Olivia
Als ich am nächsten Tag das Haus verlassen möchte, steht auf unserer Veranda eine kleine Tüte, mit meinem Namen drauf. Da ich jedoch spät dran bin, stopfte ich alles in meinen Rucksack und steige auf mein Fahrrad, um in das nächste Dorf zu fahren. Dort angekommen, wartete bereits der Bus, welchen ich gerade so vor dem Schließen der Tür erreiche. Drinnen angekommen, sah ich mich nach einem Platz um und setzte mich. Anschließend wühlte ich in meinem Rucksack und suchte nach meinem Notizbuch, als mir die Tüte von heute Morgen ins Gedächtnis kam. Ich zog sie also aus dem Rucksack und stellte sie auf meine Oberschenkel. Es war eine weiße Tüte, auf der mit fein säuberlicher Schrift mein Name stand. Warum wusste ich bereits jetzt von wem dieses .. was auch immer kam. Ich rollte also leicht mit den Augen, ehe ich eine weiße, schwere Schachtel herauszog. Ich öffnete die Verpackung, zog den Deckel auf und zum Vorschein kam ein original verpacktes Handy. Ich nahm es vorsichtig aus der Verpackung und begutachtete es. Das Smartphone war weiß, mit einer Glasrückseite. Das Display war clean und wies keine Kratzer auf. Ich seufzte unsicher, ehe ich es zurück in die Verpackung legte und in der Tüte nach einem Zettel oder ähnlichen suchte. Nach wenigen Sekunden konnte ich eine weiße Karte greifen, welche ich umdrehte, um die Innenschrift zu lesen.
Als Wiedergutmachung für
unser letztes, nächtliches Treffen.
X.
„X." Wofür könnte das stehen? In den meisten Fällen für den Namen. Aber welcher Name beginnt schon mit X? Ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, da der Bus bereits an meinem Campus hielt. Ich stopfte also wieder alles zurück in die Tasche, stieg aus und lief auf direktem Weg zu meinem Hörsaal. Auf dem Weg machte ich mir bereits Gedanken, wie ich mit diesem .. Geschenk umgehen könnte, bis ich zu dem Entschluss kam, es nicht anzunehmen. Ich stehe in keiner Beziehung zu ihm, er ist mir rein gar nichts schuldig. Außerdem kann ich das einfach nicht annehmen. Es ist viel zu teuer und außerdem mögen wir uns nicht mal. Welchen Eindruck würde ich vermitteln, wenn ich dieses Geschenk annehmen würde? Ich ließ mich also auf meinen üblichen Platz nieder, starrte auf das Pult und wartete auf den Beginn der Vorlesung. Doch keine fünf Minuten später, wurde ich durch eine tiefe, raue Stimme aus den Gedanken gerissen. „Ich hoffe dir hat mein Geschenk gefallen." Meine Nackenhaare stellten sich bei seiner Stimme auf und ich spannte mich augenblicklich an. Ich musste mich kurz räuspern, ehe ich anfing zu sprechen. „Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du mir ein Geschenk machen möchtest, dennoch kann ich das nicht annehmen." Ich blickte stur geradeaus und versuchte so monoton wie möglich zu klingen. „Warum nicht?" Fragte er jedoch leicht irritiert. „Du bist mir nichts schuldig. Wir kennen uns ja nicht einmal und mögen tun wir uns auch nicht. Also warum sollte ich sowas dann annehmen."
Ich spürte seine Anspannung, was mich ebenfalls verunsicherte und um ehrlich zu sein auch ängstlich fühlen ließ. „Geschenke gibt man nicht zurück. Lernt ihr sowas in der Menschenwelt nicht?" Fragte er jetzt leicht belustigt. „Bei uns sagt man: wenn ein Weib Geschenke nimmt, so hat sie sich selbst verkauft." Ich warf einen kurzen Blick über meine Schulter, ehe ich wieder nach vorne sah. „Tja, tut mir leid. Umtausch ausgeschlossen." Jetzt drehte ich mich doch zu ihm um und sah ihn leicht verärgert an. „Ich brauche keine Almosen." Er schüttelte den Kopf und verzog seinen Mund zu einem geraden Strich. „Das sind keine Almosen. Ich wollte dir eine Freude machen. Weil dein Handy wegen mir kaputt gegangen ist." Ich schnaufte frustriert aus. „Das ist aber nicht deine Baustelle und außerdem ist das viel zu teuer. Ein neues Display hätte es auch getan." Ich drehte mich wieder um und fing an mitzuschreiben. „Für meine Gefährtin ist mir aber nichts zu teuer." Hörte ich ihn jetzt stolz sagen. Doch bei dem Wort >Gefährtin< stellten sich meine Nackenhaare erneut auf und das nicht im positiven Sinne. „Hör auf mich so zu nennen." Ich versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren, doch scheiterte kläglich. „Warum? Du bist meine Gefährtin. Warum sollte ich es also nicht laut sagen dürfen. Ich warte seit mehr als einem Jahrzehnt darauf dich zu treffen und kennenzulernen." Ich musste den Kopf schütteln und fühlte mich innerlich schlecht, ihm das jetzt sagen zu müssen.
„Das tut mir zwar sehr leid für dich, aber ich bin nicht die Richtige für dich. Je eher du das verstehst, desto besser für uns beide. Ich werde dir nie das geben können, was du brauchst." Mit diesen Worten stand ich auf und verließ den Raum. Innerlich zerbrach etwas in mir, wovon ich nicht einmal wusste, dass es überhaupt existiert hatte. Auch die Markierung, welche er mir verpasst hatte, verbesserte meine Gefühlslage nicht sonderlich. Im Gegenteil, sie machte alles nur noch schlimmer. Mich durchzog ein unaufhörlicher Schmerz, welcher es mir zunehmend schwerer machte zu atmen. Ich lief orientierungslos durch die Schulgänge, fing an alles verschwommen zu sehen, ehe ich nach draußen stürmte. Dort hielt ich mich an einem Baum fest, um zu Atem zu kommen, doch meine Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. Ich blickte mich panisch um und versuchte zu atmen, doch kein Gramm Luft durchströmte meine Lungen. Ich ließ meinen Blick zu der Tür schweifen, in welcher mittlerweile mein sogenannter Gefährte stand und mich kritisch beäugte. Mir lief, währenddessen eine Träne die Wange herunter, ehe ich meinen Blick senkte. Meine Lieder wurden zu schwer um sie offen zu halten, vor meinen Augen tanzten schwarze Punkte und bevor ich realisieren konnte, was gerade passierte, brach ich in mir zusammen.
XavierIch sah sie wenige Meter entfernt am Baum stehen, wie sie völlig erschöpft in sich zusammenbrach. Keine Minute später stand ich bereits bei ihr und versuchte sie wachzurütteln, doch sie schien bewusstlos zu sein. Ich prüfte ihren Puls, welcher zu rasen schien und ihre Atmung. Anschließend nahm ich sie auf meine Arme und trug sie zu meinem Auto, um mit ihr zu meinem Rudel zu fahren. Ich hoffe unser Rudelarzt weiß, was mit ihr los ist. Während der Fahrt beobachtete ich sie und hoffte auf eine Regung, doch sie blieb weiterhin bewusstlos. Also beschleunigte ich den Wagen und nach weiteren Fünf Minuten sah ich bereits unser Kranken-Gebäude und parkte davor ein. Ich nahm sie wieder auf meine Arme und trug sie direkt in das Büro von Atlas. „Sie ist einfach zusammengebrochen und ich weiß nicht wieso." Gab ich leicht panisch von mir und deutete auf meine Gefährtin in meinen Armen. Atlas führte mich auf direktem Weg in ein Behandlungszimmer, wo ich sie dann vorsichtig auf das Bett legte. „Du musst mir jetzt ganz genau beschrieben was passiert ist. Damit ich weiß, womit ich es zu tun habe." Sprach er mich an, während ich versuchte alles so gut es geht zusammenzufassen. Während unser Rudelarzt nur fassungslos den Kopf schütteln konnte und mich für den Biss rügen wollte, lag mir das Leben meiner Gefährtin gerade mehr am Herzen als die Fehler, die ich gemacht habe.
„Ich weiß, dass das eine scheiß Idee war." Gab ich nur genervt von mir, während ich meine Gefährtin anstarrte. „Wir müssen sie erst einmal wach bekommen. Vorher können wir nicht mit der Behandlung beginnen." Sagte jetzt Atlas, als er ihre Vitalwerte prüfte und sich die Wunde ansah. „Ähh, Alpha?" Ich bewegte meinen Kopf zu ihm und sah ihn fragend an. „Wie lange sieht ihr Arm schon so aus?" Ich blickte auf die besagte Stelle und konnte meinen Augen nicht glauben. Der Biss hatte sich gefährlich entzündet. Ihr Unterarm war geschwollen und bläulich gefärbt. Die Adern zeichneten sich stark ab und aus der Bissstelle trat Flüssigkeit aus. „Keine Ahnung. Ich habe sie vor zwei Tagen markiert." Ich sah leicht panisch zu unserem Rudelarzt. „Versuch du sie wach zu bekommen. Währenddessen bereite ich alles für die Entnahme vor." Ich blickte ihn leicht verwirrt an. „Welche Entnahme?" Doch Atlas schüttelte wieder nur den Kopf. „Alphas sind immer gleich. Der Gefühlslage nach handeln und dann erst nachdenken." Ich knurrte auf, doch er hatte bereits das Zimmer verlassen. Ich wusste gerade nicht, was ich denken oder fühlen sollte. Ich wusste nur, dass sie wach werden musste. Also beugte ich mich über sie, versuchte sie durch sachte Schläge auf die Wange wach zu bekommen, doch es funktionierte nicht. „Hey. Liv? Wach auf. Komm schon."
Ich schüttelte sie an den Schultern, öffnete ihre Augen, doch sie blieb weiterhin bewusstlos. Ich fühlte mich unfassbar hilflos, weswegen ich auf den Flur lief und nach Atlas Ausschau hielt. Nachdem ich ihn gefunden habe, musste erstmal schwer schlucken. „Was wird das?" Fragte ich ihn, als er eine Spritze samt Nadel bereitlegte. „Ich bereite alles für die Entnahme vor." Er zuckte nur mit den Schultern und suchte weitere Sachen zusammen. „Atlas! Welche Entnahme?" Er rollte mit den Augen, ehe er anfing Klartext zu reden. „Ich weiß, das wird dir jetzt nicht gefallen, aber ich muss dir ein wenig Gift abnehmen, damit ich ein Gegenmittel für die Wunde herstellen kann." Ich verkrampfte mich, sobald er fertig gesprochen hatte. „Und wofür brauchst du dann die Spritze?" Fragte ich gereizt. „Ja na ja, also ich muss das Gift direkt am Ursprung entnehmen." Ich knurrte ihn an, doch bevor ich mit einem Vortrag anfangen konnte, wurden wir durch Geräusche hochgeschreckt. „War das?" „Kam das aus?" Fragten wir beide gleichzeitig und beäugten unsere Umgebung kritisch. Anschließend sahen wir uns an und eilten zu dem Behandlungsraum, in welchem Olivia lag. Und tatsächlich, da war sie. In dem Bett sitzend und hellwach. „Was ist hier los?" Fragte sie panisch und hielt eine Scherbe in ihrer Hand, welche sie auf uns richtete. „Ganz ruhig. Du bist hier in Sicherheit." Versuchte ich sie zu beruhigen.
Doch sie schüttelte nur hektisch den Kopf. „Einen Scheiß bin ich hier! Niemand ist bei euch sicher!" Sie sah sich panisch um und flüsterte wirres Zeug, von wegen ich hätte sie entführt und würde sie festhalten wollen. „Olive .." Ich wollte sie berühren, doch sie schreckte panisch weg. „Nenn mich nicht so! Du hast nicht das Recht mich so zu nennen. Niemand hat das." Sie wollte aufstehen, doch fiel fast zu Boden, wenn ich sie nicht festgehalten hätte. „Fass mich nicht an! Du hast mich entführt. Deswegen bin ich jetzt hier. Und du willst mich hier festhalten, aber das lasse ich nicht zu." Sie fuchtelte wild mit der Scherbe umher. „Olivia!" Ich sprach mit etwas Nachdruck. „Ich habe dich weder entführt, noch will ich dich hier festhalten. Wir wollen dir helfen, weil du umgekippt bist und bewusstlos warst." Sie schüttelte den Kopf, doch stöhnte gleich danach auf. „Wieso weiß ich nicht was passiert ist?" Fragte sie jetzt wieder und sah uns beide abwechselnd an. Atlas sah mich fragend an und bat um das Wort, welches ich ihm mit einem Nicken gab. „Du bist bewusstlos geworden, weil sich dein Arm entzündet hat. Du stehst kurz vor einer Blutvergiftung." Sie blickte uns fragend an, bevor sie herunter zu ihrem Arm sah.
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Der Hass meiner Gefährtin
WerewolfIn einer Welt, in der Menschen neben Werwölfen koexistieren, führt Olivia mit ihrer Mutter ein bescheidenes Leben, abseits der Zivilisation. Doch als sie plötzlich umziehen müssen, gerät sie in das Visier eines Alphas, welcher in ihr endlich seine G...