Butterfly, dead or alive

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Lilly:

„Tja, ganz offensichtlich war das eine einmalige Sache.", ich lasse meine Hände gegen meine Oberschenkel fallen, als ich die gleiche Strecke an meiner Bettkante auf und ab laufe.

„Eine einmalige Sache wäre es gewesen, wenn ihr nicht schon an die 30-mal zuvor Sex gehabt hättet."

„Du weißt, was ich meine.", unterbreche ich Jonah und rolle mit den Augen. „Ich meine eine einmalige Sache, nachdem sich unsere... Situation geändert hat.", seitdem ich mit ihm Schluss gemacht habe und er niemanden mehr hasst als mich.

Seufzend lasse ich mich neben Jonah auf das Bett fallen und lege meine Handflächen auf meine schmerzenden Augenlider. Mein Kopf brummt und lässt meine Augenhöhlen stechen, als würden sich 1000 Stecknadeln bis zum Gehirn hindurchbohren wollen.

„Vielleicht ändert er seine Meinung noch?", Jonah versucht mich mit seiner Frage zu besänftigen und reibt mir mit seinen gutgemeinten – aber erlogenen – Worten die Erkenntnis weiter in die Seele.

„Wird er nicht.", gebe ich kühl zurück und zucke mit den Schultern. „Genug davon. Das alles...", ich stehe ruckartig auf. „Es hat eh keinen Sinn, also...", etwas holprig lasse ich die angehaltene Luft aus meinen Lungen. „Also brauchen wir auch nicht weiter darüber reden."

„Lilly, komm schon...", klagt Jonah, aber ich unterbreche ihn mit einer abwinkenden Handbewegung und laufe auf die Kommode zu, die einen Kasten mit toten Schmetterlingen auf sich trägt.

Ich für meinen Teil bevorzuge ja die lebenden Schmetterlinge, die sich auf dem Dach der Schule wimmeln, sobald die ersten Sonnenstrahlen rauskommen und meine Blumen beginnen zu blühen.

Jedenfalls als da noch Blumen standen.

Ein Stich durchfährt meine Brust, als ich daran denke, dass Dylan mein Paradies niedergemetzelt hat. Seine Wut an dem Tag – und ich kann es ihm nicht mal verübeln.

Unbewusst öffne ich die erste Schublade und nehme einen der Salbeigrünen-Umschläge heraus, die sich unter meinen zusammengelegten Klamotten versteckt halten. Eine Skizze von brennenden Lilien auf der Vorderseite mit dem Datum des Tages, als ich einen Fuß auf das Dach gesetzt habe und das Ausmaß meines Schachzuges gesehen habe. Ich traue mich nicht den Umschlag zu öffnen und frage mich, ob ich jemals so weit sein werde, die Briefe der vergangenen Tage zu lesen.

Vielleicht in ein paar Jahren, wenn der Schmerz der Trennung nicht wie ein Stein in meinem Herzen liegt, der mich tiefer und tiefer jenseits der Oberfläche in die Dunkelheit sinken lässt.

Irgendwann schaffe ich es mir die geschriebenen Zeilen meiner Gefühle und Geheimnisse durchzulesen, ohne zu brechen, in der Erinnerung schwelgend, was ich alles verloren habe.

Ich schiebe den grünen Umschlag mit der Zeichnung von Cupcakes über den mit der Skizze des Sensenmannes. Die dunkel-umrandeten Augen starren mich an, als sie hinter einer Kirsch-gekrönten Zuckergussglasur verschwinden.

„Wir haben noch gar nicht über dich gesprochen. Wo warst du heute Morgen?", lenke ich hastig ab und schließe schwungvoll die Schublade, welche dumpf knallend den Schmetterlingskasten zum Vibrieren bringt.

„Lilly...", probiert er es erneut, aber ich laufe schon auf ihn zu und starre ihn fordernd an. „Jetzt mal ernsthaft. Heute Morgen. Gestern Abend. Wo treibst du dich rum, wenn du nicht hier bist?", natürlich ist es ein Ablenkungsversuch, damit ich nicht mehr über mich sprechen muss, aber interessieren tut es mich dennoch.

Durch Jonahs geschlossene Augenlider sehe ich, dass er seine Augen rollt, während er genervt seufzt. „Du versuchst auszuweichen.", gibt er von sich und schaut zur Seite, während er sich am Hinterkopf kratzt. Ich gucke ihn nur mit undurchdringbarer Miene ins Gesicht.

Keeping SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt