Once upon a time...

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Lilly

Drei Jahre zuvor.

"Ich kann nicht glauben, dass dieser verfluchte Bastard mich seit Wochen um ein Date bittet und mich dann einfach sitzen lässt"

"Lilly, Ausdruck!", sagt Tyler ernst, mit der gleichen Strenge im Ton, die meine Mutter immer in diesen Satz bringt, wenn ich etwas sage, was ihr nicht in den Kram passt.

Wir lächeln uns an und stoßen unsere Gläser aneinander, bevor wir die Tequila Shots leeren. Die brennende Flüssigkeit zieht sich durch meine Speiseröhre und breitet sich blitzschnell in meinem Rumpf aus, während ich hastig in die Zitrone beiße, um dagegen zu arbeiten.

"Besser so. Wenn er jetzt noch kommen würde, wäre es das letzte, was er tut.", ich atme tief ein und schaue Dylan schief an, der nur einen vielsagenden Blick mit Tyler austauscht.

Meine Helden...

"Ich kann sowieso nicht glauben, dass ihr hier seid.", meine Augen huschen von Dylan zu Tyler, der uns grinsend noch eine Runde bestellt.

Er ist wirklich schlimm. Als ich Ty berichtet habe, wo ich heute Abend ein Date habe, hätte ich wissen müssen, dass er hier auftauchen würde.

Großer Fehler meinem Bruder die Wahrheit zu sagen.

Er war schon immer so aufmerksam. Schon immer beschützend. Er gibt seit Tag 1 auf mich Acht und jetzt auch beim Thema Dating.

Er bemerkt wie beliebt ich bin. Wie mich die Jungs angucken, als könnten sie ihre Gedanken nicht beherrschen. Verständlicherweise hasst er es. Ich könnte es nicht mehr lieben. Es gibt mir Macht. Meine Reize die Waffe. Während sie nur daran denken können, was sie mit mir tun wollen, keine Gewalt darüber ihre Gedanken auf etwas anderes zu lenken, ziehe ich die Strippen.

Beeinflusse ihre Gedanken mit einem einfachen Blick. Dem Winkel, in dem ich meinen Kopf leicht nach unten neige und gleichzeitig hoch in ihre Augen schaue. Die Art, wie ich meine Hand über meinen Nacken bis hin zu meinem Dekolleté streiche. Meine Haare um meine Finger zwirble, über die rosa Lippe lecke, oder einfach nur zuhöre.

Zuhören und nicken, wenn sie reden. Verständnis zeigen, wenn sie mir etwas anvertrauen. Lachen, wenn sie versuchen lustig zu sein.

Ich weiß, was ich sagen muss. Was ich tun muss. Ich weiß welche Knöpfe ich drücken muss, um die Reaktionen zu erlangen, die ich will.

In wenigen Wochen habe ich mich bis an die Spitze der Nahrungskette gekämpft. Etwas, was für manche unwichtig ist, beinahe banal. Für mich nicht. Für meine Mutter nicht. Eine hohe Stellung in der Gesellschaft zu haben ist wichtig. Seinen Charakter auf die Person anzupassen mit der man spricht. Eine Rolle zu spielen, um zu bekommen, was man möchte. Was man braucht.

Diese Verhaltensweise wurde mir in die Wiege gelegt und inzwischen bin ich so gut darin geworden, dass ich nicht mehr weiß, wer ich eigentlich bin. Oder sein könnte...

"Dieser Schuppen ist wirklich kein Ort, wo du alleine sein solltest.", Tyler reißt mich aus meinen Gedanken und richtet meine Aufmerksamkeit auf sich.

Vermutlich hat er Recht.

Die kleine Kneipe ist selbst an einem Freitagabend ausgestorben. Es ist nicht gerade sauber hier, aber irgendwie seltsam gemütlich. Die dunklen Lampen, mit den alten Oma-Schirmen, die gigantischen Pflanzen und die nicht-zusammenpassenden Bilder und Poster machen es hier irgendwie urig.

Doch obwohl es warm und gemütlich ist, ist es mindestens genauso unangenehm. Die einzigen Menschen, die außer uns hier sind, sind Männer über 50, die allein an der Bar sitzen und die Kellnerinnen als Pseudotherapeuten missbrauchen.

Keeping SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt