Lakeside

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Lilly:

Der Dachboden. Der lästige, dreckige Dachboden, vor dem ich mich als Kind gefürchtet habe, weil Tyler mich immer festgehalten und Spinnen über mein Gesicht gehalten hat.

Na schön, der Dachboden ist inzwischen ausgebaut. Umgebaut. Immer noch kälter als das Zimmer in dem Jonah schläft, aber wenigstens wunderschön.

Dunkles Holz ummantelt den Raum und die Schrägen, durch die ich mich an manchen Stellen ducken muss, lassen den Raum wie eine Höhle wirken. Die Vintage-Kommoden, der goldene Spiegel und die Ölgemälde bringen eine düstere Atmosphäre rein, die mich seltsam wohl fühlen lässt... wäre da nicht der Schaukasten mit toten Schmetterlingen an der Wand.

„Ich weiß nicht, wieso du dich beschwerst... das Zimmer ist doppelt so groß wie meins.", denkt Jonah laut und setzt sich auf die Einbaubank, die vor dem dreieckigen Giebelfenster steht. Er hat Recht. Es ist geräumig. Das Doppelbett ist unfassbar weich und durch das alte Fenster kann man direkt in den Garten und auf den dahintergelegenen See schauen.

„Tue ich nicht, alles gut.", erwidere ich schlicht und schaue auf mein Handy.

10 Anrufe in Abwesenheit, seit ich Shawn geschrieben habe, dass ich angekommen bin. Seit zwei Stunden.

„Was ist los?", ich richte meinen Blick ertappt hoch, als ich Jonahs ruhige Stimme höre.

Seine Augenbrauen sind wissen hochgezogen und er pustet genervt aus. „Sag bloß der Psycho macht jetzt schon Terror?", wir müssen beide lachen, als ich mich gegenüber von ihm auf die Bank setze.

Jonahs dunkelblonde Locken drücken sich an der Scheibe platt, als er schräg zu mir rüber schaut. „Er ist eifersüchtig.", erwidere ich knapp.

Mein Blick fällt runter an den Rand des Grundstücks, wo Dylan und Tyler auf der kleinen Asphaltfläche zwischen den Kiefern Basketball spielen, während unsere Eltern und die Mädels alles fürs Grillen vorbereiten.

„Ich kann es ihm nicht verübeln.", scherzt Jonah, als auch seine Augen sich zurück auf Dylan richten.

Ich werfe ihm ein Kissen entgegen, dass er gekonnt abfängt, bevor es sein Gesicht trifft. Ich muss schmunzeln, als meine Augen sich erneut nach unten richten.

Dylans Oberkörper ist braun gebrannt. Der Schweiß tropft von einer längeren Haarsträhne, die ihm ins Gesicht fällt, als er sich mit seinen Händen auf die Knie stützt und Tyler im nächsten Moment den Ball abnimmt.

Seine Sporthose sitzt so tief, dass der Ansatz seiner V-Linie deutlich sichtbar ist. Ich frage mich, ob sein Tattoo schon entblößt ist, aber von dieser Entfernung aus, kann ich es nicht erkennen. 

Ich beiße mir ungewollt auf die Lippe, als ich zu Jonah schaue, der mich wissend mustert.

„Nur, weil ich Schluss gemacht habe, bin ich nicht blind", verteidige ich mich und rolle mit den Augen, bevor ich aufspringe.

Du hast Schluss gemacht?", fragt er ungläubig.

Ich kneife meine Augen zusammen, als seine Worte bei mir ankommen. Idiotin.

„Was? Denkst du ich lasse mich abservieren?", frage ich locker, als hätte ich nicht gerade mehr verraten, als ich wollte.

„Willst du endlich drüber reden?"

„Es ist erst zwei Tage her.", erwidere ich gleichgültig, als wäre es keine große Sache.

Das sollte es nicht sein. Doch ich kann nicht aufhören darüber nachzudenken. Ich wurde noch nie geliebt. Nicht so. Sobald ich wusste, wie sich Liebe anfühlt, wurde es verdammt schwer, sie loszulassen. Das wird es auch noch eine Weile bleiben.

Keeping SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt