Zusammenhänge

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Als Dairos am frühen Morgen in die Ordensburg zurückkehrte, herrschte dort helle Aufregung. Wie er alsbald erfuhr, war der Ordensabt am späten Abend des Vortags aus Fels Karabatos zurückgekehrt.

Ihn hatten Favulkos und ein knappes Dutzend Gardisten begleitet. Weit weniger, als aufgebrochen waren. Alle anderen, sowie der Ordensritter Uretos fielen auf der Kaiserstraße, auf dem Weg zum Hexenstein Yenraven und ihrem Feuerelementar zum Opfer.

»Der ehrenwerte Tanat zum Weidentor ruht noch. Er muss sich von den Strapazen erholen«, beschied ihm ein Ordensritter. »Sobald er erwacht ist, werden wir ihm von eurer Ankunft und der des Wissenswahrers berichten.«

Ein Gardist führte Dairos in eine kleine Kammer, in der er sich ausruhen konnte. Als er sich auf das Bett setzte, spürte er die Papierrolle in seinem Gürtel, die er von Ignatus auf dem Feld vor Granitfurt erhalten hatte, nachdem Cyriana auf dem Moab geflohen war.

Ignatus hatte sehr geheimnisvoll getan. Nun war ein guter Zeitpunkt zu prüfen, welche Wahrheiten es noch so zu entdecken galt. Entschlossen rollte er das Papier auf. Er hatte es geahnt. Es war ein weiterer Bericht Krotans.

Krotan, Ordensritter , 2680 n.d.F. Ich begleite meinen Vater, Gorald von den tiefen Auen und dreier Kohorten in den Norden des Reichs. Er schlägt sein Lager in Ulmenstein auf und klagt bereits am nächsten Tag mehrere Bewohner der Hexerei an. Ich bin mir nicht sicher. Einige sind wohl unschuldig, aber alle sind wohlhabend und gestehen unter der Folter, mit Dämonen gegen die Menschen zu paktieren. Er lässt alle hinrichten und reklamiert deren Besitz für den Orden, gibt aber die Hälfte der Stadt ab. Ich hoffte auf ein Ende, als er die Stadt verließ. Doch ich irre, es ist erst der Anfang. Er zieht von Dorf zu Dorf, wiederholt seine Anklagen. Da die Bevölkerung an den eingezogenen Gütern partizipiert, machen sie bereitwillig mit, denunzieren Mitbürger, Nachbarn, die eigene Familie. Überall brennen die Scheiterhaufen. Ich beschwöre ihn, aufzuhören, doch Gorald meint nur, der Orden bräuchte Geld für seine Burgen. Nach vier Wochen hören wir von den ersten Hexen, die Vieh töten und Feuer legen. Gorald sieht sich bestätigt und greift noch härter durch. Möge Raden-Sur uns vergeben.

Dairos war erschüttert. Erst die Hexenjagd hatte den Orden reich gemacht und als Goralds Gier kein Ende nahm, hatten die Hexen sich zur Wehr gesetzt. Auf einmal verstand Dairos, weshalb Yenraven gnadenlos über die Dörfer und Städte gezogen war. Der Orden hatte Tod gesät und Blut geerntet.

Nur mühsam bekam sich Dairos unter Kontrolle, als Favulkos und Ignatus ihn abholten. »Unser Ordensabt wünscht, euch sofort zu sprechen. Er wartet im Audienzsaal«, sagte Favulkos.Dairos atmete tief durch und schloss die Augen. Es war nicht die Zeit, um über die Vergangenheit und die Schuld des Ordens zu lamentieren. Das Unrecht von einst wog schwer auf ihm. Aber er hatte mit dem Orden ohnehin bereits abgeschlossen.

Favulkos musterte ihn eindringlich. »Wo ist euer Harnisch, Dairos von Ordon?«»Er hat mich zu sehr beengt. Ich brauche ihn nicht mehr. Er hat ausgedient.«

Ein verstehendes Funkeln stahl sich in die Augen des grauhaarigen Mannes. »Es ist eure Entscheidung. Möge der Glanz des Ordens euren Weg begleiten.«

»Der Glanz Raden-Surs reicht aus.«

Ignatus richtete seine genietete Lederkluft und nickte Favulkos zu. »Ich wäre soweit. Es ist vollkommen ausreichend, wenn ich alleine dem Ordensabt berichte. Unser Freund hier erscheint mir etwas aufgewühlt.«

Dairos verzog angewidert sein Gesicht. »Nein, Wissenswahrer. Ich werde euch begleiten.« Er war keineswegs bereit, Ignatus das Feld zu überlassen. Die Situation war viel zu ernst, als dass persönliche Empfindsamkeiten zu falschen Darstellungen führen durften. Immerhin wäre Granitfurt fast komplett ausgelöscht worden.

Ignatus wollte aufbegehren, doch Favulkos hob einfach nur die Hand. »Es ist nicht so, dass ihr wählen könnt. Tanat zum Weidentor hat ausdrücklich nach euch beiden verlangt.«

Schweigsam folgte Dairos dem grauhaarigen Ordensritter. Während sie durch die Gänge schritten, versuchte Ignatus herauszufinden, wie es Tanat ergangen war. In der Ordensburg hielten sich die wildesten Gerüchte. Demnach hatte sich der Ordensabt an der Spitze seiner Männer durch Hunderte von Nachtschrecken gekämpft. Als Ignatus Favulkos deswegen ansprach, schüttelte der bejahrte Ritter seinen Kopf. »Ich musste beim Glanz des Ordens schwören, nichts über die Vorgänge im Schattenwald zu erzählen. Ihr müsst auf den Bericht des Ordensabts warten.« Dairos entging nicht, dass das Gesicht verkniffener denn zuvor wirkte. Ihm wurde klar, dass das, was Tanat ihnen wohl nun erzählte, nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen würde.

Seltsam, der Orden predigt Wahrheit und verköstigt Lügen.

Sie erreichten den Audienzsaal, in dem der Ordensabt sie bereits erwartete. Er saß in seinem Sessel mit den samtenen Kissen vor einer reichgedeckten Tafel und schlang das Essen nur so in sich hinein.

Er ist schwer angeschlagen, machte sich Dairos klar.

»Nehmt Platz«, forderte Tanat sie auf und nahm einen kräftigen Zug aus einem Kelch. Der Wein troff ihm aus den Mundwinkeln. Täuschte sich Dairos, oder wirkte der Mann sogar leicht angetrunken? Der Ordensabt breitete seine Hände aus. »Nehmt und speist mit mir.«»Ihr müsst Schreckliches erlebt haben, ehrwürdiger Abt. Ihr seht ... angegriffen aus«, brachte es Ignatus auf den Punkt.

Wie zur Bestätigung hob Tanat seine Hand mit der Hühnerkeule. »In der Tat. Ich sah viele gute Männer fallen. Wir hielten unsere Reihen gegen diese Waldkreaturen, solange es möglich war, doch schließlich brachen die Flanken um mich herum ein.«

Täuschte sich Dairos oder knirschte Favulkos mit den Zähnen.

Dairos sah zu Ignatus, der Platz nahm. Er sah sich nach einem weiteren Stuhl um und setzte sich unaufgefordert. Vor einer Autorität geziemte es sich, zu stehen, bis man gebeten wurde, sich zu setzen. Er war sich aber nicht mehr sicher, in diesem Saal eine solche zu finden.Tanat gab Favulkos ein Zeichen. Der grauhaarige Ordensritter verließ den Saal.

Die Tafel war reichlich gedeckt, doch weder ihm noch Ignatus war nach einem Mahl zu Mute. Der Ordensabt warf den Kelch dunkelroten Weins gegen einen der Gobelins und rülpste. »Es war ein Desaster.«

Er atmete tief durch. Sein Bericht begann mit der Ankunft in Fels Karabatos und endete mit dem Gefecht auf der Kaiserstraße. Als Ignatus hörte, dass seine Cousine Aratica in einem Feuersturm verbrannte, wurde er aschfahl im Gesicht.

»Ich blieb bis zuletzt an vorderster Front, doch gegen den Feuerelementar war nichts auszurichten. Ich bin mit meinen verbliebenen Männern durch die Reihen der Waldaffen gebrochen. Auf dem Rückweg stießen wir auf Hunderte Nachtschrecken. Wir schlugen uns den Weg frei. Doch mit Ausnahme von Favulkos fielen alle. Ich konnte es nicht verhindern.«Er schwieg und hob die Hand. »Erzählt nun ihr.«

Dairos sah den unsicheren Blick, den ihm der Wissenswahrer zuwarf. Ganz so frei, wie er es gerne getan hätte, würde Ignatus über die Vorgänge in Granitfurt nicht erzählen können.Aufmerksam hörte der blonde Ordensritter zu. An einigen Stellen juckte es ihn in den Fingern einzugreifen und Ignatus' Darstellungen geradezurücken, doch erst als der Wissenswahrer den Angriff der Nachtschrecken schilderte, entschloss er sich zu handeln.

»Sie kamen während des Verhörs der Kräuterkundigen über uns. Ihre Berührung brachte den Tod. Wir wären alle gestorben, wenn das Hexenmyzel, das sich im Boden bis zur Stadt vorgearbeitet hatte, nicht abgestorben wäre und die Nachtschrecken geflohen wären.«»Bitte verschweigt Cyrianas Rolle dabei nicht, Ignatus.«

Tanat furchte die Stirn und straffte sich. »Cyrianas Rolle?«

Ignatus schenkte Dairos einen tadelnden Blick. »Ihr Wirken wird nur durch eure Aussage gestützt. Niemand sah genau, was sie tat ... und ob es mit dem Verschwinden der Nachtschrecken zusammenhing.«

»Sie war es, die die Nachtschrecken unter Einsatz ihres Lebens zurückschlug ... und ihr wisst es.«Tanats Interesse war geweckt. »Wie hat sie das gemacht?«

»Nun gut, sie hatte Anteil daran, dass die Nachtschrecken flohen. Aber sie ist eine Hexe, dessen bin ich mir sicher, ehrwürdiger Abt«, insistierte Ignatus energisch, ehe er die Frage des Ordensabts beantworten konnte.

Der grauhaarige Abt ignorierte den Einwand des Buckligen. »Dairos, berichtet ihr weiter und erzählt mir auch, was ihr über dieses Kräuterweib denkt. Vielleicht sollten wir sie hereinschaffen. Ihr habt sie doch sicherlich mitgebracht?«

Dairos schüttelte den Kopf, während er seine Gedanken ordnete. »Cyriana musste aus Granitfurt fliehen, da Ignatus versuchte, sie zu töten.«

Der Wissenswahrer wurde aschfahl. »Beim Glanze des Ordens, ich habe nur versucht, die Menschen zu schützen, und habe eure Order ...«, er wandte sich an Tanat, »... befolgt.«Dieser hieb heftig mit seiner Faust auf den Tisch. »Meine Herren. Ich will jetzt einen möglichst ehrlichen Bericht hören. Keine Selbstdarstellungen. Wir sind der Orden, in unserem Glanz hat Lug und Trug keinen Platz.«

Er beäugte den jungen Ritter misstrauisch. »Irgendwie erscheint ihr mir anders als noch vor einigen Wochen, Dairos von Ordon. Aber an eurer Aufrichtigkeit hege ich keinerlei Zweifel.«Ignatus schnappte deutlich hörbar nach Luft.

Dairos nahm sich Zeit und berichtete die Geschehnisse aus seiner Warte. Nur sein Wissen über die Scheibe behielt er für sich. Er hatte es der Druidin beim Glanz des Ordens geschworen. Schließlich sahen sie sich nachdenklich in die Augen. Ignatus war es, der seine Schlussfolgerungen darlegte. Auch wenn der Bucklige in seinem Ehrgeiz über Leichen ging, so war sein Verstand messerscharf.

»Ich sehe es so, ehrwürdiger Abt. Ulmenstein diente den Nachtschrecken als ... Futter. Sie stahlen den Menschen die Lebensenergie und kehrten in den Wald zurück. Man muss kein Prophet sein, um den Zusammenhang mit dem Blutritus herzustellen.« Er stockte kurz. »Fels Karabatos wurde angegriffen, weil dort die Scheibe verborgen lag. Die Bewohner fielen nicht den Nachtschrecken zum Opfer, sondern wurden in den Wald verschleppt. Es ist offenkundig, dass ihnen ein anderes Schicksal zugedacht war. Ich vermute, dass sie geopfert wurden, um das Hexenmyzel bis nach Granitfurt zu treiben.«

»Und Granitfurt wurde von den Basilisken und den Nachtschrecken attackiert, weil man Raden-Surs Sonnenscheibe habhaft werden wollte«, vollendete Dairos.

Ignatus brachte die kräuterkundige Druidin wieder ins Spiel. »Hätten wir Cyriana noch im Zugriff, könnte sie uns einiges erzählen. Diese Druidin weiß von der Sonnenscheibe. Sie kannte das Hexenmyzel und jene giftige Beere. Und sie ist zweifellos eine Hexe und somit ist ihr nicht zu trauen.«

In Dairos schäumte die Wut. Er begehrte auf. »Ich sagte es schon. Sie ist nicht unser Feind. Ohne sie wäre Granitfurt verloren gewesen. Sie ist nicht mit Yenraven im Bunde.«

»Das will ich gar nicht mehr abstreiten. Aber darum geht es nicht. Sie weiß einfach mehr, als sie sagt, hält aber ihr Wissen zurück. Ich bin davon überzeugt, sie schweigt, um sich nicht selbst zu belasten. Sie ist keine Verbündete der Yenraven, aber sie verfolgt eigene Pläne und ist dem Orden nicht wohlgesonnen. Wacht endlich auf, Dairos von Ordon.«

Der blonde Ordensritter antwortete mit einem verächtlichen Schnauben. »Um an ihr Wissen zu kommen, wolltet ihr sie also... töten?«

Tanat hob die Hand, um den sich abzeichnenden Streit zu schlichten. Er griff nach einem leeren Kelch und hob die Karaffe an, um sich nachzuschenken.

»Mit gegenseitigen Vorwürfen ist nichts gewonnen, meine Herren Ignatus und Dairos. Wir müssen uns daran halten, was wir wissen. Ihr sagtet, Cyriana wäre auf einem Moab aus Granitfurt geflohen. Erzählt mir von diesem Wesen.«

Ignatus zum Weidentor hielt inne, um sein Wissen zu rekapitulieren. Schließlich nickte er kurz und berichtete. »Es gibt alte Legenden über allerlei mystische Wesen. Der Moab ist eines davon, ein Fabeltier. Er gleicht einem Drachen ohne Flügel und kann gewaltige Ausmaße erreichen. Früher galt er als ein Bote der Hoffnung und des Glücks. Jedenfalls ist er stets ein Freund der Menschen.«

Dairos sah vor seinem inneren Auge das Feld in der morgendlichen Dämmerung, aus dessen Nebel sich der Moab herausgeschält hatte. Cyriana und ihr kleines sprechendes Haustier waren auf ihm in den Hexenwald entkommen.

»Ist euch aufgefallen, Dairos von Ordon ...«, fuhr Ignatus fort, »... dass diese kleine Schlange, die Cyriana begleitet und vermutlich den Gardisten getötet hat, dem Moab sehr ähnlich sieht?«Jetzt, nachdem der bucklige Gelehrte dies ansprach, fiel es auch Dairos auf. In der Tat ähnelten sich der Moab und der kleine Begleiter Cyrianas.

»Warum, Ignatus, habt ihr den Befehl gegeben, auf den Moab zu feuern?«Der Wissenswahrer lachte freudlos auf. »Ist es euch entgangen, dass kein einziger Schuss gefallen ist?«

»Ja, das lag daran, dass ich mich in die Schusslinie eurer Arkebusiere gestellt habe. Zum Glück besaßen sie noch genügend Ehrgefühl, um nicht auf einen Ritter des Ordens zu schießen.«Ehe der Streit eskalierte, schritt Tanat, der interessiert gelauscht hatte, ein.

»Warum hat sie den Moab gerufen? Sie tat es nicht, damit dieses Untier euch angriff, sondern um damit zu entkommen. Da hätte es doch andere Wege gegeben. Oder brauchte sie den Moab, weil sie nur mit ihm in den Schattenwald flüchten konnte?«

Dairos von Ordon schüttelte den Kopf. »Nein. Sie war verzweifelt. Ignatus hatte versucht sie zu töten. Sie wusste, dass sie nicht in Granitfurt bleiben konnte. Eine Flucht zu Fuß wäre auch ohne ihre Verletzungen schwierig geworden und Pferde, das hatte sie mir anvertraut, mögen sie nicht.«

»Darum hat sie also das von mir bereitgestellte, gesattelte Pferd links liegen gelassen«, entfuhr es Ignatus. Seine Augen leuchteten auf. Er war immer glücklich, wenn sich ihm etwas erschloss, woran er zuvor lange gekaut hatte.

Tanat setzte erschrocken den Kelch ab, den er gerade an den Mund angesetzt hatte. Dabei knallte das goldumrahmte Trinkgefäß so laut auf den Tisch, dass der rötliche Wein über die ganze Holzplatte spritzte.

»Sie ist nicht auf einem Pferd weggeritten, weil die Tiere sie nicht mögen?«, entfuhr es dem Ordensabt. Er war kreidebleich.

Ignatus schien sich an etwas zu erinnern. »Stimmt. Ein Knecht hat mich sogar darauf aufmerksam gemacht, dass Pferde vor ihr scheuen. Ich Narr, darum hat sie also meinen bereitgestellten Fuchs ignoriert. Ich hätte es wissen müssen.«

Dairos furchte die Stirn. Sein Blick lag auf dem Ordensabt, der bis ins Mark erschrocken schien, sich nun auf den Tisch abstützte und sich erhob.

»Was ist daran so außergewöhnlich?«, erkundigte er sich.»Meine Herren«, Tanat atmete tief durch, »wir müssen uns vergegenwärtigen, dass nicht nur Yenraven ein Problem ist. Als wir der Bluthexe auf der Kaiserstraße begegneten, scheute auch das Pferd des Offiziers, der Araticas Truppen kommandierte. Yenraven verriet uns, dass Pferde Angst vor Bluthexen haben.«

Ignatus riss überrascht die Augen auf. »Dann passt ja doch alles zusammen. Sie bekämpft Yenraven, weil sie selbst eine Bluthexe ist und den Blutritus durchführen will. Daher weiß sie auch alles über die Sonnenscheibe.«

Dairos ging das zu schnell. Er horchte in sich hinein, in die Leere, die einst der Orden gefüllt hatte. Nein, er glaubte nicht daran, dass Cyriana ein doppeltes Spiel trieb. Es passte nicht zu ihr ... und erst Recht nicht zu jener Hebamme, der er sein Leben verdankte. Dennoch ... irgendein schreckliches Geheimnis umwehte die Druidin. Wie er es auch drehte und wendete, sie verschwieg ihnen etwas.

»Und noch etwas wird mir klar, meine Herren. Ignatus, ihr erwähntet, dass es möglich sei, dass Cyriana schon lange in Granitfurt gelebt hat und identisch mit ihren Tanten sei. Wenn das wahr ist, dann haben wir eine mächtige Hexe vor uns, die sehr alt ist ... und denken wir nun an die Ereignisse nach dem Hexenkrieg bei Fels Karabatos.«

»Ihr spielt auf die weiße Ordensritterin an?«, erinnerte sich Dairos. »In der Tat, junger Ritter«, setzte Tanat seinen Gedankengang fort. »Nach dem Krieg versteckte eine sogenannte weiße Ordensritterin die Sonnenscheibe in Fels Karabatos. Sie kam auf einem Moab angeritten! Es würde mich also nicht verwundern, wenn wir nun deren Identität aufgedeckt hätten.«

»Dann wäre es denkbar, dass sie mit der damaligen Yenraven identisch ist«, platzte es aus Ignatus heraus. Er sah sich bestätigt. »Wir sind in den Kampf zweier Bluthexen, zweier Yenravens hineingeraten.«

In der folgenden Stille hätte man eine fallende Stecknadel gehört. Dairos war verunsichert. Gerade eben hatte er noch ausgeschlossen, dass Cyriana ihr Feind war. Aber es war nicht von der Hand zu weisen, dass sie tatsächlich mit jener gnadenlosen Hexe identisch sein könnte, die damals mordend und brandschatzend von Dorf zu Dorf zog. Er schüttelte sich. »Nein, da passt einiges nicht zusammen. Wenn Cyriana die Yenraven von damals wäre, warum hat sie dann den Blutritus nicht vollendet? Gorald war besiegt. Aber nein, sie verbarg stattdessen die Sonnenscheibe im Fels Karabatos. Warum sollte sie das tun?«

Auch wenn es Ignatus widerstrebte, es auszusprechen, so war dies die einzig logische Folgerung. »Sie hat sie versteckt, damit niemand den Blutritus sprechen kann.«

»Und damit, Ignatus, ist eure Theorie von einer Cyriana, die Yenraven bekämpft, weil sie selbst den Blutritus sprechen möchte, hinfällig«, versetzte der junge Ordensritter giftig.

»Wir drehen uns im Kreis, meine Herren«, beschied der bejahrte Ordensabt. Als er sich straffte, sah Dairos ihm an, dass er Schmerzen litt. Das Alter forderte seinen Tribut.

»Und was machen wir jetzt?«, wollte Ignatus wissen.»Nun. Ich bin hier nicht deshalb Ordensabt geworden, weil es eine so schöne Ordensburg ist. Die Ordensburg der göttlichen Hand hütet ein Geheimnis, welches ich nun offenbaren muss. Aber zuvor müssen wir hier allein sein.«Dairos blickte sich um. Sie waren allein. Verärgert kniff er seine Augen zusammen, als er begriff. »Ihr meint mich?«»In der Tat. Ich möchte, dass ihr uns nun verlasst, Dairos von Ordon. Dieses Geheimnis ist nicht für eure Ohren bestimmt.«

Wie hatte er diese Geheimniskrämerei doch satt. Wo war der vielbeschworene Glanz des Ordens, wenn Wahrheiten vernebelt wurden? Einen Augenblick lang drängte ihn die Loyalität zu Autoritäten dazu, aufzustehen und davonzugehen. Er mahlte mit den Zähnen. Er war kein Spielball eines verlogenen Ordens mehr, musste von nun an seinen eigenen Weg gehen.

»Nein, ich bleibe.«

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Hexendämmerung - Die Legende der Bluthexe   (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt