Kapitel 37 - Wesensveränderungen

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Xavier

Vor 2 Monaten ist sie abgehauen. Hat mich zurückgelassen. Wollte mich und das Rudel tot sehen. Sie hat sogar versucht mich umzubringen. Ich spüre immer noch die Einstichstellen, welche mittlerweile als Narben verheilt sind. Doch trotz alledem, kann und will ich sie nicht aufgeben. Den letzten Monat hatte ich mir einen Plan zurechtgelegt, wie ich sie zurückholen kann. Auch wenn ich dadurch das Rudel und meine Tätigkeit als Alpha vernachlässigen musste. Mein Wolf und ich konnten an nichts anderes mehr denken. Die Gefährtenbindung hatte uns voll im Griff und wir waren ihr ergeben, wie zwei Diener dem König. Dazu kam, dass mir der Ältesten-Rat im Nacken saß. Das Rudel braucht eine Luna. Der Alpha braucht eine Gefährtin. Ich habe eine Gefährtin! Nur sie weigert sich, mich als ihren anzuerkennen. Doch das war noch nicht alles. In weniger als drei Wochen werde ich dreißig. Ab diesem Zeitpunkt werden meine Kräfte schwinden, wenn wir die Gefährtenbindung nicht vollenden. Ich werde schwächer werden, angreifbarer. Ich knurrte wütend und ballte die Hände zu Fäusten. Das darf unter keinen Umständen passieren! Ich springe von meinem Stuhl auf und laufe in meinem Büro umher. Es waren mehrere Fährtenleser unterwegs, welche ihre Spur aufnehmen sollten. Ich hatte sie in alle Himmelsrichtungen geschickt, doch es gab keine Anhaltspunkte. Je mehr Zeit verstreichen konnte, desto schwieriger wurde es. Ich schlug auf die Wand ein, welcher unter meiner Faust anfing zu bröckeln.

„Das kann doch nicht wahr sein!" Rufe ich frustriert aus, während ich versuchte meinen Wolf zu beruhigen. Sie kann nicht weit sein. Maximal eine Stunde entfernt. Ansonsten würde sie die Entfernung umbringen. Ein Wunder, dass sie nicht bereits angekrochen kam. Aber das zeigt nur, wie stark sie ist. Dass sie die Richtige ist. Dass sie einer Luna würdig ist. Obwohl sie ein Mensch ist. Ich reibe mir frustriert die Schläfen. „Denk nach. Denk nach!" Spreche ich mir zu, während ich auf eine Landkarte blicke. Was würdest du tun, wenn du nicht gefunden werden willst? Ich legte meine Stirn in Falten und betrachtete den Radius von 60 Kilometern, welchen wir gezogen hatten, um das Suchgebiet einzugrenzen. Weiter als eine Stunde von mir entfernt zu sein, würde sie umbringen. Zumal die Markierung immer noch nicht abgeschlossen ist. Ich hatte sie zwar zu meinem gemacht, aber auch sie musste mich zu ihrem machen. Ich raufte mir frustriert die Haare, während ich auf die zentralen Punkte der Karte blicke. Wo findet man Unterschlupf? Wie wird man nicht gefunden? Wie verdeckt man den .. Mir kommt ein Gedankenblitz. .. Geruch. „In einer Stadt! Natürlich." Ich beäuge die Karte skeptisch und kreise die nächstgrößeren Städte innerhalb des Suchradius ein. Damit kommen nur 4 in Frage. Athlone, Tullamore, Mullingar und Cavan. Wobei ich letztere ausschließe, da diese bereits auf dem Radius liegt und die kleinste Stadt ist. Ich betrachte also die Städte und versuche die Gedankengänge meiner Geährtin nachzuvollziehen.

Sie wollte weg von mir. War in Hektik und Panik. Sie wird nicht darüber nachgedacht haben, in welche Richtung sie läuft. Ich bezweifle generell, dass sie ein konkretes Ziel hatte. Was würde sie also tun? „In welche Richtung würde sie laufen, wenn sie möglichst weit weg von hier möchte?" Ich kniff die Augenbrauen zusammen, ehe ich von meinem Beta unterbrochen wurde. „In die entgegengesetzte Richtung laufen." Ich hob meinen Blick und musterte ihn kritisch. „So würde ich zu mindestens entscheiden." Er zuckte mit den Schultern, ehe er auf meinen Schreibtisch zulief und das Durcheinander musterte. Ich war immer noch wie in Trance und realisierte nicht, dass er bereits das nächste Thema ansprach. „Dass du dich in diesem Chaos zurechtfindest. Das ist mir wirklich ein Rätsel." Er kratzt sich verlegen am Kopf, ehe er meinen Blick sucht. „Was machst du hier?" Bringe ich nun endlich zwischen den wirren Gedanken in meinem Kopf hervor. „Ich wollte nach dir sehen." Ich zog meine Augen zu Schlitzen und sah ihn argwöhnisch an. „Hast du ja jetzt. Also, was machst du noch hier?" Ich kannte ihn zu gut, als, dass er einfach nur so vorbeikommen und nach mir sehen würde. „Was willst du? Spuck es schon aus." Ich versuchte die umherliegenden Blätter und Pläne auf meinem Tisch zu sortieren, während Xander sein Gesicht verzog und sich niederließ. „Xavier, es .. findest du nicht, dass .. ich meine .. sieh dich doch mal an." Er war sprachlos, ihm fehlten die Worte, was mehr als selten vorkam. So hatte ich ihn seit dem Tod unseres Erzeugers nicht mehr gesehen.

„Denkst du nicht auch, dass es sinnvoller wäre, wenn .." Doch ich unterbrach ihn mit einem Knurren. „Nein! Tu das nicht! Sag mir nicht, was ich zu tun oder zu lassen habe." Ich rümpfe die Nase, ehe ich wild auf den Plänen herum kritzle und mein Vorgehen weiter ausbaue. „Xavier, bitte. Sieh dich doch an. Du bist nicht mehr der Alte." Wieder knurre ich, doch versuche seine Worte zu ignorieren. Ich habe jetzt wichtigeres zu tun, als mir die Bedenken meines Bruders anzuhören. „Der Rat und ich .. wir haben .." Doch ich unterbrach ihn barsch. „Bitte was?" Meine Augen glühen gelb und ich spüre, wie Xenon versucht an die Oberfläche zu kommen. „Du hast hinter meinem Rücken den Rat kontaktiert?" Ich brülle ihn an und stehe von meinem Stuhl auf, ehe ich mich an meinem massiven Schreibtisch abstütze. „Xavier, i-ich meine es doch nur gut." Er zittert leicht, was mein Herz nur noch mehr zum Rasen bringt. „Das ist Verrat! Ohne meines Wissens den Rat zu kontaktieren. Mich anzuschwärzen. Deinen eignen Alpha!" Ich bin außer mir vor Wut. „Wir wollen dir doch nur helfen." Fleht er fast und ist jetzt auch aufgestanden. Seine Körperhaltung hat die der Verteidigung eingenommen, während mein Körper auf Angriff aus ist. „Und wie sieht diese Hilfe aus?" Knurre ich bedrohlich, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Er schluckt sichtlich beängstigt. „Wir denken es wäre das Beste, wenn du sie aufg .." Doch bevor er weitersprechen kann, fliegt meine verwandelte Hand durch die Luft und verfielt ihn nur Haarscharf. Er reißt die Augen auf und auch ich kann nicht glauben, was da gerade passiert ist.

Xenon verzieht sich sofort in die hinterste Ecke meines Bewusstseins und lässt mich allein zurück. Verdammter Feigling, beschimpfe ich ihn im Kopf. Immer wenn es brenzlich wird, ziehst du den Schwanz ein. Ich richte meinen Blick auf meinen Bruder, welcher wie erstarrt an Ort und Stelle steht. „Ich verreise." Presse ich reumütig hervor, ehe ich alle Dokumente von dem Schreibtisch aufsammle, sie in einer Mappe verstaue und an Xander vorbeilaufe, welcher immer noch irritiert im Raum steht. „Während ich weg bin, hast du die Kontrolle über das Rudel." Rufe ich ihm nur noch im Gehen zu, ehe ich aus den Eichentüren des Rudelhauses trete und in meinen Audi steige. Ich fahre auf direktem Weg zu meinem Haus, um dort die wichtigsten Dinge einzupacken. Da ich mehr damit beschäftigt bin, mir einen Plan zu machen, wie ich sie wohl davon überzeugen könnte, mit mir zu kommen, landen wahllos verschiedene Kleidungsstücke, wie Hemden, Hosen, Shirts und Pullover in einer kleinen Reisetasche. Nachdem ich also meinen halben Kleiderschrank geleert hatte, laufe ich noch schnell in das anliegende Bad, um eine Waschtasche zu packen. Nachdem ich alles verstaut hatte, lief ich die Treppen nach unten, verstaute ein wenig Essen und Trinken in einem Rucksack und schloss die Haustür hinter mir. Eine Stunde später saß ich also wieder im Auto und fuhr auf den nächsten Road in Richtung Mullingar. Immerhin ist das die Stadt, welche am weitesten entfernt von unserem Rudel liegt.

Olivia

Ich öffne meine Augen, nicht verstehend, was letzte Nacht passiert war. Ich sehe zuerst alles verschwommen und nehme lediglich eine Vielzahl an Bäumen in meiner Umgebung wahr, ehe ich mir die Augen reibe und mich aus meiner anscheinend liegenden Position leicht aufrichte. Ich blicke mich erneut um und muss feststellen, dass ich auf dem Waldboden liege. Die Sonne ist bereits aufgegangen, trotz dessen scheint es noch recht früh am Morgen zu sein. Ich versuche aufzustehen, bis ich an mir herunterschaue und völlig schockiert feststelle, das ich nackt bin. Und wenn ich sage >nackt<, dann meine ich Splitterfaser nackt. Also nicht mal in Unterwäsche. Mit nichts bekleidet, so wie ich geschaffen wurde. Ich blicke mich panisch um, in der Hoffnung, dass ich allein bin. >Keine Sorge. Es ist alles gut. Wir sind allein.< Ich blicke mich irritiert um, nicht wissend von wo die Stimme kommt. >In deinem Kopf du Dummerchen.< Ich fasste mir an meinen Schädel und rieb diesen, in der Hoffnung das sei alles nur ein Traum. „Was ist passiert? Also ich meine letzte Nacht? Mit mir? Warum erinnere ich mich an nichts? Warum liege ich hier? Im Wald und das nackt?" Mir schwirrten tausend Fragen durch den Kopf, auf welche ich keine Antwort hatte. >Mach mal halblang. Willst du nicht erstmal wissen, wer ich bin?< Ich knurre frustriert und versuche aufzustehen. „Wer bist du?" Presse ich durch zusammengebissene Zähne hervor. Ich kann förmlich spüren, wie das Selbstbewusstsein der Stimme in meinem Kopf zunimmt. „Mein Name ist Ophelia und ich bin deine innere Wölfin."

Ich weite die Augen vor Schock, ehe ich mich an einem Baum festhalte und mich übergebe. Nachdem sich mein Magen so schnell wie noch nie geleert hatte, blickte ich auf die rote Flüssigkeit zu meinen Füßen. „Warum ist das rot?" Frage ich außer mir und halte mir den Bauch. >Wir haben uns gestern das erste Mal verwandelt und haben gejagt.< Ich blinzle mit den Augen und spüre schon die nächste Fuhre meine Speiseröhre hochkriechen. >Ich nehme an, das war der Hase oder ein Reh?< Und wieder übergab ich mich. „Gott. Das ist mehr als ekelig." Ich versuche mich zusammenzureißen und den Gedanken an das, was ich gerade herausgewürgt habe, zu vergessen. Ich blicke mich in meiner Umgebung um, ehe ich frage „Wo geht es nachhause?" Ophelia schürzt die Lippen. >Welches meinst du? Das bei unserem Gefährten oder< Ich rolle mit den Augen. „Genau das andere und er ist nicht mein Gefährte!" Ich fange also an, in eine Richtung loszulaufen. >Andere Richtung.< Lacht Ophelia mich aus, doch ich antworte nur mit einem weiteren Knurren. Während ich also durch den Wald laufe, bedacht darauf mich und meinen Körper hinter Bäumen oder Büschen zu verstecken, sehe ich wenige Meter vor mir Kleidungsfetzen auf dem Boden liegen. „Ist das ..?" Frage ich enttäuscht. >Jup. Das waren mal deine Sachen. Aber keine Sorge. Die Jacke samt Schuhe haben wir vorher ausgezogen.< Sie deutet auf einen hohlen Baumstamm, aus welchem ich meine Winterjacke und Stiefel heraushole und sie mir überstreife. „Hör auf, von uns zu reden. Es gibt kein uns oder ein wir."

Ich laufe also weiter durch den Wald und versuche mir über all das klar zu werden. Was ist passiert? Warum ist diese Stimme in meinem Kopf? Was meint sie mit innere Wölfin? >Anstatt dir selbst den Kopf darüber zu zerbrechen, könntest du auch einfach mich fragen.< Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich will aber nicht mit dir reden!" Gebe ich bissig von mir. >Das ist keine Option. Immer hin bin ich deine innere Wölfin. Ein Teil von dir. Wir sind eins. Du und ich, wir gehören einfach ..< Doch ich ließ sie nicht aussprechen. „Halt die Klappe!" Brülle ich sie an, ehe ich merke, dass wir bereits außerhalb des Waldes sind und ein älterer Mann auf der anderen Straßenseite läuft. Ich entschuldige mich schnell, ehe ich mich spute und auf meine Wohnung zulaufe. >Ich werde nicht die Klappe halten. Das musste ich schon viel zu lange. Ich bin deine Wölfin! Und je eher du das akzeptierts, desto besser.< Jetzt wurde auch sie schnippisch, was mich erneut die Augen verdrehen ließ. „Du bist kein Teil von mir. Lediglich ein Hirngespinst. Meine zweite Persönlichkeit, was weiß ich." Ich lief die Treppen nach oben und schließe meine Wohnung auf. >Gut, wenn du mir nicht glaubst, dann geh ins Bad und ich überzeuge dich vom Gegenteil.< Ich rümpfte die Nase, nicht wissend was sie vorhat aber irgendetwas in mir bewegt mich letztendlich doch dazu in das Bad zu laufen. >Schau in den Spiegel und sag mir nochmal ich sei nicht echt. Oder nicht deine Wölfin.< Ich schüttle meinen Kopf, ehe ich nachgebe und meinen Kopf Richtung Spiegel richte.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt