Xavier
„Riechst du das?" Sprach ich meinen Bruder an und wartete seine Antwort ab. „Was soll ich riechen?" Fragte er dämlicherweise nach und drehte sich zu mir um. Ich konzentrierte mich auf meinen Geruchssinn und fokussierte meine Sinne. Ich schloss daher die Augen und ließ alles auf mich wirken. „Hier riecht es nach Wildblumen und einem Hauch von Baumwolle." Ich öffnete meine Augen wieder und blickte einem völlig verwirrten Xander entgegen. „Geht's dir gut? Sollen wir zurück? Fühlst du dich nicht gut?" Er wollte mir seine Hand an die Stirn halten, welche ich wütend wegschlug.
„Fass mich nicht an und lass uns das jetzt hinter uns bringen." Ich lief an ihm vorbei und steuerte auf direktem Weg auf die großen Eingangstüren zu, um durch sie hindurchzugehen und das Büro des Präsidenten aufzusuchen. „Kommst du jetzt, oder warum stehst du da noch so dumm rum?" Wies ich meinen Bruder an und drehte mich kurz um. Er schüttelte seinen Kopf und kam mir dann hinterhergedackelt. Vielleicht war es doch besser, dass ich der Alpha geworden bin, dachte ich mir, während ich auf einem der beiden bereitgestellten Stühle platz nahm. Doch auch nachdem der Präsident eingetreten war und uns beide begrüßt hatte, konnte ich mich nicht wirklich auf das hier und jetzt konzentrieren. Ich war die ganze Zeit in Gedanken bei diesem Geruch, welcher sich über des gesamten Universitätscampus verbreitete.
Wahrscheinlich studiert sie oder ist zu mindestens hier gewesen. Aber wieso habe ich diesen Geruch noch nie zuvor wahrgenommen? Vielleicht ist sie eine Austauschstudentin? Oder nur auf Durchreise und hat sich zufällig hier hin verirrt. Oder sie hat erst dieses Semester neu begonnen. Das würde wiederum bedeuten, dass sie noch sehr jung ist. Wenn sie direkt nach dem Schulabschluss hierher gekommen ist. Oder sie hatte zuvor etwas anderes gemacht und ist jetzt erst hierher gezogen. Fakt ist eins. „Ich brauche eine Liste aller neuen Studentinnen." Plötzlich richteten sich alle Augen auf mich und sahen mich sowohl verwirrt als auch irritiert an. „Wie bitte?" Fragte jetzt der Präsident nach und wechselte den Blick zwischen mir und meinem Bruder. Währenddessen hatte mich mein Beta schon per Gedankenverbindung kontaktiert. „Was machst du da? Was soll das zur Hölle?" Ich ignorierte ihn gekonnt und sah wieder zurück zu Mr. Miller. „Ich brauche eine Liste aller neuen Studentinnen, welche sich dieses Jahr für ihr erstes Semester eingeschrieben haben. Wir möchten die Frauen der Zukunft stärken und der besten ein Stipendium ermöglichen." Mein Bruder riss die Augen auf und sah mich nun leicht panisch an. „Ich frage nochmal: Was machst du da gerade." Er sprach jedes Wort mit Nachdruck, was mich wissen ließ, dass er von der Idee ganz und gar nichts hielt. „Ich stärke unsere Beziehung mit der örtlichen Universität. Das wolltest du doch, oder nicht?" Sprach ich ihm jetzt zu und lächelte den Präsidenten Falsch an.
„Oh, ehm. Ja natürlich. Was für eine großzügige Spende. Da muss ich erst einmal mit, also das muss ich erst einmal abklären, ob das gewünscht ist." Miller schien mehr als überrascht von meinem Vorschlag und wuselte in dem Raum herum, während mich mein Bruder erneut zurechtweisen wollte. „Ja, aber das habe ich damit nicht gemeint! Ich meinte >mit den Beziehungen aufrechterhalten<, dass wir uns anhören was er zu sagen hat, du nett nickst und lächelts, wir ein Foto machen und dann gut ist! Und nicht, dass du ein Stipendium vergibst! Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viel Geld, das ist?" Ich rollte nur mit den Augen und warf meinem Bruder einen gelangweilten Blick zu. „Entspann dich. Wenn du Angst um das Rudel-Konto hast, dann kann ich dich beruhigen. Von mir aus zahle ich das auch aus meiner Tasche. Ich will nur eine Liste der Erstsemestler." Mein Bruder sank tiefer im Stuhl und schüttelte fassungslos den Kopf, während der Präsident alles in Bewegung setzte und mit mir die wichtigsten Fragen klärte, zwecks Höhe und Dauer des Stipendiums. Nachdem wir dann also alles besprochen hatten, gab es noch den üblichen Händedruck, ein Foto, sowie eine Liste aller neuen Studenten, samt Kontaktdaten. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wer von diesen Frauen meine Auserwählte ist.
„Erklärst du mir jetzt endlich, was du da gerade für eine Show abgezogen hast und wieso du um Himmels willen diese verdammte Liste haben wolltest?" Mein Bruder packte mich an der Schulter und riss mich herum, bevor ich in das Auto steigen konnte. Ich entfernte seine Hand von mir und klopfte ihm auf die Schulter. „Nicht so ausfallend, Bruder. Seit wann so unkontrolliert?" Ich stieg in das Auto ein und las mir die ersten Namen auf der Liste durch. Eine von den hier aufgeführten Studentinnen ist meine Gefährtin, daran hatte ich keinen Zweifel mehr. Allein der Gedanke daran, sie endlich gefunden zu haben, ließ meinen inneren Wolf Purzelbäume schlagen. „Xavier! Verdammt! Jetzt sag mir was los ist! Sonst werde ich noch verrückt und muss dich für unzurechnungsfähig erklären." Er saß mir wieder gegenüber, lachte nervös auf während sein eines Auge zuckte und hatte seine Hände auf den Knien abgestützt. Ich hob meinen Blick und entgegnete ihm mit dem breitesten Grinsen, was ich jemals gezeigt hatte. „Bruder, mach dir um mich keine Sorgen. Und um das Rudel brauchst du dir zukünftig auch keine Sorgen mehr zu machen." Er schüttelte verwirrt den Kopf und hakte nochmal nach. „Was meinst du damit? Warum brauche ich mir keine Sorgen mehr um das Rudel machen?" „Ich habe sie gefunden. Meine Gefährtin!" Ich deutete auf die Zettel vor mir und studierte die Namen dieser Liste weiter, während mein Beta nur vor sich hin brabbelte und Unsinn redete, von wegen ich sei verrückt oder unzurechnungsfähig.
Olivia
Nachdem ich dann endlich alles beisammen hatte, trat ich meinen einstündigen Nachhauseweg an. Was so viel bedeutete wie, ich suchte mir eine möglichst unkomplizierte Busverbindung heraus und nutzte diese auch. Ich weiß zwar nicht, wieso mir meine Mutter auf einmal so viele Freiheiten gab, aber ich war ihr mehr als dankbar dafür und würde diese auch nicht mehr abgeben wollen. Darüber hinaus hat sie sich auch endlich mal eine Arbeit in der Nähe gesucht. Vielleicht ist das jetzt wirklich ein Neuanfang mit Zukunft. Für uns beide. Ich suchte mir also einen passenden Sitzplatz im Bus, kramte das erste Buch aus meinem Rucksack und verschlang während der Fahrt die ersten Seiten, ehe ich aussteigen musste und die restlichen Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegte. An dem kleinen Haus angekommen, lehnte ich das Fahrrad an die Hauswand und schloss die Haustür auf, bis ich im inneren des Hauses verschwand. Ich legte die Schlüssel auf die Kommode, zog meine Schuhe aus und lief auf direktem Weg in mein Zimmer, um mich in den Stoff einzuarbeiten. Während einer Pause machte ich mir in der Küche ein paar Eier samt Toast und sah anschließend in mein Gewächshaus, welches ich notdürftig in ein Zimmer der unteren Etage verlegt hatte.
Dort fiel mir auf, dass einige meiner Kapazitäten fast aufgebraucht waren. Was mich dazu veranlasste mir heute Abend das Gebiet und seine Vegetation näher anzusehen und im Idealfall ein paar neue Setzlinge mitzunehmen. Meine Mutter wird heute sowieso erst am späten Abend zurückkommen, weswegen ich mich guten Gewissens rausschleichen kann, da sie nicht noch einmal nach mir sehen wird. Gegen zwanzig Uhr entschied ich mich dann meine Tasche zu packen und mir passende Kleidung anzuziehen, da es nachts im Herbst bereits sehr kalt ist. Nachdem ich also alles nochmals überprüft hatte, öffnete ich mein Fenster und kletterte über das Dach auf einen nahe gelegenen Baum, um mich dann Richtung Boden zu bewegen. Auf dem nassen Laub angekommen entschied ich mich in Richtung Süd-Osten aufzumachen, da dort die besten Bedingungen für den Wachstum der Pflanzen herrschen. Auf dem Weg fand ich dann bereits Spitzwegerich, Bärenklau und Weißdorn, welche ich in passende Gläser umpflanze, um sie besser transportieren zu können. Während ich mich weiter nach Osten durchschlug, fing der Wind ordentlich an durch die Baumkronen zu pfeifen, was mich dazu veranlasste die Jacke enger um mich zu schlingen.
Xavier
Wir liefen jetzt schon seit zwei Stunden die Grenzen ab und haben immer noch nichts gefunden. Einer unserer Grenztrupps will Bewegungen im Wald gesehen haben, doch Anzeichen dafür gab es bislang keine. Zudem machte es uns der Wind nicht einfacher, welcher die Gerüche möglicher Angreifer weitertrug und für unsere Nasen verschwinden ließ. „Alpha? Ich glaube wir sollten umkehren. Vielleicht waren es nur die Blätter oder ein verängstigtes Reh." Ich sah mich in der Gruppe um und stimmte meinem Gamma zu. Wir waren bis an die süd-östlichen Grenzen unseres Territoriums gelaufen und haben weder Spuren noch Anzeichen eines feindlichen Angriffes entdeckt. „Geht zurück und ruht euch aus. Eine andere Gruppe wird eure Schicht für heute übernehmen." Sie taten wie ihnen gesagt wurde und kehrten alle zurück. Alle bis auf meinen Gamma, welcher sich neben mich stellte und mich fragend ansah. „Ist alles in Ordnung, Alpha?" Ich rümpfte die Nase und versuchte mich zu sammeln. „Ja. Alles gut. Ich dachte nur, dass ich .." Doch ich konnte nicht weiterreden, da mich erneut dieser Geruch einnahm. Ich spürte, wie mein innerer Wolf die Kontrolle übernahm und sich an die Oberfläche kämpfte. Meine Augen verfärbten sich golden und ich konnte die Verwandlung nicht mehr aufhalten. „Alpha! Was ist denn los?" Doch ich konnte nicht antworten, da ich mich bereits in Richtung meiner Gefährtin bewegte.
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Der Hass meiner Gefährtin
WerewolfIn einer Welt, in der Menschen neben Werwölfen koexistieren, führt Olivia mit ihrer Mutter ein bescheidenes Leben, abseits der Zivilisation. Doch als sie plötzlich umziehen müssen, gerät sie in das Visier eines Alphas, welcher in ihr endlich seine G...