Kapitel 23 - Realität einer Vermutung

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Xavier

Ich war mir mittlerweile mehr als sicher, dass da etwas anderes dahintersteckte, weswegen sie mich von sich fernhielt und der Anziehungskraft widerstehen konnte. Ich wusste nur noch nicht was es war. Also versuchte ich alles, was ich über sie wusste, zusammenzutragen. Was leider nicht besonders viel war aber die Tatsache, dass sie Mikrobiologie studiert und sich für Pflanzen interessierte, brachte mich auf einige Ideen, welche ich mit unserem Rudelarzt besprechen möchte. Dieser ist jedoch heute außer Haus und kümmert sich um die Rudelmitglieder, welche außerhalb des Rudelhauses leben. Rein theoretisch, müssten auch der Beta und Alpha dort wohnen, damit sie immer erreichbar sind und so schnell wie möglich handeln können, im Falle eines Notfalls. Da aber weder mein Bruder noch ich davon begeistert waren und wir lieber unsere Privatsphäre bevorzugten, entschieden wir uns jeweils ein Haus zu bauen, welches nahe des Rudelhauses gelegen ist. So waren wir immer nur wenige Minuten entfernt und hatten dennoch unsere Privatsphäre. So wie es der Zufall wollte, waren wir natürlich gegenseitige Nachbarn, was mich weniger störte als meinen Bruder. Denn während er ein Perfektionist war, war ich das komplette Gegenteil und eher chaotisch veranlagt. Das sah man auch am Garten, welcher Xander wohl der größte Dorn im Auge war.

Ich ließ die Pflanzen wachsen, wie es ihnen lieb war, während mein Bruder Tage, nein sogar Wochen in die Pflege seines Garten-Paradieses investierte. So wie er es immer nannte. Ich konnte darüber immer nur den Kopf schütteln, da ich wirklich besseres zu tun hatte, als mich um einen Garten zu kümmern. Auch wenn es mein eigener war. Während ich also versuchte mir die Zeit mit irgendwelchen belanglosen Tätigkeiten zu vertreiben, welche das Rudel betrafen, zerbrach ich mir immer noch den Kopf über meine wahrscheinlichste Theorie. Auch wenn ich bei der Mondgöttin hoffe, dass ich mich irre, so hat mich mein Bauchgefühl noch nie im Stich gelassen. Ich habe zwar von solch einem Fall noch nie gehört, aber sollte sich meine Annahme bestätigen, dann steht die Existenz unserer Spezies auf dem Spiel. Doch darüber will ich jetzt noch gar nicht denken, bevor ich nicht mit Atlas gesprochen habe. Vielleicht weiß er ja mehr und kann mich etwas beruhigen. Während ich mich also noch mit Baugenehmigungen, irgendwelchen Verträgen sowie den finanziellen Ausgaben des Rudels befasste, klopfte mein Beta an die Tür und bat um ein Gespräch. Ich ließ ihn daher mehr oder weniger begeistert eintreten, doch arbeitete mich weiterhin durch die Papier. „Was gibt's? Ich bin beschäftigt, wie du siehst." Er trat vor meinen Schreibtisch und räusperte sich, ehe er anfing zu reden. „Ich wollte nur mal fragen, wie es so läuft. Mit deiner Gefährtin."

Er klang sowohl diplomatisch als auch persönlich interessiert, dennoch war SIE, meine Gefährtin, immer noch ein heikles Thema, was meinen Wolf leicht auf knurren ließ. „Was geht dich das an." Entgegnete ich genervt, da ich das Gefühl hatte, es würde nur noch dieses eine Thema geben. „Nun ja, ich bin der Beta dieses Rudels und sorge mich um die Zukunft. Ein Alpha braucht seine Luna, ohne sie wird er zu schwach und so auch das Rudel. Du weißt genauso gut wie ich, dass ein Rudel ohne Luna nicht funktioniert. Und andererseits bin ich immer noch dein Bruder und interessiere mich für dich. Ich will, dass du glücklich bist." Ich runzelte die Stirn, legte den Stift beiseite, lehnte mich in meinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Und wenn ich dir sage, dass es fantastisch läuft. Es nicht besser sein könnte?" Ich sah ihn abwartend an. „Dann freue ich mich sowohl für das Rudel als auch für dich. Aber entschuldige mein Anmaßen und das sage ich jetzt als dein Bruder. Das glaube ich dir nicht." Er lächelte schief, da er wusste, dass er mich durchschaut hatte. So war das eben zwischen Brüdern. Sie kannten sich in- und auswendig und wussten, wenn der andere lügt. Ich seufzte frustriert und kniff mir in die Nase. „Du hast ja keine Ahnung." Ich schüttelte nur ungläubig mit dem Kopf und stieß mich von dem Tisch ab, ehe ich mich an meiner Bar bediente und Xander auch einen Drink anbot, welchen er dankend entgegennahm.

„Willst du drüber reden?" Ich kippte das erste Glas Whiskey herunter und goss mir ein Zweites ein. „Ich weiß nicht mal, wo ich anfangen soll." Ich lachte kehlig auf, ehe ich auch mein zweites Glas leerte. Die braune Flüssigkeit lief meinen Rachen hinunter und sorgte für ein angenehmes brennen. „Noch nie in meinem ganzen Leben, habe ich solch eine sture Person getroffen." Ich schüttelte fassungslos den Kopf, während mich mein Bruder grinsend musterte. „Ich schon." Er nippte an seinem Glas und sah mich wissend an. „Vertrau mir, wenn ich dir sage, dass ich gegen sie der Kindergarten bin." Ich vernichtete bereits das dritte Glas, ehe ich weitere Details bekannt gab. „Sie wehrt sich. Gegen alles. Ich habe manchmal das Gefühl, dass sie immun gegen die Verbindung ist." Ich sah meinen Bruder kurz an, ehe ich auch sein Glas wieder befüllte. „Wie meinst du? Immun gegen die Verbindung." Ich atmete schwer ein und aus, ehe ich mich mit dem Rücken zu ihm drehte und in den Wald blickte. „Den einen Tag, ist sie eiskalt. Wenn ich sie berühre, regt sich nichts. Keine Gänsehaut, keine Funken. Den anderen Tag, stellen sich ihre Nackenhaare auf, sobald ich in der Nähe bin. Ihr Herz schlägt schneller und sie hat diesen Blick." Mein Beta runzelte die Stirn und sah mich fragend an. „Den Blick?" Ich nickte und drehte mich zu ihm um. „Du weißt schon. Der Blick, der dir sagt, dass sie dich gleich bespringt. Sich nicht mehr kontrollieren kann. Über dich herfällt."

Er musste sich ein Grinsen verkneifen, weswegen ich nur abwank. Gleichzeitig stellte er das Glas auf dem Tisch ab und kam auf mich zu, ehe er neben mir stand. „Weißt du, Bruder. Wenn man Frau verstehen würde, ginge viel von ihrem Zauber verloren." Er blickte mich noch einmal lächelnd an, ehe er mir auf die Schulter schlug und mein Büro verließ. „Und wenn ich diesen Zauber gar nicht brauche?" Rief ich ihm nach, doch er war bereits gegangen. An seiner Stelle trat jetzt unser Rudelarzt in den Türrahmen und sah mich irritiert an. „Welchen Zauber brauchst du nicht?" Ich schüttelte nur den Kopf und stellte jetzt auch mein Glas auf dem Tisch ab. Atlas ist der Einzige, welcher mich, nach meinem Bruder, duzen darf. Immerhin kennen wir uns seit wir klein sind und er zählt zu meinen engsten Vertrauten und Freunden. „Ich habe bereits auf dich gewartet." Entgegnete ich nun, um das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken. „Was verschafft mir die Ehre, Alpha." Er grinste mich schelmisch an, ehe er sich auf dem Stuhl vor mir niederließ und sich streckte. „Hast du schon mal von einem Mittel oder einer Medizin gehört, welches die Gefährtenbindung unterdrückt?" Ich wollte nicht lange um den heißen Brei herumreden, also kam ich direkt auf den Punkt. Während Atlas also über meine Worte nachdachte, musste ich mich konzentrieren meine aufkommenden Gefühle in Schach zu halten.

„Was meinst du? Worauf willst du hinaus." Ich schürzte die Lippen und sah ihn verlegen an. „Meine Gefährtin. Sie wehrt sich gegen die Verbindung. Obwohl wir uns bereits vor knapp zwei Monaten begegnet sind. Ich habe das Gefühl, dass sie sich davor schützt. Dass das Band keinen Einfluss auf sie hat." Jetzt schürzte Atlas die Lippen und stützte sich auf seinen Knien ab. „Von so etwas habe ich noch nie gehört. Entschuldige, wenn ich nachfrage. Aber gibt es noch einen anderen Grund, warum du so etwas vermutest?" Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und ballte die Hände zu Fäusten. „Sie interessiert sich für Pflanzen. Geht Nachts raus und sammelt sie. Pflanzt sie um. Sie hat sogar einen eigenen Raum dafür. Ich weiß, dass es Pflanzen gibt, die uns schaden. Aber von so etwas habe ich noch nie gehört. Denkst du, das wäre möglich?" Ich sah ihn verzweifelt an, weil ich hoffte, er würde meine Annahmen verneinen, doch das tat er nicht. „Nun ja. Die Medizin schreitet immer weiter voran. Genauso wie die Pflanzenheilkunde. Ausschließen würde ich es jedenfalls nicht. Aber Alpha. Verzeih, wenn ich frage. Aber weißt du, welche Konsequenzen das haben könnte?" Ich knurrte leicht auf und musste mich zusammenreißen, meinen Wolf zu bändigen. „Natürlich weiß ich, was das für Konsequenzen haben könnte." Ich sprach durch zusammengebissenen Zähne und spürte bereits, wie sich meine Augen verfärbten.

„Sollte das Mittel weiterentwickelt werden, könnten sie sich dauerhaft vor uns verstecken. Wir würden nie wieder unseren Gefährten finden und daran zerbrechen. Andere würden verrückt werden und willkürlich irgendwelche Unschuldigen markieren. Es würde Chaos ausbrechen. Und das, während viele Menschen von unserer Existenz immer noch nichts wissen." Ich fletschte die Zähne und dachte an die Auswirkungen, welche durch die Veröffentlichung eines solchen Mittels auf uns zukommen könnten. Wir haben bereits genug Feinde, da brauchen wir nicht noch mehr. „Xavier, du musst unbedingt mehr darüber herausfinden. Im Idealfall, kommst du sogar an eine Probe heran und kannst sie mir mitbringen? Dann kann ich sie in meinem Labor untersuchen und mehr darüber herausfinden." Er sah mich fragend an, nicht sicher, wie ich mich entscheiden würde, doch eines stand bereits fest. Ich werde weder zulassen, dass sie meine Spezies ausrottet, noch dass sie sich weiterhin gegen die Verbindung wehrt. Sie ist meine Gefährtin und sollten sich meine Vermutungen bewahrheiten, hat sie meine Gutmütigkeit gänzlich verspielt. Während also Atlas immer noch seinen Gedanken nachhing, fasste ich bereits einen Entschluss. Morgen früh, nachdem sie das Haus verlassen hat und es leer steht, werde ich mir ihr Zimmer und das Gewächshaus mal genauer ansehen. Dennoch kann ich nur hoffen, dass ich mich irre. Ich weiß nicht, was ich oder mein Wolf sonst tun werden.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt