Halikarnosas Drache

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Dairos sah in der Ferne den Drachen. Eine gewaltige, monströse Kreatur die es nicht geben durfte, die die Natur verhöhnte.

Der mächtige Leib wandte sich dem Schlachtfeld zu. Der langgestreckte Schädel glitt suchend über den Boden, erschnüffelte eine gelbgewandete Gestalt, packte sie und warf sie in hohem Bogen auf einen heranstürmenden Reiter.

Der Berittene wurde vom Pferd gerissen. Der Fuchs blieb wiehernd stehen, wurde aber im nächsten Augenblick auch schon von dem Drachen gepackt und verschlungen.

Er hatte es so satt, in staubigen Büchern über die Verkommenheit des Ordens zu lesen, auf Befehl ikonischer Vorgesetzter falsche Anschuldigungen zu erheben und Wahrheiten zu erblicken, über die er nicht sprechen durfte.

Das hier war ein Kampf, für den Ordensritter, für den er ausgebildet worden war. Er zog sein Schwert und blickte zur Seite. Mehrere Arkebusiere rannten an ihm vorbei und bauten sich im Schutze einiger Felsbrocken auf, richteten ihre Waffen auf den Drachen aus. Die Bestie ignorierte die Gardisten und ließ seinen Blick über das Kampfgetümmel gleiten.

An einer Stelle rückte Yenravens Feuerelementar unerbittlich vor. Drei Gestalten in schweren Rüstungen, die sich ihm stellten, wurden jäh von einer unsichtbaren Macht gepackt und gegen einen Fels geschleudert.

Er sah wie die Bluthexe kleine Felsbrocken warf, die sich, kaum, dass sie aufschlugen, zu kleinen reptilienähnlichen Geschöpfen entrollten und sich hinter Marmorblöcken in Sicherheit brachten. Wenig später sah er die Wesen erneut, eine Spur größer, wuchtiger. Dairos kniff die Augen zusammen. Sie wandelten sich nach und nach in Basilisken.

Favulkos und Dutzende von Gardisten fochten einen verzweifelten Kampf mit mehreren dieser hundegroßen Bestien aus, wichen aber langsam zurück. Die Basilisken schienen immer größer zu werden. Dairos hatte keinen Zweifel daran, dass sie bald so groß werden würden, wie die, die Granitfurt angegriffen hatten.

Eine riesenhafte gepanzerte Gestalt mit Flügelhelm kämpfte mit zwei Männern, die wohl die gesuchten Dryadengrüns waren. Er sah den Ordensabt, umgeben von einer Eskorte Elitekämpfern auf die drei Kämpfenden zureiten.

Der Drache stieß ein beglücktes Schnauben aus. Dairos folgte dem Blick des Untiers. Es hatte Cyriana und die Assassine entdeckt und stakste langsam darauf zu. Zwei Berittene näherten sich dem monströsen Untier und hackten mit ihren Schwertern nach ihm. Ihre Hiebwaffen glitten wirkungslos an der steinharten Haut ab.

Fast beiläufig riss der Drache Pferd und Reiter zu Boden, schleuderte die Reiter zur Seite und würgte die beiden Reittiere im Ganzen hinunter.

Eine schwere Salve traf den Drachen in der Seite. Er zuckte zusammen, wandte sich um und fegte mit einer einzigen Bewegung seines langen Schwanzes die Arkebusiere und die Felsbrocken, hinter denen sie Schutz gesucht hatten, zur Seite.

Danach wandte er sich wieder Cyriana zu, stakste in deren Richtung.Dairos blickte auf sein Schwert. Er war zwar Ritter und bereit den Tod zu finden, aber nicht dämlich. Er brauchte einen Plan. Er steckte sein Schwert zurück in die Scheide. Es half ihm nicht.Yenraven tauchte auf einem der Hügelkämme auf, griff in ihre Tasche und schleuderte in hohem Bogen einige ihrer Felssteine direkt unter die Gardisten.

Ein nur kieselsteingroßer Brocken kugelte nicht weit von Dairos entfernt hinter einer aus dem Boden ragenden Marmorplatte. Mit mehreren schnellen Sätzen erreichte er den Felsen. Zum Glück achtete die Bluthexe nicht auf ihn. Sie verließ ihre erhöhte Position, als um sie herum einige Armbrustbolzen einschlugen.

Wo war das verdammte Vieh?

Etwas zischte vor ihm und schnellte zur Seite. Dairos war schneller. Er warf sich auf das mausgroße Geschöpf und packte es. Spitze Zähne hackten nach ihm. Der verfluchte Mini-Basilisk war verdammt schwer und wand sich mit stetig wachsender Kraft in seinem Griff. Dairos packte ihn brüllend und lief auf zwei Reiter zu.

»Absitzen und öffnet die Satteltaschen«, befahl er.

Der nun schon rattengroße Basilisk schnappte nach seiner Hand, versuchte sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Mit einer schnellen Bewegung drückte er das Vieh in die breite Tasche und verschnürte sie. Einer der Gardisten zog mehrere Gurte darum herum.Die Zeit lief ihm davon. Er schwang sich in den Sattel, sah sich um und gab dem Pferd die Sporen, ritt geradewegs auf den Drachen zu, der tapsend das Schlachtfeld betrat und brüllend mit seinen Flügeln die Ordensleute zur Seite fegte.

Das gewaltige Untier sah, wie er herannahte und blieb stehen, musterte ihn ungläubig. »Ich bin Dairos von Ordon ...«, brüllte der blonde Ritter so laut er konnte. Er zückte sein Schwert und obgleich er wusste, dass er einen wahrhaft lächerlichen Eindruck machte, musste er den Drachen auf sich aufmerksam machen. Er hatte nur Sekunden, bis sich der Basilisk aus der Satteltasche befreien würde.

Und dann war er heran. Der Drache tauchte unter seinem Hieb hindurch und schnappte zu. Etwas Schweres rammte ihn und wuchtete ihn zur Seite. Er krachte auf dem Boden auf. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Drache mit einem einzigen Zuschnappen das Pferd verschlang.»Wohl bekomms.«

Die Augen des Drachens fuhren herum und fixierten ihn böse.

Hexendämmerung - Die Legende der Bluthexe   (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt