Die Scheibe Raden-Surs war bereits untergegangen. Dairos hatte ein Lager aufschlagen lassen. Seine Leute saßen lachend an den Feuerstellen und tauschten untereinander derbe Geschichten aus. Ignatus hatte sich in sein Zelt zurückgezogen. Er mied die Gesellschaft des gemeinen Mannes.
Dairos musste keinen Blick auf die Karte werfen, um zu wissen, dass sie Granitfurt am frühen Vormittag erreichen würden. Seine Gedanken kreisten darum, was in den nächsten Tagen geschehen würde. Er war sich nicht sicher, was man von ihm wirklich erwartete. Im Idealfall würde er die Kräuterkundige der Hexerei überführen, deren mordlüsterne Pläne aufdecken und sie schlussendlich hinrichten lassen.
Aber wahrscheinlicher war, dass das Kräuterweib harmlos war und von nichts wusste. In diesem Fall würde er sie zum Schein der Hexerei überführen, den Bewohnern von Granitfurt sagen, dass sie im Glanz des Ordens gut behütet wären ... und dann das Weib hinrichten.
Was auch immer eintrat, das Gute daran war, er würde stets Erfolg haben. Dennoch. Es fühlte sich falsch an ... und pochend erwachte die innere Leere ...Die Wege des Ordens waren verschlungen. Er würde sich fügen, denn seine Loyalität war ungebrochen. Es waren edle Männer wie damals Gorald und nun Tanat, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um Menschen zu schützen.
Darum gebührte ihnen Respekt und Gehorsam. Letztlich musste er sich ihrer langjährigen Erfahrung anvertrauen. Sie wussten, was den Schutzbefohlenen zugemutet werden konnte ... und was nicht. Wer war er, daran zu zweifeln?
Seufzend holte er die Blätter aus seiner Ledertasche hervor, die ihm der Wissenswahrer gegeben hatte. Da seine Männer es längst aufgegeben hatten, ihn in ihren Runden willkommen zu heißen, war es nicht schwer, einen abgelegenen Ort zu finden. Wahllos griff er sich einen Bericht heraus.
Er drehte den Docht der mitgenommenen Lampe auf und begann zu lesen. Die Schilderungen Krotans setzten zeitlich vor Goralds Aufbruch in den Schattenwald an.
Krotan, Ordensritter im Jahre 2680 n.d.F.
Yenraven und ihre Brut haben ein Dorf nahe Ulmenstein abgefackelt. Es ging in einem Feuersturm unter. Ganze Familien verbrannten bei lebendigem Leib. Eine nahegelegene
Ordensabtei wurde am darauffolgenden Tag dem Erdboden gleichgemacht. Ich sende nach dem Großmeister. Die Situation eskaliert. Wir sind nicht mehr in der Lage uns den Hexen zu stellen. Ich habe bereits über die Hälfte meiner Truppen verloren. Seit Yenravens Auftauchen
sind die Machtverhältnisse verschoben. Endlich erreicht mich die Kunde, dass Gorald mit einem
Heer aufgebrochen ist. Derweil wütet die Hexenbrut. Ein Gehöft mit knapp dreißig Seelen hat sich der Forderung Yenravens verweigert, ihr freiwillig zu folgen. Sie kennt kein Erbarmen, hat niemanden am Leben gelassen. Gorald ist eingetroffen. Ich bitte ihn inständig die offene
Konfrontation zu suchen, doch er verteilt seine Truppen auf die größeren Städte und Dörfer. Wie soll das Yenraven stoppen? Die Bluthexe verschleppt immer mehr Menschen in den Wald. Wir wissen nicht warum.
Mögen Raden-Surs goldene Strahlen die Hexenbrut verbrennen.Nachdenklich legte Dairos das Papier zur Seite und nahm das nächste Blatt in die Hand. Er hatte von dem Ordensritter Krotan bislang nie etwas gehört. Seinen Namen und seine Geschichte hielt der Orden geheim.
Auf den nächsten Rollen fand sich ein Bericht über das erste Auftauchen der Bluthexe. Zu diesem Zeitpunkt schwelte der Konflikt zwischen den Hexen und der Bevölkerung schon seit einem knappen Jahr. Die Hexen, unorganisiert, terrorisierten die Menschen, indem sie Krankheiten heraufbeschworen und die Ernten verfluchten. Aber weder unter den Ordensleuten, noch unter der Bevölkerung gab es Tote. Als Yenraven die Bühne betrat, änderte sich alles.
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Hexendämmerung - Die Legende der Bluthexe (Band 1)
FantasiaBand 1: Vor hunderten von Jahren hat einst eine Bluthexe Tod und Zerstörung über die Dörfer am Schattenwald gebracht. Erst durch das Einschreiten des mächtigen Ordens, angeführt vom legendären Gorald von den tiefen Auen, konnte die Gefahr gebannt we...