Olivia
Ich schluchzte und spürte die heißen Tränen auf meinen Wangen. Das kann nicht sein. Das darf nicht sein. Ich griff hinter mich und versuchte mich an etwas greifbarem festzuhalten. „Liv. Bitte. Lass mich dir helfen." Ich schüttelte den Kopf. „Du kannst mir nicht helfen! Bleib weg von mir!" Ich schrie ihn an und spürte den Baum an meinem Rücken, an welchen er mich vor wenigen Minuten noch gedrückt hatte. Ich zog mich an diesem hoch und versuchte mich zu konzentrieren. „Liv .." Seine Stimme klang flehend, doch das Einzige, was ich verspürte, war Hass. „Hör auf mich so zu nennen! Dazu hast du kein Recht!" Ich blickte mich panisch um und versuchte mich zu orientieren. Er trat wieder einen Schritt auf mich zu. „Hau ab! Verschwinde! Ich will dich nie wieder sehen! Hast du verstanden! Nie wieder!" Ich schluchzte und versuchte die Tränen wegzublinzeln. „Bitte, lass mich dir helfen. Ich weiß, was zu tun ist." Ich ließ einen Schrei los und trat zwei Schritte zurück. „Einen Scheiß weißt du." Er strich sich frustriert übers Gesicht und wollte wieder etwas sagen, doch ich kam ihm zuvor. „Ich will nichts mehr von dir hören. Ich will dich auch nicht mehr sehen. Nie wieder." Ich fing an loszulaufen, doch meine Hand wurde gegriffen und ich nach hinten gezogen. „Du kannst jetzt nicht gehen. Du musst bei mir bleiben, damit der Biss verheilt." Ich knurrte ihn an und schlug seine Hand weg. „Was verstehst du unter Fass-mich-nicht-an nicht!" Ich war außer mir vor Wut.
„Und außerdem." Ich atmete tief ein. „Muss ich gar nichts, außer so weit wie nur möglich von dir wegzukommen." Ich spuckte ihm diese Worte ins Gesicht. „Olivia, du verstehst nicht. In wenigen Wochen beginnt die Hitze. Wenn du nicht bei mir bist, wird sie dich zerreißen." Er ist ernster geworden und durchdrang mich mit seinem Blick. „Das ist mir gerade scheiß egal. Denn weißt du was? Ich würde lieber sterben, als noch weiter in deiner Nähe zu sein." Meine Augen waren zu Schlitzen geformt und versuchten ihn mit meinem Blick zu töten. Er stand nur da und sah mich sowohl schockiert als auch verhasst an. „Das werde ich nicht zulassen." Knurrte er und ballte seine Hände zu Fäusten. Ich musste mich währenddessen kurz sammeln und realisieren was da gerade eben passiert war. Er hatte mich markiert. Hier. Mitten im Wald. Gegen meinen Willen. Ohne danach zu fragen, ob ich es auch wollte. Ohne überhaupt zu fragen. Ich schnaufte bei dem Gedanken an seine Rücksichtslosigkeit. Ehe ich mich einfach umdrehte und loslief, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. „Du kannst dich nicht dagegen wehren. Wir sind jetzt aneinander gebunden." Rief er mir zu, was wieder meine Wut aufkochen ließ. Also nahm ich all meinen Mut zusammennahm, um folgendes zu tun. „Xavier!" Ich rief seinen Namen, während er schon dabei war zu gehen. „Ich warne dich." Ich sprach diese Worte mit Bedacht und dennoch setzte ich so viel Hass in diesen Satz, wie ich nur konnte.
Er hatte seinen Blick wieder auf mich gerichtet und sah mich abwartend an. „Ich rate dir, es endlich gut sein zu lassen." Er lachte höhnisch auf und schüttelte den Kopf. „Es ist vorbei, Olivia. Du hast keine Wahl mehr. Du bist markiert und damit an mich gebunden. Für immer! Das weißt du genauso gut wie ich." Er sah mich herausfordernd an, doch er wusste nicht, wen er da vor sich hatte. „Du hast keine Ahnung, mit wem du dich anlegst." Wieder verzog er seinen Mund zu einem schiefen Lächeln. „Ich denke, dass weiß ich ganz genau." Er flüsterte die Worte. Wollte mir mit seiner Ruhe Angst einjagen, mir seine Überlegenheit demonstrieren. Doch ich kannte diese Spielchen schon. „Lass dir eins gesagt sein." Ich ließ eine kurze Pause, um Spannung aufzubauen. Um meiner folgenden Aussage Nachdruck zu verleihen. „Merk dir meine Worte gut." Ich schnalzte mit der Zunge und musterte ihn. „Ich werde dein Untergang sein." Er zog eine Augenbraue nach oben und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie könntest du? Du bist ein Mensch und ich ein Wolf. Ein Monster, so wie du es gerne nennst." Er zwinkerte mir zu, während ich dieses Mal grinsend den Kopf schütteln musste. „Du wirst dir noch wünschen, mir nie begegnet zu sein. Das verspreche ich dir." Mit diesen Worten ließ ich ihn stehen. Er hatte keine Ahnung, mit wem er sich da anlegte. Ab jetzt, befanden wir uns im Krieg und er hat keine Ahnung, welche Asse ich im Ärmel hatte.
3 Tage später
Olivia
Ich hatte alles gepackt und für den Umzug vorbereitet. Natürlich hatte ich das, was vor wenigen Tagen passierte, nicht eingeplant, was meinem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung machte. Dennoch war ich fest entschlossen das Kapitel zu schließen, welches wir beide angefangen hatten zu schreiben. Auch wenn wir noch nicht fertig miteinander waren, gab es für mich nur einen Ausweg aus dieser Geschichte. Und das war die Flucht. Ich wusste, dass ich mich durch die Markierung nicht weit von ihm entfernen konnte. Trotzdem bedeutete das nicht, dass er gewonnen hatte. Ich werde alles daran setzten, um ihn von mir fernzuhalten. Da ich ihn jedoch bereits kannte und dementsprechend wusste, dass er mich nicht einfach so gehen lassen würde, hatte ich mir bereits etwas überlegt, was die Verbindung zwischen uns endgültig zerstören wird. Das war auch der Grund, warum ich die letzten Nächte kaum ein Auge zugemacht habe. In mehr oder weniger zwielichtigen Foren habe ich nach Jägern gesucht, welche es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Spezies Werwolf auszulöschen. Wenn er also denkt, er könnte mich aufhalten, mich überzeugen zu bleiben, hatte er sich gewaltig geschnitten. Schlimm genug, dass er mich gegen meinen Willen markiert hatte. Sollte er also etwas planen oder durchsetzen, was meinem Vorhaben im Weg stehen könnte, werde ich zu brutaleren Methoden greifen müssen. Immerhin hatte ich ihn gewarnt, sich nicht mit mir anzulegen. Für alles darüber hinaus, war er von jetzt an selbst verantwortlich.
Xavier
Etwas braute sich zusammen. Etwas Böses und ich wurde das Gefühl nicht los, dass das etwas mit Olivia zutun hatte. Xenon schwieg seit Tagen. Lief nur aufgeschreckt in meinem Kopf umher, ständig auf der Lauer und ließ mich nicht wirklich schlafen. Irgendetwas ging dort draußen vor sich und ich hatte keine Ahnung was. Ich hatte die Patrouillen an den Rudelgrenzen verstärkt. Zusätzlich wurde mir jede Stunde Bericht erstattet, was Olivia trieb. Doch sie hatte das Waldhaus die letzten Tage nicht verlassen. Was wiederum meine Vermutung bestärkte, dass sie etwas geplant hatte. Ich lief also erneut die Grenzen meines Rudels ab, um zu kontrollieren, ob alles nach Plan lief, als mich die Stimme eines Kriegers erreicht. „Alpha. Bewegung am Waldhaus. Zielperson scheint Gebäude zu verlassen." Xenon knurrte wütend auf und verdeutlichte mir damit, dass er anscheinend doch noch anwesend war. Ich gab dem Krieger also eine kurze Rückantwort, ehe ich mich in Richtung Waldhaus bewegte, um mir selbst ein Bild davon zu machen, was Olivia jetzt schon wieder vorhatte. Dieses Menschenmädchen raubt mir noch den letzten Nerv. Wäre Xenon nicht so besessen von der Idee, unsere Gefährtin für sich zu gewinnen, hätte ich sie wahrscheinlich schon längst aufgegeben. Doch dieser Sack voller Flöhe würde mir das Leben zur Hölle machen, sollte ich sie gehen lassen. Also gab ich mich geschlagen. Wohlwissend, dass ich bereits verloren hatte. Aber was solls.
Als ich dann keine fünf Minuten später das Waldhaus sah, verwandelte ich mich zurück und schritt auf dieses zu als Olivia aus der Haustür trat und diese verschloss. Auf ihrem Rücken befand sich ein großer, vollbepackter Rucksack. In den Händen hielt sie eine Reisetasche, ehe sie sich stöhnend zu mir umdrehte. „Als hätte ich es geahnt." Gab sie genervt von sich, ehe sie die drei Stufen der Veranda hinunterlief und sich Richtung Osten bewegte. „Du willst also wirklich gehen?" Fragte ich sie leicht enttäuscht und folgte ihr mit Abstand. „Dem stand nie etwas im Wege." Gab sie nur selbstgefällig zurück. Mein Wolf knurrte, doch ich versuchte Ruhe zu bewahren. „Also willst du das alles zurücklassen?" Fragte ich galant, den Abstand zwischen uns verkleinernd. Doch sie blieb plötzlich stehen und drehte sich zu mir um. „Es gibt nichts, was ich zurücklasse. Wann bekommst du das in deinen Schädel?" Sie formte ihre Augen zu Schlitzen und sah mich stoisch an. „Du lässt deinen Gefährten zurück." Gab ich nun nonchalant zurück und lächelte leicht, in der Hoffnung sie nicht noch wütender zu machen. „Du bist nicht mein Gefährte. Du bist unbedeutend für mich. Jemand dem ich zufällig begegnet bin und der es nicht wert ich, dass ich mich mit ihm aufhalte. Ein Niemand." Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, doch es war nicht nur mein Schmerz, den ich spürte. Es war auch ihrer. Durch die Markierung waren wir aneinander gebunden. Fühlten was der andere fühlte, konnten spüren, was der andere dachte. Zumindestens solange, bis die Markierung aufrecht gehalten wurde.
Und ich konnte sehen, dass diese Worte nur ein Schutzmechanismus waren. Auch wenn mir diese Mauer, welche sie errichtet hatte, um mich fernzuhalten, mehr zusetzte, als ich gedacht habe. „Egal, wie sehr du versuchst mich glauben zu lassen, du würdest mich hassen. Mich verabscheuen. Ich kenne die Wahrheit und du auch." Sie schnaufte, drehte sich um und setzte ihren Gang fort, doch ich folgte ihr. Ich war nicht bereit sie aufzugeben, beziehungsweise mein wölfischer Teil war es nicht. „Hör auf mich zu verfolgen." Gab sie stöhnend von sich, doch ich dachte nicht mal daran. „Wo du hingehst, gehe auch ich hin." Gab ich gelassen von mir und hielt mit ihr Schritt. Sie schrie frustriert auf, ehe sie wieder stehen blieb, sich zu mir umdrehte und bis auf einen Schritt an mich herantrat. „Ich sage es dir jetzt ein letztes Mal." Sie piekte mir mit ihrem Zeigefinger immer wieder in die Brust, was mich nicht sonderlich beeinflusste. „Lass mich in Frieden. Ansonsten .." Sie ließ eine Pause, in der sie tief ein- und ausatmete und ihre Augen schloss. „.. sind du und dein Rudel bald Geschichte." Sie sah mich mit ihren tiefblauen Augen an und ich sah eine Flamme in diesen lodern, welche nichts Gutes zu bedeuten hatte. „Wie willst du, mickriger Mensch, ein ganzes Rudel aus Werwölfen auslöschen?" Gab jetzt mein Wolf höhnisch von sich und sah sie herausfordernd an. „Sie verzog ihre Lippen zu einem hochmütigen Grinsen. „Nicht ich. Aber andere." Ich blinzelte kurz, nicht wissend, worauf sie hinauswollte.
Sie setzte ihren Gang jedoch wieder fort, ließ mich immer noch perplex an Ort und Stelle stehen. „Weißt du, es ist wirklich faszinierend, was man alles findet, wenn man nur danach sucht." Ich hatte mich wieder gefasst und hing mich wieder an sie heran. „Gibt man also das Wort >Jäger< in Kombination mit dem Wort >Werwölfe< in die Suchleiste ein, erhält man Zugriff auf ganz viele fragwürdige aber dennoch vielversprechende Foren." In ihrer Stimme schwang Belustigung mit, was mich jedoch nur noch wütender werden ließ. „Was soll das bedeuten." Brachte ich gepresst hervor. „Nun ja, das soll so viel bedeuten, wie .. dass ich Kontakt zu einer Gruppe Jäger aufgenommen habe." Sie drehte sich wieder zu mir um und sah mich ernst an. Jegliche Freunde und Belustigung waren verschwunden. „Solltest du also meinen, mich in irgendeiner Weise zu bedrängen, aufzuhalten oder gar zu ärgern .. zögere ich nicht, ihnen den Standort deines Rudels zu schicken." Ich knurrte erneut und fletschte die Zähne. „Das würdest du nicht tun. Du bluffst." Mein Blut kochte vor Wut, Xenon war jeden Moment bereit sich zu verwandeln. „Ich an deiner Stelle würde mich nicht auf die Probe stellen. Du weißt, wozu ich fähig bin. Spätestens nach der Kräutermischung." Meine Ohren spitzten sich, bei ihren letzten Worten. Sie erinnerte sich wieder. „Also, wenn du mich nun allein lassen würdest. Ich bin schon spät dran." Sie sah mich abwartend an, gespannt was ich jetzt tun würde.
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Der Hass meiner Gefährtin
WerewolfIn einer Welt, in der Menschen neben Werwölfen koexistieren, führt Olivia mit ihrer Mutter ein bescheidenes Leben, abseits der Zivilisation. Doch als sie plötzlich umziehen müssen, gerät sie in das Visier eines Alphas, welcher in ihr endlich seine G...