I need a Fix

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Die Zeit vergeht schneller als erwartet und sobald die erste Band um elf Uhr auf der Bühne steht, geht sowieso alles schneller.

Während ich mich schon auf meinen Gig vorbereite, indem ich meine Stimme ein wenig aufwärme und mich einspiele, gehen auch die sechs Finnen zu deren Bus und machen sich langsam fertig. Dadurch, dass wir heute beinahe gleichzeitig mit unseren Auftritten fertig sind und vom Festival können, haben mich die Jungs zum Abendessen eingeladen, da sie anscheinend planten heute Abend in ein Restaurant zu gehen.

Ungefähr eine viertel Stunde vor meinen Auftritt gehe ich zur Bühne, und gerade als ich ankomme, kommt die Band vor mir die Treppe herunter. Punktlandung würde ich behaupten.
Freundlich begrüße ich die Leute, die zu der Festival Crew gehören und gebe ihnen noch kurz Anweisungen, wo ich mein Mischpult stehen haben möchte. Da ich ohne Band unterwegs bin, habe ich ein größeres Mischpult, auf dem ich die einzelnen Töne vom Bass und den Drums einstellen kann und weitere Geräusche und Takte zu den Songs hinzufügen kann.

Es ist eine der Sachen, die ich mit Aleksi gemeinsam habe. Als er erfahren hat, dass ich vieles selber mische und sogar während des Auftrittes aufnehme, hat er mich gefragt, ob es für mich in Ordnung wäre, wenn er heute schon im Vorhinein zu mir kommen könnte, was ich natürlich bejahte. Aleksi schien mir schon von den Videos der Band sehr sympathisch und jetzt, wo ich ihn persönlich kenne, hat er meine positiven Erwartungen sogar übertroffen.

„Na schon aufgeregt?", es ist die Stimme des schwarzhaarigen Finnen, die mich aus meinen Gedanken reißt. Wie eigentlich immer liegt ein Lächeln auf seinen Lippen, was einfach nur ansteckend ist. „Aufgeregt? Ich? Wie kommst du bitte da drauf?", antworte ich sarkastisch. „Na dann hast du ja noch knapp elf Minuten um aufgeregt zu werden.", lacht er. „Meinst du ich kann während dem Gig hierbleiben? Ich würde gerne den ganzen Auftritt sehen.", seine Frage sehe ich zwar als etwas überflüssig, dennoch freut es mich, dass er bedenkt, dass ich es nicht wollen würde. „Klar, gerne."

Sein Lächeln vergrößert sich noch einmal, selbst wenn ich zweifle, dass das geht. „Noch drei Minuten dann startet die Musik.", sagt einer der Crew zu mir, wodurch mein Puls sich gefühlt dreifach beschleunigt. „Na toll.", ich nuschel nur noch zu mir selbst und stelle mich abwechselnd von einem aufs andere Bein. Stillstehen geht nicht mehr und auch meine Hände still zu halten erweist sich als schwierig. „Überhaupt nicht aufgeregt.", die belustigte Stimme von Aleksi lässt mich aufschauen. „Es ist immer dasselbe. Ich bin vorher extrem aufgeregt und sobald ich auf der Bühne bin ist alles gut. Das ist schon immer so.", erkläre ich und versuche tief durchzuatmen, was allerdings nur halbwegs funktioniert.

Aleksi bemerkt, dass es mir nicht so wirklich gut geht, kommt zu mir und nimmt mich einfach nur kurz in den Arm. „Beruhige dich einfach. Es gibt keinen Grund zur Aufregung.", flüstert er in der Umarmung, was meinen Herzschlag ein wenig beruhigt. Wir lösen uns wieder aus der Umarmung wobei Aleksis blaue Augen auf meine treffen. „Soll ich dich für die letzten Minuten lieber alleine lassen?", so gemein ich mich mit dem Gedanken fühle, ist das, was er ausspricht genau in diesem Moment in meinem Kopf. „Wenn es dir nichts ausmacht?", ich wirke unsicher, doch er lächelt weiterhin. „Ach was nein. Kein Problem.", sagt er und verschwindet dann aus dem Bereich neben der Treppe.

Ich drehe mich wieder zur Treppe und starre an diese. Mit meiner rechten Hand halte ich das Mikro und mit der linken reibe ich mir über die Handaußenfläche. Nicht ohne Grund. Auf meiner rechten Hand zeichnet sich ein Tattoo in Form eines Puzzelteils. In diesem zeichnet sich ein Mond und darunter steht der Name meiner Band "Shadow Hearts". Auch wenn sie nicht hier sind und es auch vermutlich nicht mehr sein werden, gibt mir dieses Tattoo halt und das Gefühl, dass sie doch irgendwo bei mir sind, wenn ich nur auf diese Erinnerung schaue.

Ich bin von ihnen weggezogen, meine Entscheidung war es aus Deutschland heraus zu kommen und ich habe diesen Entschluss alleine getroffen. Trotzdem spüre ich sie immer noch bei mir und wenn ich auf der Bühne es schaffe Magie zu erschaffen, habe ich das Gefühl, dass ich wie früher mit den drei Jungs auf der Bühne stehe, selbst wenn nur ich es bin, die dort oben steht.

Died enough for You [Joel Hokka FF] (German)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt