Kapitel 7 - Freunde

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Olivia

Am nächsten Morgen bin ich also mit einem Ziel aufgestanden. Ich werde mich Noah annähern und versuchen mit ihm eine Freundschaft aufzubauen. Also bin ich voller Energie aufgestanden, habe mich in unserem Badezimmer fertig gemacht und bin dann nach unten gegangen, um schnell zu frühstücken. Meine Mutter war bereits weg und hat mir eine Nachricht hinterlassen.

Komme erst heute Abend zurück.
Essen steht im Kühlschrank.
Hab dich lieb.

Ich heftete den Zettel also an den Kühlschrank und nahm mir noch schnell einen Apfel mit, ehe ich das Haus verließ. Anschließend schwang ich mich auf mein Fahrrad und fuhr in den nächsten Ort, damit ich in den Bus einsteigen konnte, welcher schon dastand. Nachdem ich mir also einen schönen Platz ausgesucht hatte, packte ich meine Notizen aus und suchte die entsprechenden Seiten. Da es wenige Dinge gibt, die ich noch mehr hasse, als auf etwas nicht vorbereitet zu sein, sah ich mir bereits im Bus die Inhalte der heutigen Kurse an. Ganz nach dem Motto, lieber früher als zu spät. Aber da ich mich bereits in meiner Freizeit mit vielen dieser Themen beschäftigt hatte, gab es wenige Dinge, die neu für mich waren.

Als der Bus dann an meiner Haltestelle hielt, stieg ich aus und lief in das Gebäude, auf direktem Weg zu meinem Hörsaal. Das Thema der heutigen Stunde waren Pilze. Eines meiner Lieblingsthemen. Nachdem ich mich also an meinen üblichen Platz in einer mittleren Reihe niedergelassen hatte, wartete ich auf Beginn der Stunde. Doch bevor ich die Stille überhaupt genießen konnte, setzte sich jemand direkt neben mich. Und das, obwohl der ganze Raum leer war. Bevor ich also nachdenken konnte, machte ich bereits meinen Mund auf. „Setz dich woanders hin. Ich brauche keine Gesellschaft." Doch nachdem sich die Person neben mir immer noch nicht gerührt hatte, hob ich meinen Blick, als ich plötzlich Noahs Stimme vernahm. „Immer noch so schlecht gelaunt? Ich dachte das war nur einen Tag." Ich blickte einem grinsenden jungen Mann entgegen und wurde augenblicklich rot. „Ich .. Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du es bist." Ich drehte mich schnell wieder weg und starrte auf meine Notizen. Das hat ja mal super funktioniert. Von wegen ich finde Freunde. So, mit Sicherheit nicht. „Ach, schon gut. Ich nehme es dir nicht übel. Das ist doch normal in der Roten Woche." Er wank ab und packte seine Sachen aus. Doch ich verstand nicht ganz worauf er hinaus wollte, weswegen ich mich leicht zu ihm drehte. „Rote Woche?" Er nickte und sah mich Schulterzuckend an.

„Ja. Rote Woche oder Surfen auf der roten Welle, Erdbeerwoche, Schwimmpause oder ganz simpel: Periode." Das letzte Wort flüsterte er mir zu und zwinkerte leicht. „Je nachdem wie man es nennt." Ergänzte er noch. Doch ich riss nur peinlich berührt meine Augen auf. „Bitte was? Du, du denkst ich habe meine, meine .." Er nickte wieder. „Ja, warum solltest du sonst die ganze Zeit schlecht drauf sein." Doch wieder konnte ich nur den Kopf schütteln. „Gott nein!" Jetzt riss er die Augen auf. „Wie? Hast du nicht?" Ich schüttelte beschämt den Kopf. „Das heißt .. du warst .." Er beendete seinen Satz nicht. „.. mit Absicht so zu dir? Ja." Und wieder senkte ich beschämt den Blick. Er schluckte schwer und spielte mit einem Kugelschreiber herum. „Aber .. warum?" Ich fühlte mich schlecht, weil ich echt ein Arsch war. Dennoch war ich ihm eine Erklärung schuldig. „Weißt du .. ich war noch nie .. kommunikativ. Hatte noch nie Freunde, bis auf einen. Ich war immer nur für mich. Habe mein eigenes Ding durchgezogen. Schon immer." Ich ließ eine kurze Pause, ehe ich meinen Blick ein wenig hob. „Das hier .." Ich zeigte zwischen ihm und mir hin und her. „Ist neu für mich. Ich war noch nie gut darin Freunde zu finden. Deswegen habe ich es gelassen." Ich spielte mit meinen Fingern und wartete auf eine Antwort. „Na ja. Also bis jetzt, war alles, was du getan hast, kontraproduktiv. Aber weil ich so gnädig bin und dich dennoch sympathisch finde, gebe ich dir eine zweite Chance." Ich riss meinen Kopf herum und starrte ihn ungläubig an.

Doch dann machte es klick bei mir und aus unüberlegter Freude hinaus, umarmte ich ihn dann stürmisch. „Danke dir!" Doch nachdem mir bewusst wurde, was ich da gerade tat, ließ ich ihn ganz schnell wieder los und ging auf Abstand. „Sorry.." Entschuldigte ich mich, während ich schon wieder rot anlief und mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Auch er schien von meiner überschwänglichen Reaktion sichtlich irritiert und kratzte sich am Nacken. Doch unsere Aufmerksamkeit wurde durch die Stimme unseres Professors nach vorne gelenkt. „Wenn ich um ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte. In der heutigen Stunde befassen wir uns mit Pilzen. Kann mir irgendeiner etwas darüber sagen?" Und schon beginnt der Ernst des Lebens oder so ähnlich zu mindestens. Noah und ich saßen mittlerweile wieder entspannter nebeneinander und hörten dem Dozenten aufmerksam zu. Natürlich flüsterten wir nebenbei das ein oder andere Mal und lachten auch ein wenig. Am Ende tauschten wir noch unsere Notizen aus, obwohl sich Noah eigentlich nur Fotos von meinen Notizen machte, da er im Unterricht keine Sekunde mitgeschrieben hat. Aber das war okay für mich, immerhin waren wir jetzt Freunde oder zumindestens so etwas ähnliches. Nachdem wir also alle Kurse des Tages besucht hatten, setzten wir uns in die Mensa und ließen den Tag gemeinsam ausklingen. Daran könnte ich mich gewöhnen, dachte ich mir.

Xavier

„Du riechst nach ihr! Warum riechst du nach hier!" Mein Wolf war dabei die Kontrolle zu verlieren und nur mein eiserner Wille und die Augen der anderen, welche uns zusahen, hielten mich davon ab nicht vollends die Beherrschung zu verlieren. „Alpha. Bitte. Ich kann das erklären." Noah hielt bereits dir Arme hoch, um mir zu signalisieren, dass er nicht bereit war zu kämpfen. Und selbst wenn. Ich bin der Alpha! Er hätte eh keine Chance als Omega. „Ich habe dir einen Auftrag gegeben!" Ich musste tief einatmen, um mich zu beruhigen, dennoch spürte ich bereits, wie sich meine Augen gelb verfärbten. „Du sollst sie beschatten. Sie beobachten, meinetwegen auch ein wenig kennenlernen! Also erkläre mir, warum du, verdammt nochmal, ihren Geruch an dir zu kleben hast!" Ich spürte seine Angst, die langsam in ihm hochkroch. Aber wer verübelt es ihm schon. Früher wurden die Omegas eines jeden Rudels fertig gemacht, halb todgeprügelt oder dienten als Ventil, für die angestauten Aggressionen. Mittlerweile war das zwar schon lange keine Normalität mehr, dennoch wurden einige von ihnen in abgeschiedeneren Rudeln immer noch so schlecht behandelt. „Ich kann das wirklich erklären. Sie hat mich umarmt, weil ich .." Doch jetzt verlor ich wirklich die Kontrolle. „SIE HAT WAS?!" Ich brüllte ihn an und spürte, wie die Verwandlung bereits meine Finger in lange Krallen verwandelte.

„Xander!" Rief Noah jetzt, was mich nach hinten sehen ließ. „Xavier! Halt dich zurück!" Befahl er mir in seinem Beta-Tonfall und kam zielstrebig auf mich zu. Doch ich lachte nur. „Was willst du Drehstuhlpilot denn jetzt hier!" Knurrte ich und sah ihm tief in die Augen. Er hatte Respekt vor mir und das wussten wir beide. „Du bist gerade nicht bei klarem Verstand! Zügel deinen Wolf und dann klären wir das drinnen. Abseits des tratschenden Rudels." Er ließ keinen Platz für Wiederworte und auch wenn er der Jüngere von uns beiden war, verwandelte ich meine Hand wieder zurück und lief immer noch wutentbrannt Richtung Rudelhaus. In meinem Büro angekommen kippte ich mir zwei Drinks hintereinander runter und wartete auf das Eintreten meines Betas und Omegas. „Geht das auch ein wenig schneller!" Rief ich beiden zu, welche vor meiner Bürotür miteinander flüsterten. Kurz darauf trat jedoch nur mein Beta ein, weswegen ich meinen inneren Wolf zügeln musste. „Wo ist Noah." Knirschte ich und sah Xander blutrünstig an. Doch er ging gar nicht auf meine Frage ein. „Könntest du mir erklären, was da draußen gerade passiert ist? Und wieso du, um alles in der Welt, unseren Omega bedrohst?!" Auch wenn mein Bruder sonst immer jemand war, der sich zurückhielt und seine Wut kontrollierte, so verlor er sie in diesem Moment für eine Sekunde.

„Dann riech doch mal an ihm! Er stinkt nach ihr!" Xander schüttelte den Kopf und stützte sich auf dem großen Tisch ab. „Xavier. Seit fast zwei Wochen benimmst du dich wie ein wildgewordener Rüde, welcher sich das erste Mal austoben muss, um endlich die Kontrolle über seinen Wolf zu erhalten! Also erzähl mir jetzt endlich, was verdammt nochmal los ist!" Wieder knurrte ich. „Er verbringt den ganzen Tag mit meiner Gefährtin! Meiner Seelenverwandten! Während ich hier rumsitze und zuschauen muss, wie er sonst was mit ihr treibt! Sie gehört mir! Mir allein." Ich lief in dem Raum auf und ab. „Also wenn du mich fragst.." Wieder knurrte ich. „Ich frage dich aber gerade nicht." Mein Bruder rollte mit den Augen. „So wie ich das sehe, hatte und hat Noah keine Ahnung, wer sie für dich. Du hast ihm den Auftrag gegeben, sie zu beschatten und sich mit ihr anzufreunden, ohne ihm zu erzählen, dass sie deine Gefährtin ist. Wenn er das gewusst hätte, hätte er den Auftrag mit Sicherheit nicht angenommen." Ich raufte mir die Haare und versuchte stehen zu bleiben, während ich gerade einen Lauf besser gebrauchen könnte. Dennoch musste ich meinem Beta in diesem Punkt zustimmen. „Siehst du das nicht auch so, Xavier?" Er sah mich abwartend an, doch ich wendete mich von ihm ab und blickte nach draußen.

„Wenn du sie unbedingt sehen willst und auch näher kennenlernen willst, dann tu das doch einfach. Aber du musst mit uns reden. Sie ist deine Gefährtin und jeder hier im Rudel würde verstehen, wenn du dich von deinen Pflichten zurückziehst, um sie für dich zu gewinnen." Er stand während seiner Rede auf und legte mir brüderlich die Hand auf die Schulter. Doch ich musste wieder an den ersten Abend denken. An den Tag, als ich sie das erste Mal gesehen habe. „Ich habe es versaut. Ich meine so richtig. An dem Tag, nachdem wir an der Universität waren, bin ich in den Wald, weil Feinde gesichtet wurden. Da wir aber dort nichts finden konnten, habe ich die Truppen in den Feierabend geschickt. Doch dann war da dieser Geruch. Er hat mich in den Wald gezogen, ich habe mich verwandelt und bin losgerannt." Xander sah mich bereits wissend an, forderte mich aber dennoch auf, weiterzusprechen. „Sie weiß Bescheid. Über uns. Einfach alles. Sie wollte mich umbringen. Mit einem vergifteten Dolch! Sie hasst uns. Mich. Das, was ich bin." Ich wendete mich von ihm ab, wollte nicht zeigen, wie mich das mitnahm. Wollte stark wirken, obwohl ich mich innerlich ziemlich klein fühlte. „Aber du bist ihr als Wolf gegenübergetreten, oder? Sie weiß also nicht, wie du in Menschengestalt aussiehst." Ich nickte, während mein Bruder breit grinste.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt