The lonely one

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Lilly

Die erste Lektion, die ich gelernt habe, ist nie darauf zu warten, dass jemand dich rettet. 

Wenn du dich darauf verlässt, dass andere deine Probleme lösen, wirst du enttäuscht. Früher oder später stehst du allein da. Also kannst du auch gleich auf diese Weise anfangen.

Deshalb würde ich niemals Tyler, oder Jonah davon erzählen, dass Shawn mich gegen die Wand geprescht hat. Ich werde nicht zulassen, dass jemand sich in meinen Mist einmischt, wenn ich es selbst hinkriege.

Wobei ich bisher noch nicht sicher bin, wie ich diese Situation regeln werde.

Shawn hat sich verändert. Vermutlich, weil ich ihn erpresst habe – er ist nicht darüber hinweg. Wer wäre das schon?

Er will wieder mit mir zusammen sein, aber vor unserer Trennung war unsere Beziehung anders. So einfach und rücksichtslos hat er mich nicht angefasst. Seine Kraft nicht so unkontrolliert gegen mich eingesetzt.

Er handelt leichtsinniger und ich habe ihn nicht mehr in der Hand, weil er weiß wie sehr ich ihn brauche. Blöderweise habe ich ihm ein falsches Bild gegeben, als ich bei Finns Party aufgekreuzt und ihm unterbreitet habe, wie sehr ich ihn will. Ihm ist bewusst wie dringend ich ihn in meinem Leben will – auch wenn er den Grund nicht kennt.

„Sie hatten keinen Wein mehr.", Jonahs Locken tauchen an der Kante der hölzernen Plattform auf, als er die letzte Stufe zum Baumhaus hochklettert.

Er stellt grinsend die Schnapsflasche ab, auf dessen Kappe er zwei Shotgläser balanciert hat, bevor er sich zu mir auf die klapprigen Bretter setzt, die schludrig zusammengenagelt wurden. Im Schneidersitzt hält er sich mit unsicherem Blick an dem großen Ast der Kastanie fest.

Das Baumhaus hat weder Wände noch ein Dach. Nur eine große Fläche, die zwischen zwei Bäumen von den vorherigen Besitzern des Anwesens hier zusammengezimmert wurde.

Ein Ort an dem Jonah und ich uns die letzten Jahre versteckt haben, wenn uns die Besäufnisse unserer Freunde zu viel wurden. Meistens um zu lästern, manchmal um zu trinken und einmal, um Gras zu rauchen, dass wenn wir ehrlich sind vermutlich zu 90% aus Oregano bestand.

„Das geht wohl auch.", lache ich und stelle die Shotgläser auf, um den sauren Alkohol einzuschenken.

Ich trinke nicht oft und wenn, dann meistens Wein. Die Beherrschung zu verlieren und meine Hemmschwelle zu senken, kommt für mich nicht in Frage. Besonders nicht in einer Umgebung, in der ich mich nicht zu 100% sicher fühle.

Heute brauche ich allerdings eine Starthilfe. Eine Unterstützung, um diesen Abend zu überstehen und nicht meine geistige Gesundheit zu verlieren.

„Glaubst du er hat mich gesehen?", fragt Jonah neugierig und lächelt mich verschmitzt an.

Ich muss ebenfalls grinsen und beuge mich über die Kante, um in den Garten zu schauen. Shawn drängt sich taumelnd durch die Feierwütigen mit einer unbekannten Schnalle im Schlepptau, die er gekonnt ignoriert, um nach mir zu suchen.

„Es sieht jedenfalls nicht so aus.", ich drehe mich zu Jonah und wir müssen beide leicht lachen, als wir unsere Gläser nehmen und sie gegeneinanderstoßen.

„Auf den Abend.", ich hebe eine Augenbraue und er nickt. „Auf den Abend.", wiederholt er es und trinkt gemeinsam mit mir die saure Flüssigkeit in einem Schluck auf Ex.

Wir schauen uns mit zusammengezogenen Gesichtern an und ich schüttle mich, als eine Gänsehaut sich über meine Arme legt.

„Gott, ist das ekelig.", keucht Jonah und ich muss lachen.

Er hat Recht, aber jetzt kann er nicht nochmal runter, um etwas Neues zu holen. Nicht, wenn Shawn durch den Garten schleicht und nach mir Ausschau hält. 

Es ist immer das gleiche Spiel. Irgendwann verschwinden wir und setzen uns ab, um allein zu sein. Shawn betrunken auszuhalten ist unmöglich. Momentan mehr denn je.

Wenn er nicht von mir erwarten würde, dass ich auf diesen dummen Partys als sein kleines Accessoire präsent bin, dann würde ich jede einzelne Veranstaltung mit einem Filmeabend bei Jonah austauschen.

Es macht keinen Spaß mit Shawn... oder den anderen Idioten. Jonah und ich sind geübt darin unauffällig zu verschwinden. So überstehen wir diese Abende.

„Worüber denkst du nach?", fragt er ruhig und lehnt sich gegen den Baumstamm in seinem Rücken.

Ich richte mein Blick zu ihm. Seine Haut wirkt durch die untergehende Sonne fast noch wärmer und hinter ihm lassen die letzten Sonnenstrahlen das Wasser im See funkeln.

Er ist der einzige Mensch, der mir Halt gibt. Die einzige Person, bei der ich mich wohl und sicher fühle, ohne dieses wachsame Gefühl im Nacken jederzeit aufspringen zu können und die Flucht zu ergreifen.

„Hast du manchmal das Gefühl, dass jede Entscheidung, die du triffst, ein Fehler ist?", hauche ich leise und fahre mit meinen Augen in seine.

Er guckt mich schlichtweg an, ohne seine Gesichtsmuskeln zu verziehen und mir somit zu verraten, was er denkt. Er lernt von der Besten seine Gefühle hinter einer Mauer zu verbergen. 

„Fragst du aus einem bestimmten Grund?", gibt er zurück und zieht seinen linken Mundwinkel leicht nach oben. Gegenfragen. Auch etwas, dass er von mir hat.

Ich lege meinen Kopf schief und atme die frische Luft in meine müden Lungen.

Jonah mustert mich, bevor mein Blick wieder in den Garten fährt. Auf der Terrasse steht er.

Dylan lehnt sich gegen das Geländer, ein Glas in seiner Hand. Er ist so weit entfernt, dass ich nicht weiß, ob er uns ansieht, oder nur in unsere Richtung guckt, aber als sein Zeige- und Mittelfinger sich an die Schläfe legen und sich ruckartig, auf uns zeigend entfernen, weiß ich, dass er mich damit meint.

„Egal was ich beschließe, irgendwen scheine ich immer zu verletzen.", spreche ich ehrlich aus, was mir auf der Seele brennt. Worte die ich nicht sammeln konnte. Verstehen, oder kontrollieren.

Jonah seufzt aus und rückt vorsichtig zu mir rüber. Er legt seinen Arm um mich und zieht mich näher, sodass meine Wange sich auf seiner Schulter ablegt. Mit sanften Fingern streicht er über meine Haare und fährt sie hinter mein Ohr. „Wäre es so schlimm deine Wahl nach deinen eigenen Bedürfnissen zu treffen?", flüstert er mitfühlend und drückt mich für einen Moment an der Schulter enger an sich, um mir einen Kuss auf den Haaransatz zu geben.

Ich atme aus und schließe meine Augen. Ich bin es leid mich so elendig zu fühlen. Mich auf diesem Pfad Richtung Verdammnis zu befinden und diejenigen, die mir am wichtigsten sind, mitzureißen.

Meine Augen brennen, aber ich drücke die Tränen runter und öffne meine Lider, um den Blick auf den glitzernden See zu richten, der sich hinter den saftig-grünen Baumblättern verbirgt.

Jonahs langsame Atmung beruhigt mich und seine sanften Berührungen geben mir die Sicherheit, nach der ich mich so verzweifelt sehne.

„Er würde dich zurücknehmen, weißt du?", erklingt Jonahs friedliche Stimme neben mir, als er leise zu mir spricht. „Du musst dich nicht so einsam fühlen."

Ich beiße mir auf die Lippe und löse mich von Jonahs Schulter. Träge drehe ich mich zu ihm und lächle ihn schwach an. „Ich habe doch dich.", er schmunzelt und rollt leicht mit den Augen. „Wer würde sich einsam fühlen, mit so einem Freund an der Seite?", ich stupse seinen Oberschenkel mit meinem Knie an, ein kitschiges Lächeln auf meinen Lippen.

„Du bist unmöglich."

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Jonah und Lilly🥹♥️ Was denkt ihr über die beiden?♥️ Voten und Kommentieren Leute!

Keeping SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt