Kapitel 48 - Komm mir nicht zu nah

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Olivia

Ich lief die Treppen wieder nach oben und steuerte die Tür gegenüber der Treppe an. Sein Schlafzimmer, so wie ich mitbekommen hatte. Doch bevor ich über die Türschwelle treten konnte, wanderten meine Augen nach rechts. Eine weitere Tür, welche einen Spalt weit offenstand. Ich kämpfte innerlich mit mir selbst, ob ich es wagen sollte herumzuschnüffeln oder es lieber lassen sollte. Doch die Antwort war schneller gefasst als gedacht. „Was habe ich schon zu verlieren?" Ich zuckte mit den Schultern, ehe ich die Tür aufschob und einen kleinen Schritt in den Raum trat. Vor mir erstreckte sich ein großes Arbeitszimmer in italienischem Design. Vor dem Fenster, welches sich an der Wand gegenüber der Tür befand, stand ein überdimensional großer Tisch aus dunklem Holz. Davor standen zwei Lederstühle und hinter dem Tisch thronte ein weiterer Bürostuhl in elegantem Design. Links von mir war eine braune Couch gestellt, welche ebenfalls aus Leder war und Platz für drei Personen hatte. Rechts von mir befand sich ein Regal aus Eiche. Dieses erstreckte sich über die ganze Wand und war von oben bis unten mit Büchern gefüllt. Ich konnte meinen Augen nicht trauen und wollte gerade auf dieses zusteuern als ich an der Schulter gepackt und umgedreht wurde. „Was machst du hier?" Fragte Xavier mit erhobener Stimme und sah mich leicht wütend an. „Ich .. die Tür stand offen und da habe ich .." Doch ich konnte nicht weitersprechen, da er mich erneut unterbrach. „Dieses Zimmer ist tabu für dich."

Mit diesen Worten schob er mich zurück auf den Flur und führte mich in das Schlafzimmer. „Warum? Das ist doch bloß ein Büro." Gab ich von mir und wartete eine sinnvolle Begründung ab. „Weil ich es sage. Hör auf mich ständig in Frage zu stellen." Und schon war er im Badezimmer verschwunden. Während ich irritiert und leicht bockig, mit verschränkten Armen, in der Mitte des Schlafzimmers stand. „Außerdem hatte ich dir gesagt du sollst nach oben gehen und dich umziehen. Anstatt herumzuschnüffeln." Dröhnte seine Stimme aus dem Badezimmer was mich frustriert schnaufen ließ. „Das hast du gar nicht gesagt!" Erwiderte ich trotzig. „Ich sage es dir aber jetzt!" Kommentierte er mit Nachdruck. Ich grummelte vor mich hin. „Und was soll ich Bitteschön anziehen!? Ich habe hier nichts an Kleidung." Ich war bockig, mehr als das. „Du weißt, wo der Kleiderschrank ist." Sagte er nur, was mich nur noch wütender machte. „Ich will aber keine Sachen von dir anziehen! Ich will meine eigenen Sachen anziehen." Gab ich aufsässig von mir und stampfte mit dem Fuß auf. Zeitgleich ging die Badezimmertür wieder auf, sodass Xavier mir mit entblößtem Oberkörper und einem Handtusch um den Nacken gegenüber stand. „Hast du gerade mit dem Fuß aufgestampft?" Seine Stimme klang sowohl belustigt als auch leicht bedrohlich. Doch ich knurrte nur. „Was geht dich das an." Er kam auf mich zu, sodass wir nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren. „Eine Menge, denn wenn du es getan hast, werde ich dich dafür bestrafen müssen. Solch ein Verhalten dulde ich hier nämlich nicht."

Ich schluckte schwer, ehe ich mein Kinn anhob und ihm in die Augen starrte. Doch anstatt dem üblichem grau entgegenzublicken, sah ich einen tobenden Sturm aus Gold und grau. Die Farben wirbelten umher und schienen ein Tornado zu bilden, nicht wissend, welche Farbe die Oberhand gewinnen wird. Wahrscheinlich kämpft er gerade mit seinen Wolf oder so ähnlich. Doch plötzlich spürte auch ich eine Veränderung meiner Augen, was mir verdeutlichte, dass auch Ophelia an der Oberfläche kratzte. Obwohl mir sein Ton als auch die Wörter dahinter eine gewisse Angst einjagten, spürte ich ein gewisses Selbstvertrauen tief in mir, was mich zu stärken schien. Und ich wäre nicht Olivia James Walker, wenn ich mich von seinem Alpha-Gehabe einschüchtern lassen würde. „Ach ja? Was meinst du damit? Duldest du solch ein Verhalten hier in deinem Haus nicht oder auf deinem Territorium, wie du es immer so gerne nennst?" Ich reckte mein Kinn noch weiter in die Höhe und entgegnete seinem eisernen Blick mit meinem sturen. „Ich warne dich. Treib es nicht zu weit. Solange du hier bist, auf meinem Gebiet und in meinem Haus, tust du was ich sage. Sonst .." Doch ich unterbrach ihn und verkürzte den Abstand zwischen uns, sodass sich jetzt unsere Nasenspitzen berührten. „Sonst was? Bestrafst du mich? Du hast mich bereits gegen meinen Willen hierher verschleppt. Zwingst mich zu bleiben. Hast mich sogar an das Bett gekettet. Was willst du also noch tun? Was könntest du überhaupt noch tun?" Mein Herz pochte wild in meiner Brust, während meine Haut sich anfühlte als stünde sie in Flammen. Ich spürte eine Energie in mir aufsteigen, welche mich drängte weiterzumachen.

Nicht aufzuhören. Ihm die Stirn zu bieten. Und verdammt. Das tat ich. Denn plötzlich ist er ganz still geworden. Er stand mir nur noch gegenüber. Sagte kein Wort mehr. Ich wollte mich gerade schon als Sieger dieses Duells betiteln als er seine Hände um mein Gesicht legte und mich näher an sich zog. Noch näher als wir es bereits waren. So nah, dass die Lücke zwischen uns geschlossen wurde. So nah, dass sich unsere Lippen berührten. Ich war viel zu überrascht und überfordert, als dass ich hätte reagieren können, doch da war es bereits zu spät. Seine Lippen bewegten sich auf meinen und mein Körper schien plötzlich Meilen weit entfernt zu sein. Ohne es selbst beeinflussen zu können, bewegten sich meine Lippen im Rhythmus zu seinen. Ich schloss, wie von selbst die Augen und ließ mich einfach treiben. Ich gab mich diesem wohligen Gefühl völlig hin und ich will verdammt sein aber es war wie ein Feuerwerk an Empfindungen. Eine Explosion. Ein Tsunami. Ein Erdbeben an Glücksgefühlen. Eine Welle voller Ekstase, welche mich erfasst hatte und mit all ihrer Kraft überrollte. Ich fühlte mich wie im Rausch. Als wäre ich süchtig und könnte nie genug bekommen. All das Serotonin und Dopamin, welches ausgeschüttet wurde, während seine Lippen auf meinen lagen und immer wieder wohltuende Elektroschocks entsandten, reichten einfach nicht aus, um mich glücklich zu stimmen. Ich will verdammt sein, so zu denken, aber ich bekam nicht genug. Ich war Welten davon entfernt, genug zu bekommen also drängte ich mich ihm entgegen.

Doch nur kurz darauf meinen Mund für ihn zu öffnen, um ihm Einlass zu gewähren. Keine Sekunde später drang er mit seiner Zunge tief in meinen Mund ein und schien alles erkunden zu wollen. Unsere Zungen kämpften um die Vorherrschaft und keiner von uns würde jemals nachgeben. Doch trotz alledem, bekam mein Körper immer noch nicht genug. Also zog ich Xavier näher an mich heran und schlang meine Arme besitzergreifend um seinen Nacken. Ich drückte meinen Körper noch fester gegen den seinen und verlangte nach mehr. Ich brauchte mehr als das. Und als würde er das Gleiche fühlen, als würde er meine Gedanken lesen können, hob er mich hoch und ging herüber zum Bett. Dort legte er mich sanft ab und kletterte keinen Moment später über mich. Zeitgleich fing er an meinen Nacken zu küssen und fand genau die Stelle, an welcher er mich damals markiert hatte. Ich stöhnte vor Verlangen und Euphorie auf, was ihm ein dunkles und tiefes Knurren entlockte. „Mach so weiter kleine Wölfin und ich verschlinge dich auf der Stelle." Seine Stimme klang verzerrt, tiefer, kehliger. Und ohne mir wirklich sicher zu sein, wurde ich das Gefühl nicht los, dass das nicht mehr Xavier war. Zumindestens nicht zu hundert Prozent sondern vielmehr sein Wolf. Dieser Moment war anscheinend jedoch genau ihr Stichwort, denn Ophelia drängte sich an die Oberfläche und schickte mich zurück in mein Unterbewusstsein. Ich konnte das Geschehen also nur noch als Außenstehende beobachten und war mir nicht sicher, worauf das hinauslaufen sollte. Zwei liebeshungrige Wölfe, gefangen in menschlichen Körpern, welche sich eigentlich nicht ausstehen konnten. Solch eine Geschichte denkt sich auch nur das Leben für einen aus.

Xavier

Ich hatte die Kontrolle verloren. Wieder einmal war ich nicht in der Lage die Oberhand zu behalten. Diese Frau machte mich einfach zu verrückt, als dass mein Wolf ruhig unter meiner Oberfläche verweilen konnte. Er spannte sich merklich an und als sie uns dann auch noch die Stirn bot, uns zeigte, dass sie genau die Richtige für uns war. Die geborene Luna, welche sich von nichts und niemanden etwas sagen ließ, war es bereits passiert. Ich konnte die Hitze in den letzten Tagen zwar sehr gut zurückhalten und drückte den Zwang herunter, mich paaren zu wollen, aber das, gerade. War einfach zu viel für meinen Wolf. Dieses aufmüpfige Verhalten, die Anspielung auf eine Bestrafung und die Tatsache, dass ich mich der Hitze schon zu lange nicht mehr hingegeben hatte. Er kam einfacher an die Oberfläche als sonst und übernahm innerhalb weniger Sekunden die Kontrolle. Nicht, dass ich mich beschweren wollte. Mein Wolf und ich waren selten anderer Meinung, doch Olivia war etwas anderes. Sie war Neuland. Unbekanntes Terrain. Und im Gegensatz zu Xenon, welcher sich nur mit seiner Gefährtin paaren und sie markieren wollte, dachte ich über die Konsequenzen nach, welche damit einhergingen. Ich hatte sie bereits als Mensch markiert und das war nur ein kleiner Teil von dem, was passieren wird, wenn mein Wolf sie markiert. Noch dazu wissen wir, was kurz darauf passiert ist. Sie hat mich verraten, Jäger auf das Rudel gehetzt und ist abgehauen.

Ich will mir gar nicht erst vorstellen, was passiert, wenn sie mit dem restlichen Teil der Gefährtenbindung konfrontiert wird und das, ohne darauf vorbereitet zu sein. Denn, wenn mein Wolf sie als unsere Gefährtin und Luna akzeptiert, als ihm ebenbürtig, gibt es kein zurück mehr. Unsere Seelen werden sich auf Ewig miteinander verbinden. Sie wird all das spüren, was ich spüre. Jeden Schmerz, jede Träne, jede Facette meines Seins. Sie wird fühlen, was ich fühle. Spüren, was ich spüre. Wenn ich leide, leidet auch sie. Sie wird alles über mich erfahren. Jedes noch so kleinste Detail meiner Kindheit. Sie wird den Schmerz erfahren, welchen ich ertragen musste. Wird sehen, was ich gesehen habe. Wie ich meinen Vater getötet habe. Wie ich zum Alpha dieses Rudels wurde. Das würde sie nicht verkraften,m. Sie ist nicht bereit, sich dem hinzugeben und ich weiß nicht ob sie es jemals sein wird. „Stopp!" Ich riss mich von ihr los und drängte meinen Wolf zurück, ehe ich mich an die gegenüberliegende Wand stellte, um Luft zu holen. Sie lag währenddessen halb entblößt auf meinem Bett und richtete sich überrumpelt auf, ehe sie die Bettdecke über sich zog und mich sowohl überwältigt als auch ängstlich und schockiert ansah. „Was ist hier gerade passiert?" Fragte sie mit zitternder Stimme. Ihre Haaren waren völlig zerzaust. „Wir haben die Kontrolle verloren." Antwortete ich knapp und versuchte immer noch meinen Wolf zu beruhigen, welcher von der Unterbrechung alles andere als angetan war. Sie nickte nur.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt