Kapitel 27 - Unerwartete Geschehnisse

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Xavier

Doch sie lachte nur höhnisch auf, ging vorsichtig, sich an der Wand festhaltend, zur Tür und öffnete diese. „Ich gehe nirgendwo hin." Sie ließ eine Pause in der sie sich versuchte aufzurichten. „Und schon gar nicht mit dir mit. Wenn du also bitte endlich gehen würdest?" Sie sah mich ausgelaugt an und schien völlig entkräftet. Dennoch wollte ich einen letzten Versuch wagen, an ihre Vernunft zu appellieren. „Olivia. Bitte. Sieh dich doch mal an. Du bist völlig erschöpft, am Ende deiner Kräfte. Lass dir helfen, bitte." Sie schien von dieser Aussage jedoch nur noch wütender zu werden. „Niemand kann mir helfen! Und schon gar nicht du! Also hör verdammt nochmal auf so zu tun als würdest du das Beste für mich wollen." Sie sprach laut und sah mit sowohl sauer als auch vorwurfsvoll an. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und ich hatte das Gefühl, es würde ihr gleich aus der Brust springen. „Ich will und brauche keine Hilfe!" Sie atmete hektisch und versuchte zeitgleich ihren Körper wieder unter Kontrolle zu bringen und sich selbst zu beruhigen. Ich konnte sie jedoch nur enttäuscht ansehen und trat einen Schritt Richtung Tür. So hatte ich mir das Ganze nicht vorgestellt. Dennoch musste ich mir eingestehen, dass ich hier nicht weiter komme. Ich stand also in der offenen Tür und war dabei all meine Pläne über den Haufen zu werfen. So wie sie vor mir stand, wie sie aussah, konnte ich ihr nichts tun.

Irgendetwas in mir hielt mich zurück und appellierte an meinen Menschenverstand. Dieses Mädchen war völlig fertig und brauchte es sicher nicht noch, dass ein eifersüchtiger Alpha-Wolf sie überwältigt und mit sich zerrt. Wobei ich das Ganze natürlich etwas gesitteter über die Bühne gebracht hätte, versteht sich natürlich. Doch genau in diesem Moment wirkte sie so zerbrechlich, so erschöpft, dass ich ihr nichts Böses wollte. Deswegen und nur deswegen entschied ich mich das alles langsamer anzugehen. Ich entschied mich aus der Tür zu gehen und als ich draußen stand, drehte ich mich noch einmal um. „Überleg es dir. Du kannst mich jederzeit kontaktieren." Doch sie knallte mir die Tür vor der Nase zu, was mein Herz bröckeln ließ. Womit hatte ich das alles nur verdient? Ich trat einen Schritt von der Veranda und lief die drei Stufen nach unten als ich ein plötzliches Poltern hörte, nicht sicher, ob es mein Herz oder etwas anderes war. Ich spitze also meine Ohren und versuchte jedes Geräusch in der Umgebung wahrzunehmen. Doch ich vernahm nichts, außer Vogelgezwitscher. Keine Schritte im Haus, kein wild pochendes Herz, nicht mal ein Atmen. Meine Alarmglocken gingen an, während ich zurück zur Tür lief und wild gegen sie hämmerte. „Olivia? Bist du da? Hörst du mich? Mach bitte die Tür auf." Ich wartete einen kurzen Moment ab, ehe ich meinen Finger in eine Kralle verwandelte und in dem Schloss herumfuhrwerkte. Solange bis es kurz darauf klick machte. Ich stieß die Tür stürmisch auf, um meine Gefährtin vor der Treppe auf dem Boden liegend vorzufinden.

Olivia

Das Letzte was ich sah, war sein Gesicht, welches mich enttäuscht ansah, nachdem ich die Tür zugeschlagen hatte. Ich wusste einfach nicht mehr was ich denken oder fühlen sollte. Mein Körper war mit allem völlig überfordert und nun sollte ich die Rechnung dafür bekommen. Ich war gerade dabei zurück in mein Zimmer zu gehen als schwarze Punkte vor meinen Augen begannen zu tanzen, ehe ich das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Im gleichen Moment als mein Kopf den Boden berührte schlossen sich auch meine Augen. Ich wusste nicht, ob es aus Angst war oder einfach ein Reflex meines Gehirns, welcher schon den Boden kommen sah. Aber nachdem ich auf dem Boden zum Liegen kam, verlor ich wenige Sekunden später das Bewusstsein. Mein Körper war einfach am Ende und hatte wahrscheinlich keine Kraft mehr, mich am Leben zu erhalten. Und so kamen mir Gedanken, welche ich am liebsten nie hatte denken wollen. Vielleicht ist das mein Ende? Werde ich so sterben? Meine Mutter wird die nächsten Tage nicht wieder kommen. Xavier ist gerade gegangen, obwohl ich mir bei ihm nicht sicher bin, ob er mich überhaupt retten wollte oder sogar konnte. Sollte das also mein Ende sein? Allein gelassen um zu sterben? Und außerdem. Wollte ich überhaupt gerettet werden? Konnte ich das denn noch? Hatte ich nicht eigentlich schon mit meinem Leben abgeschlossen? Ich wusste es nicht und ich hatte auch keine Kraft mehr darüber nachzudenken, denn diese Dunkelheit zog mich vielmehr in ihre Tiefe, als das die Helligkeit ihr entgegenwirken könnte. Und so entschied ich mich wieder einmal für den einfacheren, den leichteren und unbeschwerten Weg.

Xavier

Ich rannte zu ihr rüber, kniete mich auf den Boden und drehte sie auf den Rücken. Ich fühlte ihren Puls, welcher kaum spürbar war. Ich prüfte ihre Atmung, welche mehr schlecht als recht ging und auch ihr Herz klang ungewöhnlich leise. Ihre Stirn war glühend heiß, was mich innerlich zum Kochen brachte. Dieses verdammte sture Ding! Ich hob sie daher hoch, trug sie nach draußen, um kurz darauf mit ihr in meinen Armen loszulaufen. Innerlich verfluchte ich sowohl sie als auch mich. Sie, für ihre Sturköpfigkeit und die Tatsache, dass sie Kräuter zu sich nahm, ohne die Auswirkungen zu kennen. Und mich, für meine Fahrlässigkeit, das alles laufen gelassen zu haben. Ich hätte bereits beim letzten Mal einschreiten müssen. Ich rannte also, wie wild geworden durch den Wald und hoffte innerlich, dass ihr Atlas helfen kann. Ich wüsste sonst nicht, was ich tun würde. Ich kann sie nicht verlieren. Nicht jetzt. Nicht so. Verdammt! Ich bin so ein Idiot. Wieso habe ich sie nicht schon früher davon abgehalten? Ich hätte alle Pflanzen im ganzen Umkreis verbrennen lassen sollen. Sie einsperren sollen oder irgendwas anderes tun müssen. Irgendwas. Doch ich war zu geblendet von dem Gedanken, sie würde selbst erkennen, was gut und was schlecht für sie ist. Ich hatte mich getäuscht, das erste Mal in meinem Leben. Sollte sie also irgendwelche Schäden davontragen, werde ich mir das nie wieder verzeihen können. „Von jetzt an, werde ich dich beschützen. Und wenn es das Letzte ist, was ich tun werde. Ich verspreche es. Du wirst dir nie wieder selbst schaden. Das lasse ich nicht mehr zu." Flüsterte ich ihr zu und küsste ihre Stirn.

Olivia

Ich gab mich der Dunkelheit gänzlich hin. Ich suhlte mich in der Schwärze und der Leere, welche von ihr ausging. Hier hatte ich keine Verpflichtungen. Musste nicht gegen etwas kämpfen, meinen Standpunkt verdeutlichen. Hier war ich allein. Konnte selbst bestimmen, was ich tat. Das erste Mal in meinem Leben musste ich nicht das tun, was mir andere vorschrieben. Musste niemanden aus dem Weg gehen. Mich niemanden beugen. Ich war in einer Blase gefangen und fühlte mich trotzdem so frei, wie noch nie. Hier war ich einfach nur Olivia. Während ich also dabei war mich fallen zu lassen, einfach mal zu entspannen und mich zurückzulehnen, wurde ich von dieser Stimme unterbrochen, welche sich in mein Unterbewusstsein schlich. Ich knurrte wütend auf und blickte mich um, doch in der Dunkelheit war nichts zu erkennen. Selbst hier, an diesem ruhigen Ort, versucht man mich zu beeinflussen. Ich versuchte sie zu ignorieren, sie aus meinen Gedanken auszuschließen, sie verstummen zu lassen, doch es war unmöglich. Halte durch. Gib nicht auf. Ich brauche dich. Flüsterte sie mir zu. Ich schüttelte jedoch nur den Kopf. Warum durchhalten, wenn es hier so schön ist? Warum aufgeben, wenn ich das bereits getan habe? Wer braucht mich schon. In einer Welt mit 7 Milliarden anderen Menschen ist der Verlust meiner Person weniger bedeutend. Während ich also wieder die Augen schließen wollte, wurde ich durch ein unsanftes Ruckeln aus meinem Zustand gerissen, weswegen ich diese widerwillig öffnen musste.

Doch ich kniff sie sofort wieder zu als mich das grelle Licht blendete und ich den Verlust meines Sehvermögens befürchten musste. Ich stöhnte sowohl erschöpft als auch frustriert auf, was in einem seltsamen Laut geendet haben muss. Während sich also meine geschlossenen Lieder zunehmend an die Helligkeit gewöhnten, erkannte ich einen Schatten, welcher sich mir gegenüber positioniert hatte. „B-bin ich .. ich tot?" Gab ich krächzend von mir und hielt mir schützend die Hand vor die Augen, ehe ich einen weiteren Öffnungsversuch dieser wagte. Doch der Raum wurde durch ein nervöses Lachen erfüllt. „Zum Glück nicht. Das hätte sowohl dir als auch mir einige Probleme gebracht. Obwohl, dir wahrscheinlich noch weniger als mir, denn du wärst ja tot gewesen und hättest es nicht mehr ändern können. Ich hingegen wäre schuld daran gewesen und na ja .. du kennst Xavier ja mittlerweile." Ich versuchte mit den Gedanken seinen Worten zu folgen, aber wirklich viel kam davon nicht bei mir an. „Na ja, tot bist du jedenfalls nicht. Also willkommen zurück bei den Lebenden." Ich öffnete meine Augen ein Stück weiter, sodass ich die Gestalt mir gegenüber erkennen konnte. An dem Fußende eines Bettes stehend, in dem ich höchstwahrscheinlich lag, stand ein schmaler, großer Mann, welcher mich freundlich anlächelte. Er sah halbwegs jung aus, war irgendetwas zwischen zwanzig und dreißig. Seine dunkelblonden Haare fielen auf die Stirn und verdeckten einen Teil seiner Augen, während der Rest verstrubbelt auf seinem Kopf herumlag.

Seine grünen Augen musterten mich besorgt und dennoch schien er keine Gefahr zu sein. So viel meinte jedenfalls meine Menschenkenntnis mir sagen zu müssen. „Ken-kennen wir uns?" Fragte ich nun zögerlich und immer noch mit kratziger Stimme, weswegen er mir ein Glas mit farbloser Flüssigkeit entgegenstreckte. „Hier trink das." Ich nahm die Flüssigkeit entgegen, roch zur Sicherheit an dem Glas, bevor ich es zu meinen Lippen führte und in einem Zug austrank. „Da scheint wohl jemand sehr durstig zu sein." Er lächelte wieder, was kleine Grübchen an seinen Wangen und Falten an den Augen zum Vorschein brachte. „Aber zurück zu deiner Frage. Ja, wir kennen uns bereits beziehungsweise sind uns schon begegnet. Aber dein Gedächtnisverlust ist ganz normal. Besonders nach solch einem Sturz. Das sollte sich aber bald wieder regeln." Er sah mich zuversichtlich an, doch in meinem Kopf schienen die Zahnräder auf Hochtouren zu arbeiten und bildeten immer wieder neue Frage, auf die ich keine Antworten hatte. „Sturz? Gedächtnisverlust? Was, wo, wer?" Ich wusste gar nicht was ich sagen sollte. Ich war völlig überrumpelt und überfordert mit der Situation. „Okay, gut. Fangen wir von vorne an. Ich bin Atlas und dein behandelnder Arzt. Du liegst bei uns auf der Krankenstation, weil du gestürzt bist und dir den Kopf angeschlagen hast. Erinnerst du dich?" Er sah mich aufgeregt an, doch ich konnte nur den Kopf schütteln, was ich jedoch gleich darauf wieder bereute, da er höllisch zu schmerzen begann. Aus Reflex fasste ich mir also an die Stirn und fühlte einen Verband, welcher um meinen Kopf gewickelt wurde. Ich riss die Augen auf und sah Atlas fassungslos an. „Keine Sorge. Es ist alles gut. Ich habe deine Wunden verbunden und deinen Körper wieder auf Vordermann gebracht." Er kam näher und schien sich eine Flüssigkeit in einem Beutel näher anzusehen. „Da hast du ganz schön was angerichtet, weißt du? Du warst so abgemagert, dass dein Gewichtsverlust fast lebensbedrohlich war. Deine Vital- und Blutwerte sahen auch nicht sonderlich gut aus. Du bist ganz knapp einer Blutvergiftung von der Schippe gesprungen und das in deinem Zustand." Er drückte irgendwelche Knöpfe und während ich noch versuchte zu verarbeiten, was er gesagt hatte, fiel mir erst auf, dass an meinem gesamten Körper Schläuche hingen und Nadeln in meinen Körper führten. „Was ist das alles?" Ich zeigte auf die mit meinem Körper verbundenen Gerätschaften und sah ihn verstört an. „Nun ja. Das hier ist eine Infusion mit Nährstoffen." Er zeigte auf einen Beutel mit durchsichtiger Flüssigkeit. „Das hier ist eine PE. Hiermit ernähren wir dich künstlich, aufgrund deines mangelnden Gewichts." Er deutete auf einen weiteren Schlauch, welcher in meinen Körper führte. „Und das hier ist ein Langzeit EKG." Er zeigte auf das Gerät, welches Piepstöne von sich gab. „Hiermit können wir uns deine Herzfrequenz und deinen Herzrhythmus ansehen." Ich nickte verstehend, während zeitgleich die Tür aufging und das Piepen lauter und schneller wurde.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt