Kapitel 10 - Gezeichnet

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Olivia

Das kann doch nicht sein Ernst sein! War das einzige, an das ich denken konnte. Und natürlich an den brennenden Schmerz in meinem Arm. Ich krempelte also den Ärmel nach oben, während ich meine Haustür aufschloss und begutachtete den Biss. Entgegen meinen Erwartungen blutete es zwar nicht, dennoch schwoll mein Unterarm bereits jetzt schon an und um den Biss verfärbte sich die Haut schon leicht rot, lila und blau. Ich fluchte mehrfach vor mich hin, während ich mich in Richtung Gewächshaus aufmachte. Dort durchwühlte ich die Schränke und versuchte die Wunde notdürftig zu verarzten, doch egal was ich tat, es war als würde sich der Biss gegen alles wehren. Weder Wallwurz noch Kamille halfen mir. Auch Johanneskraut und Storchenschnabel konnten die Schmerzen nicht lindern. Selbst Berührungen fühlten sich schmerzhaft an. Als würde man sich jedes Mal erneut verbrennen. Ich verfluche diesen verdammten Wolf jetzt schon, denn so langsam fängt das Gift an zu wirken. Der Biss war zwar nicht sonderlich tief, dennoch intensiv genug, um in meine Blutbahnen zu kommen. Ich umwickelte die Wunde also schnell mit einem Verband, ehe ich die Treppen nach oben lief und mich im Bad einschloss. Dort überkam mich eine Wärme, welche kaum auszuhalten war. Mein Körper wurde von mehreren Hitzewallungen eingenommen, weswegen ich mich komplett auszog und unter die kalte Dusche stellte. Doch auch das verbesserte meine Situation nicht sonderlich. Also stieg ich wieder aus der Dusche, trocknete mich ab und legte mich in mein Bett.

Doch meine Hoffnung, dass dieses Gefühl bald aufhören würde, verblasste zunehmend. Ich konnte mich kaum noch auf etwas anderes konzentrieren, da sich meine Gedanken die ganze Zeit nur um eine Person drehten. Ich schlug mir gegen den Kopf, versuchte an etwas anderes zu denken, lief in meinem Zimmer umher, blickte nach draußen, machte das Fenster auf oder starrte einfach nur an die Decke. Doch egal was ich tat, ER ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte sich dort eingenistet, wie ein lästiger Parasit. Während ich also damit beschäftigt war, an alles andere zu denken, nur nicht an ihn, fielen mir langsam die Augen zu. Aber selbst in meinen Träumen ließ er mich nicht los. Ich sah den Wolf, wo auch immer ich hinging. Ich sah seine gelben Augen, sein dunkles Fell und spürte seine Anwesenheit. Er war immer und überall da. Anwesend aber irgendwie unerreichbar für mich, was mich innerlich zerriss. Ich träumte von seiner menschlichen Gestalt, wie er auf mich zuging, mir in die Augen sah, meine Wange streichelte und dann an mir vorbei ging. Ich musste dabei zusehen, wie er zu einer anderen ging, ihr Gesicht in die Hände nahm und sie küsste. „Neeeeein!" Ich schreckte aus meinem Bett hoch und sah mich panisch in meinem Zimmer um. Draußen ging die Sonne gerade auf. Meine Haare klebten mir an der Stirn und meine Laken waren durchgeschwitzt. Ich griff zu der Wasserflasche an meinem Bett und leerte sie mit einem Zug.

Anschließend stieg ich aus meinem Bett und beschloss mich im Bad abzuduschen, um die letzte Nacht zu vergessen. Was einfacher gewesen wäre, wenn mein linker Unterarm nicht blutunterlaufen wäre und sich taub anfühlen würde. Ich hatte das Gefühl, ihn kaum noch bewegen zu können. Ein weiteres Mal, an dem ich diesen verdammten Werwolf und seine Art verfluchte. Nachdem ich mich also damit abgemüht hatte, mich halbwegs öffentlichkeitstauglich herzurichten, lief ich die Treppen nach unten, schnappte mir meine Tasche und setzte mich auf mein Fahrrad.

In der Universität angekommen, verbesserte sich meine Lage auch nicht sonderlich. Denn da lag dieser Geruch in der Luft. Ich wusste nicht warum ich auf einmal so gut riechen konnte, aber irgendwas sagte mir, dass das mit diesem Biss zu tun hatte und dass dies nichts Gutes bedeutete. Ich setzte mich also in meinen Hörsaal, packte meine Notizen aus und obwohl ich das heutige Thema liebte, konnte ich mich keine einzige Sekunde auf den Stoff konzentrieren. Die ganze Zeit spürte ich diese Augen auf mir und wie sie mich praktisch durchbohrten oder auszogen. Eins von beidem. Da ich mir jedoch bereits vorstellen konnte wer dahintersteckte, wollte ich ihm nicht noch die Genugtuung geben und mich umdrehen. Also beließ ich es dabei und versuchte den Tag so gut wie es mir nun mal, in meinem jetzigen Zustand, möglich war, hinter mich zu bringen. Doch das war einfacher gesagt als getan, denn er schien es nicht nur bei den Blicken zu belassen.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt