Kapitel 41 - Déjà-vu

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Xavier

Die letzten sieben Stunden hatten wir uns einen Plan überlegt, wie wir sie am besten davon überzeugen konnten mit uns zu gehen, ohne ein Theater zu machen. Wir wollten das klug und durchdacht angehen, doch als das Licht in dem Blumenladen ausging, konnte ich Xenon nicht mehr halten. Er stürmte aus dem Geschäft, während ich gerade noch so einen zwanziger auf den Tresen legen konnte und war bereits aus der Tür raus, als ich ihren unverkennbaren Geruch wahrnahm. Baumwolle und Wildblumen. Doch wie beim letzten Mal, im Wald, gesellte sich zu dieser unverwechselbaren Kombination ein waldartiger Geruch. Ich versuchte den Geruch aufzunehmen und zu identifizieren. Doch erst auf halber Strecke konnte ich ihm etwas genaueres zuordnen. Es roch nach Tanne. Den Geruch, an welchen man dachte, wenn man an Weihnachten denkt. Der typische Geruch eines Nadelbaums, welchen sich viele in die Wohnung oder in das Haus stellen. Er erinnerte mich an Weihnachten. Eine Zeit des Friedens und des Zusammenseins. Ein Fest der Familie. Ich seufzte leicht bei dem Gedanken daran. Wie lange hatte ich schon kein Weihnachten mehr gefeiert? Es muss ewig her sein. Seit ich Alpha geworden bin, gab es für mich keinen Grund zu feiern. Ich hatte weder eine Partnerin noch eine Gefährtin. Also verbrachte ich die Feiertage im Büro und kümmerte mich um Rudelangelegenheiten. Ich ging die Hauptbücher für Im- und Exporte durch, genehmigte ausstehende Anträge oder plante kommende Events.

Es gab immer etwas zu tun und anstatt allein zuhause zu sitzen, entschied ich mich in Arbeit zu stürzen. Denn letztendlich gab es niemanden der auf mich wartete. Nirgendwo. Xander hatte versucht mich das ein oder andere Jahr einzuladen, doch ich lehnte immer wieder ab. Ich konnte nicht mit ansehen, wie glücklich sie waren, während ich immer noch allein war. Ich hatte bereits früh davon geträumt, meine Gefährtin zu finden. Ich habe alles durchgeplant. Wie ich sie kennenlernen würde. Wie ich sie für mich gewinnen würde. Wie ich ihr alles geben würde. Verdammt. Ich habe sogar ein Haus für uns gebaut. Ein Haus welches seitdem immer leer stand. Ein trostloses Heim, dem das Leben fehlte. Ich hatte alles bedacht. Genug Platz für mindestens drei Welpen, ein großes Schlafzimmer mit Ankleide und eigenem Badezimmer. Es gab nichts, was mir zu teurer war. Doch jetzt, in diesem Moment, kam es mir so vor, als wäre all das nicht gut genug. Ich hatte meine Gefährtin gefunden. Doch sie wollte mich nicht. Eine Konstante, welche es in meinen Planungen nicht gab. Doch hier stand ich nun. An der Hauswand neben ihrer Eingangstür lehnend und darauf wartend, dass sie jeden Moment um die Ecke biegt. Doch plötzlich ging alles nach hinten los. Alle Pläne, welche ich geschmiedet hatte. Alles, was ich mir ausgedacht habe, wurde innerhalb weniger Minuten über den Haufen geworfen, als Xenon die Kontrolle übernahm. Er war der festen Überzeugung unserer Gefährtin zeigen zu müssen, zu wem sie gehörte. Also musste ich mich beugen, denn mit ihm war nicht zu spaßen.

Olivia

>Er ist hier.< Rief Ophelia aufgeregt und wedelte förmlich mit ihrem Schwanz. >Was wird er wohl zu uns sagen?< Ich grummelte nur und festigte den Griff um meine Handtasche. >Ich bin so aufgeregt!< Gott, sie ging mir jetzt schon auf den Nerv. „Woher willst du wissen, dass er es ist." Ich kniff die Augen zusammen. „Es könnte auch ein Fremder sein, der sein Parfüm trägt." Argumentierte ich und versuchte von den Gedanken abzulenken, dass er mich gefunden hatte. >Ich spüre es einfach.< So ein Blödsinn. Dachte ich mir, während ich meinen Nachhauseweg antrat und versuchte schneller zu laufen, als ich es sonst tat. Zu groß war die Angst, dass er irgendwo auftauchen könnte und ich meine Freiheit aufgeben musste. „Schon mal was von Entzug gehört? Vielleicht denkst du nur, dass er hier ist, weil du es dir so sehr wünscht." Versuchte ich sie weiterhin vom Gegenteil zu überzeugen. Doch selbst ich wusste, ganz tief in mir drinnen, dass das nur Wunschdenken war. Meine Wölfin schien von der Paarbindung stärker beeinflusst zu werden als ich, auch wenn sie zu dem Zeitpunkt der Entstehung nicht wirklich anwesend war. Ich hingegen wollte mich nicht beeinflussen lassen. Ich wollte immer noch Herr meines Körpers, meiner Sinne und vor allem Gefühle ein. Ich meine, wie verrückt wäre es, sich auf ein magisches Band, geschmiedet von einer Frau im Mond einzulassen, welche willkürlich zwei Menschen oder eher Wesen miteinander verbindet?

>Das ist nicht willkürlich.< Knurrte Ophelia wieder in meinem Kopf. >Die Mondgöttin denkt sich etwas dabei. Sie weiß, dass wir uns perfekt ergänzen. Wir gehören einfach zusammen. Für immer.< Sie war völlig verloren, dachte ich mir, während ich bereits in meine Straße einbog. Nur noch hundert Meter dachte ich mir. Dann bist du Zuhause. Sicher in deiner Wohnung und wenn du das erreicht hast, kannst du dir einen Plan überlegen, wie du ihn wieder loswirst. Doch plötzlich fing mein Körper an zu kribbeln und kitzeln. Meine Wölfin wurde ganz unruhig und tigerte in meinem Kopf umher. Sie machte mich ganz nervös, weswegen ich vor zittern den Schlüssel in meiner Tasche nicht finden konnte. >Er ist hier. Ganz nah. Das spüre ich.< Doch gerade als ich das kalte Metall greifen konnte und meinen Blick nach oben richtete, sah ich ihn. An der Wand, neben meiner Tür lehnend. „Das darf doch nicht wahr sein." Flüsterte ich vor mich hin. Das ist jetzt nicht wahr. Ich bin kurz davor in meine Wohnung zu gehen. An einen sicheren Ort. Wo mich niemand stört und jetzt muss ausgerechnet er hier stehen? Warum und vor allem woher weiß er überhaupt, dass ich hier wohne? Mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf. Während ich immer noch an Ort und Stelle stand, den Mund leicht geöffnet, nicht wissend was hier gerade passierte und ob das alles real war. War er wirklich hier oder bildete ich mir das nur ein? Habe ich nicht gerade noch von Entzugserscheinungen gesprochen? Die Frage ist nur, ob ich mir dieses Szenario gerade ein einbilde oder ob mein schlimmster Alptraum wahr geworden ist.

Xavier

Da stand sie nun. Nur wenige Meter von mir entfernt und rührte sich nicht. Ihr Mund ein Stück geöffnet, als könnte sie nicht glauben, dass ich hier bin. Hier stehe und nur auf sie gewartet habe. Sollte ich etwas sagen? Um die Stimmung aufzulockern, oder würde ich dadurch nur alles noch schlimmer machen? Ich wusste es nicht, doch mir rann die Zeit davon. „Ein schönes Wohnviertel, was du dir da ausgesucht hast." Ich gab mir innerlich eine Ohrfeige. Ein schönes Wohnviertel? Hatte ich nichts besseres im Kopf? Ich stützte mich von der Wand ab und wollte gerade auf sie zu gehen, als sie die Augen schloss und einen tiefen Atemzug nahm. Als sie wieder die Augen öffnete, sah ich eine Entschlossenheit in ihnen, welche mich sowohl stolz als auch unsicher werden ließ. Sie setzte sich in Bewegung, doch machte um mich einen Bogen und steuerte auf ihre Tür zu. Tu was! Das können wir nicht zu lassen! Sag was! Rief Xenon wütend in meinem Kopf. „Können wir reden?" Sprach ich jetzt wieder und drehte mich zu ihr um, während sie versuchte den Schlüssel in das Loch zu stecken. Doch ihre Hände zitterten so sehr, dass sie es immer wieder verfehlte. „Ich wüsste nicht, was wir zu besprechen haben." Ihre Antwort war kalt, ihre Stimme monoton. Sie ließ keinen Platz für Diskussionen und hatte ihren Standpunkt klar gemacht. „Du musst auch nichts sagen. Würdest du mir wenigstens zuhören?" Fragte ich, in der Hoffnung sie würde zustimmen, doch da hatte ich mich wohl getäuscht. Sie drehte gerade den Schlüssel im Loch um, als sie ein „Nein" erwiderte.

Sie verschwand in dem Haus und knallte mir die Tür vor der Nase zu. Ich knurrte leicht, doch ich wäre kein Alphawolf, wenn ich so einfach aufgeben würde. Natürlich hatte ich mit solch einem trotzigen Verhalten gerechnet. Also setzte ich jetzt spontan Plan B um. Ich sprang über das Tor zum Hinterhof, kletterte auf die Feuertreppe, hielt mich an dem Fenstersims fest, ehe ich das Fenster aufschob und mich in ihr Wohnzimmer hievte. Ich hatte kaum Zeit mich umzusehen, da hörte ich bereits, wie sich der Schlüssel im Loch umdrehte, sie die Tür öffnete und in die Wohnung trat. Wenige Sekunden später klappte die Tür zu und sie ließ ihre Sachen auf den Boden fallen. Anschließend lehnte sie sich mit einem Seufzer gegen die Tür und schloss die Augen. Sollte ich etwas sagen? Mich bemerkbar machen? Doch ich konnte gar nicht reagieren, da öffnete sie die Augen und ließ ein quieken los. Ich sah sie mit großen Augen an, ehe sie sich die Brust hielt und mich kritisch beäugte. „Wie..?" Doch sie sprach nicht weiter und beantwortete sich ihre Frage selber. „Durch das Fenster, wie sonst." Gab sie von sich, während sie mich kritisch musterte. „Irgendwie habe ich gerade ein Déjà-vu." Ich musste grinsen bei dem Gedanken daran, dass wir uns wenige Monate zuvor in einer ähnlichen Situation befanden. „Na wenigstens amüsiert sich einer." Gab sie bissig zurück und sah mich immer noch kritisch an. Wie sollte man in solch einer Situation am besten handeln?

Olivia

Er hatte es wieder getan. Ich glaube einfach nicht, dass ich nochmal auf diese Masche hereingefallen bin. Er gibt mir jedes Mal das Gefühl, mich in Ruhe zu lassen, unternimmt nichts, wenn ich ihn aussperre und dann bricht er über das Fenster in meine Wohnung ein. Ich schnaufte frustriert. Einerseits über meine Dummheit und andererseits über seine Hartnäckigkeit, es nicht endlich gut sein zu lassen. Wann versteht er es endlich, dass ich kein Interesse habe? >Ich habe Interesse!< Gab Ophelia eingeschnappt von sich. „Du hast gar nichts zu melden." Gab ich zickig zurück. Was muss ich denn noch alles tun, um ihn zu zeigen, dass er nicht erwünscht ist. „Wie bitte?" Fragte jetzt Xavier, welcher den Kopf schief legte. Ich brauchte gar nicht überlegen, was er meinte. Ich sprach immer laut mit meiner Wölfin, wieso auch immer. Wahrscheinlich wollte ich mich von meiner Einsamkeit ablenken und der Stimme, welche mich immer umgab. „Ich habe nicht mit dir geredet." Paffte ich ihn an und zog mir die Jacke samt Schuhe aus, um in die Küche zu gehen. Ein Kaffee ist jetzt genau das, was ich brauche, dachte ich mir. Außerdem war das eine gute Ausrede ihm aus dem Weg zu gehen, doch anstatt im Wohnzimmer zu warten, folgte er mir und stand jetzt etwas verloren in dem Türrahmen. „Olive .." Sagte er zaghaft, was mein Herz hüpfen ließ. Doch ich musste stark bleiben. Ich durfte nicht nachgeben. „Wenn du dir schon unbefugten Zutritt verschaffen hast, könntest du wenigstens den Anstand besitzen und deine Schuhe ausziehen."

Ich sah ihn nicht an, da ich mit dem Aufbrühen meines Kaffees beschäftigt war. Doch anstatt zu schweigen, ergriff er das Wort „Und du könntest ein netter Gastgeber sein und mir auch ein Getränkt anbieten, wenn ich schon mal hier bin." Ich sah sein dämliches, breites Grinsen vor meinem inneren Auge, was mich knurren ließ. Doch ich wollte sein kleines Spielchen mitspielen. Also drehte ich mich um und sah ihn an. „Kann ich dir was zum Trinken anbieten?" Ich versuchte so heuchlerisch wie nur möglich zu klingen. „Ein Glas Wasser wäre nett." Gab er von sich und lehnte immer noch lässig im Türrahmen. Bei seiner Größe und den ganzen Muskeln füllte er fast den ganzen Rahmen aus, was mich leicht schlucken ließ. Doch als er bemerkte, dass ich ihn abscannte, fing er an verführerisch zu grinsen. Ich drehte mich schnell um und ohrfeigte mich innerlich selbst dafür. Was dachte er sich dabei? Denkt er wirklich er bekommt mich mit seinem makellosen Aussehen und seinem sexy Körper rum? Als hätte ich keine höheren Ansprüche. Er grinste immer noch, was mich zunehmend wütender machte. Also öffnete ich die Schranktür und holte ein Glas heraus, welches ich mit kalten Wasser befüllte. Ich drehte mich um, trat einen Schritt auf ihn zu und hielt ihm das Glas hin. Doch anstatt es ihm zu geben, schüttete ich es ihm direkt ins Gesicht, mit dem Kommentar. „Sei froh, dass du dich für Wasser entschieden hast." Anschließend nahm ich mir meinen Kaffee und ging an ihm vorbei, während er völlig fassungslos und klitschnass zwischen Küche und Wohnzimmer stand.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt