Death Angel

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Lilly:

Meine Augen fahren nach oben. Durch die Baumkronen, in denen die zwitschernden Vögel singen und die ersten Morgenstrahlen begrüßen. Es ist 5 Uhr und ich laufe nach Hause. Meine High Heels in der Hand und Shawns Hoodie an meinem Körper.

Er konnte mich nicht fahren. Zu verkatert vom gestrigen Abend, oder zu müde, um sich aufzuraffen, aber es stört mich nicht.

Im Grunde denke ich, dass die frische Luft mir guttut. Jedenfalls besser als Shawns Zimmer, das nach Sex und Reue riecht.

Wir sind wieder zusammen und obwohl sich bei dem Gedanken alles in mir umdreht und meinen Körper zwingen will zu brechen, passiert es nicht. Stattdessen fühle ich nichts. Keine Trauer. Keine Wut. Nur Gleichgültigkeit, weil ich eh nichts daran ändern kann.

Nicht, wenn ich nicht will, dass meine ganze Familie unter meinem Egoismus leidet. Nicht, wenn ich will, dass Tyler ein Mal Ruhe in seinem Leben hat... durch mich hat er schon zu viel durchgemacht.

Meine nackten Füße treten auf die Fußmatte, bevor ich die Tür öffne.

Meine Eltern sind weg. Nur Tyler ist hier, was mir gerade Recht kommt. Denn ich habe ihm etwas Wichtiges zu sagen und so wie ich ihn kenne, wird das kein lockeres, leichtes Gespräch, sondern ein einziger Kampf.

Meine High Heels stelle ich ins Schuhregal, bevor ich die Treppe hochtänzle. Unter Tylers Schritten knarzt sie heftig, weil er mit jedem Schritt beinahe durch die Stufe tritt. Bei meinem Vater klingt es ähnlich nur langsamer und bei meiner Mom hört man immer die Absätze, der Schuhe, die sie auch im Haus trägt. So weiß ich ganz genau, wann ich aus dem Bett aufstehen und so tun muss, als wäre ich produktiv – auch, wenn ich gerade nichts mehr als gefaulenzt habe.

Ich stehe vor seiner Tür. Seit Wochen habe ich keine richtige Unterhaltung mehr mit ihm geführt. Er war sauer. Dann war er kalt. Alles, weil er hasst, was sich zwischen mir und seinem besten Freund abspielt. Abgespielt hat...

Ich habe ihm Dylan weggenommen.

Vermutlich wäre es mir egal, wenn ich nicht wüsste, dass er die Person ist, die Dylan jetzt als einzige wieder aufbauen kann. Auch wenn ich ihn dabei gegen mich wende – noch mehr als er es ohnehin schon ist. Tyler muss wütend auf mich sein. Nur so erreiche ich, dass er sich bei Dylan meldet. Nur in dem ich ihm sage, wie grausam ich Dylan weh getan habe.

Meine steifen Finger formen sich zu einer Faust, als ich sie gegen das Holz hämmere. Ich habe eh schon alle gegen mich gewandt und er hasst mich so oder so, deshalb ändert es nichts. Es bringt nur wieder seine Beziehung mit Dylan in Ordnung.

„Was?", als ich die Tür öffne, richtet Tyler sich auf. Er reibt sich durch die Haare, die in alle Richtungen schießen und fährt mit Daumen und Zeigefinger über seine Augenlider. Dann guckt er auf sein Handy.

„Fuck, Lilly. Was zur Hölle willst du? Es ist 5 Uhr.", prustet er genervt aus und lässt sich wieder auf das Kopfkissen fallen.

Ich trete ein Stück in sein Zimmer. Umklammere mit meinen roten Nägeln das Türblatt und halte daran fest, als ich anfange zu sprechen.

„Ich denke wir brauchen nicht darüber reden, dass du über die Beziehung zwischen Dylan und mir Bescheid weißt.", Tyler dreht sich zu mir und öffnet seine Augen. Zieht seine Brauen zusammen und setzt sich erneut auf. „Aber vielleicht solltest du wissen, dass es jetzt aus ist."

„Was hat er getan?", er schlägt die Decke weg und steht blitzartig auf. Kommt auf mich zu, bevor ich meine Hand ausstrecke und ihn fernhalte. Er darf mich nicht in den Arm nehmen. Mich nicht dafür trösten. Seine Hände umfassen dennoch meine Unterarme.

Keeping SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt