Kapitel 42 - Fassungslos

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Xavier

Das ist gerade nicht wirklich passiert. Hat sie mir ernsthaft das Glas Wasser in das Gesicht geschüttet? Meine Haare hingen mir im Gesicht und auch mein Shirt war durchnässt. Während ich immer noch perplex und leicht erschrocken im Türrahmen stand. Ich strich mir die Haare zurück, welche mir an der Stirn klebten und drehte mich zu ihr um. Doch sie stand sowohl regungslos als auch selbstgefällig in der Ecke und beobachtete mich. Okay. Entspann dich. Du musst jetzt Ruhe bewahren. Ich versuchte tief durchzuatmen, ehe ich mich in der Wohnung umsah und die Tür zum Badezimmer erblickte. Ich warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, ehe ich in dieses lief und mir ein Handtuch nahm. Zurück im Wohnzimmer fing ich an meine Haare zu trocknen. Ehe ich mir das Shirt auszog und das Handtuch über meinen Oberkörper wandern lief. Dabei versuchte ich Blickkontakt mit ihr zu halten und jede ihrer Regungen ausfindig zu machen. Ich wusste, dass ich gut aussah. Ich war ein Werwolf und ein Alpha noch dazu. Wir waren sportlich, trainierten viel und genau das zeigte auch mein muskulöser Oberkörper. Daher wunderte es mich nicht, dass sie den Blick nicht von mir lassen konnte, während ich das Handtuch über meine Schulter legte und auf sie zutrat. Ihr Herzschlag ging schneller und ihre Körperhaltung wirkte angespannt. „War es das, was du wolltest? Wolltest du mich oberkörperfrei sehen? Du hättest es nur sagen müssen. Dann hätten wir uns das Ganze auch ersparen können."

Olivia

Seine Stimme klang kehlig. Heiser. Verführerisch. Männlich. Gott, wenn er noch näherkommt, platze ich vor Anspannung. Schlimm genug, dass er mit mir in einem Raum ist. Aber so nah? An meinem Ohr flüsternd? Sein Körper nur wenige Zentimeter entfernt und seine Lippen .. Verdammt! Hör auf damit! Hör auf über ihn nachzudenken. Er ist es nicht wert! Erinnerte ich mich selbst und versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren. „Was ist los? Warum so still?" Meine Nackenhaare stellten sich bei diesem Klang auf, während Ophelia in meinem Kopf heulte. Sie wollte ihn. Mit allem, was sie hatte und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht feucht bin. Ich meine, hallo? Habt ihr diesen Adonis mal gesehen? Durchtrainierte Arme und Schultern. Ein breites Kreuz samt Sixpack und dann noch dieses Gesicht. Die Haare fielen ihm auf die Stirn, was ihn aussehen lässt als wäre er gerade schwimmen gewesen. Diese grauen Augen, welche mich zu durchblicken versuchten. Der markante Kiefer, mit einem Dreitagebart. Verdammt, dieser Typ war ein Gott. Ich schloss die Augen und versuchte mich von seinem Geruch und seiner Nähe nicht beeinflussen zu lassen aber seien wir ehrlich. Wirklich zu funktionieren, scheint das nicht. Also musste ich einen anderen Weg einschlagen. „Du bedrängst mich." Ich schob ihn von mir und flüchtete in die andere Ecke. „Schon mal was von sexueller Nötigung gehört?" Doch er lachte nur.

Ein raues Lachen. Tief aus seiner Brust, was meinen Körper zum vibrieren brachte und meine Beine enger aneinanderpressen ließ. Warum hat er nur solch eine Wirkung auf mich? Ist es das Band? Die Markierung? Warum fühle ich so? Wieso bin ich so .. verloren in seiner Gegenwart? >Weil er unser Gefährte ist. Und weil wir die Paarbindung noch nicht vollzogen haben.< Ich rollte die Augen. „Halt die Klappe." Gab ich nur zurück und versuchte mich wieder auf das hier und jetzt zu konzentrieren. Doch als ich meinen Blick hob, stand Xavier wieder nur zwei Meter von mir entfernt. Dieses Mal mit verschränkten Armen und einer hochgezogenen Augenbraue. „Wieso soll ich die Klappe halten. Ich habe doch gar nichts gesagt." Gab er skeptisch von sich und beobachtete mich. Ich stöhnte frustriert auf. „Ich habe ja auch nicht mit dir geredet." Gab ich zickig von mir und fasste mir an den Nacken. Das wird mir alles zu viel. „Liv .. Das ist das zweite Mal. Du sagst etwas, ohne dass es an mich gerichtet ist. Obwohl ich der einzige bin, mit dem du hättest reden können. Was ist los?" Er sah gequält aus und schien sich wirklich Sorgen zu machen. Doch das könnte alles eine Masche sein. Um mich um den Finger zu wickeln. Um mich einzulullen. Doch ich bin nicht so blöd und falle auf seine Psychospielchen rein. >Er spielt nicht mit uns! Versteh das doch. Er sorgt sich um uns. Oder mehr um dich. Von mir weiß er ja noch nichts.< Gab Ophelia verzweifelt als auch aufgeregt von sich. „Und das wird auch so bleiben." Flüsterte ich.

Xavier

„Was wird so bleiben?" Ich sah sie an und verstand gar nichts mehr. Sie sprach mehr mit sich selber als mit mir, seit ich hier bin. „Olivia. Sag mir verdammt nochmal was mit dir los ist. Du stehst völlig neben dir. Wirkst teilweise wie weggetreten und sprichst mit dir selber." Mein Gefühle spielten verrückt und ich stolperte von wütend zu besorgt über panisch und von unsicher zu betroffen. Ich war ein reines Chaos. „Es ist nichts." Paffte sie mich wieder an und lief an mir vorbei, um die Kaffeetasse in die Küche zu bringen. „Das glaube ich dir aber nicht. Du benimmst dich merkwürdig." Gab ich nun leicht gereizt von mir. „Ach, ist das so? Woher willst du das wissen?" Sie drehte sich zu mir um und sah mich mit zusammengezogene Augenbrauen an. „Du warst doch die letzten Wochen gar nicht da! Du hast keine Ahnung, wie es mir geht oder was ich alles durchmachen musste!" Sie stellte die Kaffeetasse in die Spüle und fing an diese sauber zu machen. „Ich wäre ja dagewesen, wenn du nicht einfach abgehauen wärst und Jäger auf mein Rudel gehetzt hättest!" Langsam machte sie mich wütend. Auch wenn mich ihre Aussage viel mehr verwirrte. Wollte sie, dass ich da bin? Die letzten Wochen? Hatte sie mich vermisst? Und was musste sie in der Zeit alles durchmachen? „Ach komm schon. Erzähl mir nicht, dass dir diese Vollidioten Probleme bereitet hätten." „Also warst du dir bewusst, dass sie uns nicht schaden konnten. Gut zu wissen." Ich knurrte und starrte sie weiter an.

„War das dein Plan? Mich abzulenken, um fliehen zu können?" Sie zuckte mit den Schultern und drehte sich wieder um. Sie schrubbte an der Tasse herum, als würde ihr Leben davon abhängen. Doch als sie plötzlich die Tasse in mehrere Teile zerbrechen ließ, zuckte ich leicht zurück. Wie .. wie hat sie das gemacht? Ein Mensch dürfte dazu gar nicht in der Lage sein. Als mich jedoch der Geruch von Eisen erreichte, verflogen die Gedanken und ich hatte das Bedürfnis ihr zu helfen. „Du blutest." Ich ging auf sie zu und nahm ihre Hände in meine. „Das ist nichts." Gab sie nur abwesend von sich. „Ich hole was." Ich lief in das Bad, während ich sie sagen hörte: „Das wird nicht nötig sein." Als ich zurückkam und die gleiche Stelle betrachtete, war die Wunde schon fast verschlossen und nur noch das Blut erinnerte an den Schnitt. Ich blickte sie fragend an, doch sie entzog sich meiner Berührung und räumte die Scherben weg. „Olive. Bitte, fang an zu reden. Was ist los mit dir?" Ich klang flehend und hoffte, sie würde endlich mit der Sprache rausrücken. „Es ist nichts!" Wieder nur die gleiche Antwort. „Das kannst du mir nicht erzählen! Das glaube ich dir nicht. Du verhältst dich untypisch. Hast Stimmungsschwankungen. Sprichst mit dir selber. Was ist verdammt nochmal passiert?" Ich suchte in ihren Augen nach Antworten, doch sie waren undurchdringlich. „Und selbst wenn, was würde es dir bringen, es zu wissen. Vielleicht bin ich ja bipolar oder schizophren! Wer weiß das schon?!

Oder vielleicht habe ich auch eine gespaltene Persönlichkeit! Diese Stimme in meinem Kopf lässt das zu mindestens vermuten!" Sie erhob ihre Stimme und sah mich nun erwartungsvoll an. Doch ich blieb still und musste erst einmal verarbeiten, was sie da gerade gesagt hatte. „Und? Bist du jetzt zufrieden! Fühlst du dich jetzt besser?" Ich sah sie an, doch musste kurz die Augen zusammenkneifen, als sich ihre Augenfarbe für einen kleinen Moment verändert hatte. Das ist nicht möglich. Gab Xenon jetzt von sich, welcher verhältnismäßig ruhig geblieben ist. Hast du das auch gesehen? Fragte ich ihn, nicht sicher, ob das Einbildung war. Ihre Augenfarbe sie .. hat sich verändert. Beendete er meinen Satz. Sie waren weiß-grau. Eine unnatürliche Farbe für einen Menschen. Was ist, wenn sie .. doch er sprach nicht weiter. Wir sollten die Fakten betrachten. Gab ich nun von mir, was mich überraschte. Ich war noch nie der diplomatische Typ. Der, der alles analysierte. Die Dinge auseinandernahm. Ich handelte lieber als alles zu hinterfragen. Doch jetzt, schien mir das fehl am Platz zu sein. Wir mussten sinnvoll vorgehen und das bedeutete in diesem Moment, die Wogen zu glätten. „Nein, mir geht es nicht besser. Wenn du das wirklich wissen möchtest. Ich .." Doch ich unterbrach mich selbst, nicht wissend, was ich sagen sollte. „Ich will einfach nur, dass es dir gut geht. Ich möchte verstehen, warum du dich so fühlst und dir helfen." Sie sah mich skeptisch an und verschränkte die Arme vor der Brust.

Olivia

„Warum? Warum sollte es dich überhaupt interessieren? Was geht dich das an, wie es mir geht. Ob es mir gut oder scheiße geht." Ich sah ihn fragend an und war gespannt auf seine Antwort. „Weil wir Gefährten sind. Wir gehören zusammen und brauchen einander. Wenn es dir nicht gut geht, geht es mir auch nicht gut. Es ist meine Aufgabe und Verantwortung, dass es dir gut geht und wenn nicht, muss ich dafür sorgen, dass es dir besser geht." Das war genau die Antwort, welche ich erwartet hatte. „Siehst du .. und genau das ist dein Problem. Du siehst mich als deine Verantwortung. Als eine Aufgabe, welche du lösen musst. Hast du dir jemals Gedanken darüber gemacht, warum das so ist?" Ich musste leicht lachen und schüttelte den Kopf. „Nenn mir einen guten Grund, warum ich dir glauben sollte, dass du möchtest, dass es mir gut geht. Ich meine, wir mögen uns ja nicht einmal. Eigentlich hassen wir uns sogar." Er sah mich mit einem leeren Blick an und schien meine Worte nachzuvollziehen. „Ich hasse dich nicht." War das einzige, was er sagte. Doch genau das bestätigte wieder meine Annahme. „Du fühlst dich für mich verantwortlich, weil du es so kennst. Weil ihr so erzogen wurdet. Du wirst von dem Gedanken eingenommen, dass wir zusammengehören. Aber empfinden tust du rein gar nichts für mich." Diese Worte fühlten sich wie Rasierklingen auf meiner Zunge an und sorgten für einen brennenden Schmerz in meinem Herzen.

Dennoch war es die Wahrheit. Es gab nichts, was uns verband. Keine Geschichte. Kein Ereignis. Nichts. Wir waren bloß zwei Fremde, welche sich zufällig begegnet sind. „Ich empfinde etwas für dich. Ich fühle mich von dir angezogen. Ich .." Doch ich unterbrach ihn. „Das sind keine Gefühle, Xavier. Das ist Attraktivität, mehr nicht. Ich meine, überleg doch mal. Wir kennen uns ja nicht einmal. Gibt es irgendetwas, was du über mich weißt, was kaum einer weiß?" Er sah mich kurz an. „Du interessiert dich für Pflanzen, bist sturköpfig, hast einen komische Modegeschmack und trägst immer einen Zopf. Deine Fingernägel sind schwarz lackiert, du lebst mit deiner Mutter allein, studierst Mikrobiologie und bist vor zwei Wochen zweiundzwanzig geworden." Nachdem er fertig mit seinem Vortrag war, konnte ich wieder nur mit den Augen rollen. „Um das zu wissen, braucht es nicht viel. Die Hälfte der Dinge ist für jeden da draußen sichtbar. Die andere Hälfte erfährt man bereits nach einem kurzen Gespräch. Aber ich meine das wirklich wichtige. Was ist meine Lieblingsfarbe? Bin ich ein Katzen- oder Hundemensch. Wie lange brauche ich frühmorgens im Bad oder was ist meine Lieblingsschlafposition. Was mache ich in meiner Freizeit, wenn ich mal nicht mit Pflanzen arbeite. Was bringt mich richtig auf die Palme?" Er seufzte und rieb sich durch das Gesicht. „Siehst du? Wir wissen nichts voneinander. Also erzähl mir nicht, dass du etwas für mich empfindest, wenn du diese Fragen nicht beantworten kannst."

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt