert, dass du um sie kämpfst? Hat sie das Zeug dazu, die Luna dieses Rudels zu werden? Ist sie es wert, dass du dich selbst unglücklich machst? Dich veränderst? Ich meine, ich sehe es dir an, das hast du bereits. Deine Augen, deine Haltung .. Ich kann nicht für dich und das Rudel entschieden. Ich weiß nicht, was die richtige Entscheidung ist. Aber du schon." Er sah mich an, wie es nur Brüder tun können. In seinem Blick lag Mitgefühl, aber auch Trauer. Er wusste, wie es mir innerlich ging. Es zerriss mich förmlich, nicht in ihrer Nähe zu sein. Zu wissen, dass sie mich insgeheim hasste, unsere Spezies verabscheute. „Denkst du, die Mondgöttin hat einen Fehler gemacht?" Ich konnte ihn nicht ansehen, als ich diese Worte aussprach. Ich wusste nicht mal, dass sie mir über die Lippen kamen. Niemand zweifelte die Entscheidungen der Mondgöttin an, doch welche Wahl hatte ich denn? Alles, was mir entgegengebracht wurde, schrie förmlich danach. Also, was sollte ich von dem Ganzen halten? „Ich denke, die Mondgöttin sieht etwas in ihr. Etwas, dass ich auch gesehen habe, als du sie mir vorgestellt hast. Etwas, dass auch du in ihr siehst, sonst hätte sie dein Interesse nicht geweckt. Dennoch glaube ich, dass sie das nicht in sich sieht." Ich runzelte die Stirn, seine Worte immer noch verarbeitend.

„Ich kann dir nicht sagen, woran du glauben sollst. Aber ich für meinen Teil, vertraue der Mondgöttin und ihren Entscheidungen. Ich glaube an die Gefährtenbindung und an das, was sie mit sich bringt. Sie denkt sich etwas bei der Verpaarung, was man als einzelner nicht immer zu sehen vermag. Einen Mate zu haben ist ein Geschenk des Himmels. Selene weiß, was sie tut, dessen bin ich mir sicher. Was du jedoch daraus machst, das weißt nur du allein." Er nickte mir noch ein letztes Mal zu, ehe er mein Büro verließ und mich mit neuen Fragen zurückließ. Weiß sie, was sie tut? Hat die Mondgöttin einen Plan? Und wenn ja, welchen? Welche Rollen spiele ich dabei und welche rollte spielt sie? Ist sie es wert? Hat sie überhaupt das Potential zur Luna? Was könnte noch passieren? Wozu wäre sie in der Lage? Will ich weiter um sie kämpfen? Um eine Frau, welche mich immer wieder zurückwies. Welche mich von sich stieß. Mein Kopf brummte und das nicht nur von den Schmerzen, welche mich immer noch plagten. Auch das Gespräch mit meinem Bruder ließ mein Gehirn auf Hochtouren arbeiten. Ich wusste nicht, an was ich glauben sollte. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wusste gar nichts mehr. Diese Frau hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Meine ganze Existenz in Frage gestellt. Aber ich werde einen Teufel tun und sie ziehen lassen. Mein Entschluss war gefasst. Ich werde um sie kämpfen und wenn ich dafür die Samthandschuhe ausziehen muss. Sie gehört mir. Das ist ein Versprechen!

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt