Lilly:
Mein Herz hämmert mit jedem Mal, dass ich meine Füße in den weichen Waldboden sinken lasse, gegen meine Brust. Die hohen Tannen ziehen an mir vorbei, als ich schneller werde. Meine Beine agieren von allein. Ich habe Schmerzen bei jedem Schritt, aber mein Kopf ist abgeschaltet und mein Körper tut einfach nur das, was er soll.
Rennen. Laufen, so schnell und so weit ich kann, um zu vergessen und ein paar Minuten länger Ruhe vor meinen eigenen Gedanken zu haben.
Es ist friedlich. Um 6 Uhr spiegelt die Morgensonne sich auf dem See zu meiner rechten und die Welt ist still. Ich bin ein Mal um den gesamten See gelaufen, inzwischen schon seit 1 ½ Stunden unterwegs und völlig durchgeschwitzt.
Meine Schritte verlangsamen sich, als ich das große Anwesen zwischen den Bäumen hervorblitzen sehe. Seit dem letzten Mal, als wir hier waren, hat sich einiges geändert.
Das Dach wurde mit neuen dunklen Dachplatten bedeckt und einige Akzente sind in dem gleichen dunklen Ton gestrichen. Nur der Rest des Hauses ist weiß und nicht mehr in dem ursprünglichen Braunton.
Mir gefällt es. Es ist neu und modern. Dennoch vermisse ich die Maserung des Holzes, die durch die leichte Lasur deutlich zu sehen war. Die Striche an der Stütze im Wohnzimmer, wo wir markiert haben, wie groß wir waren. Jeden Sommer.
Ich vermisse sogar den alten Steg, obwohl er links durchbrochen war, weil Dylan mit 11 von dem Dach des Bootshauses gefallen und auf dem Holz gelandet ist. Er hat sich das Bein dabei gebrochen. Vielleicht doch nicht eine meiner schöneren Erinnerungen an diesen Ort...
Die erste Erinnerung an den neuen Steg, werde ich nicht allzu bald vergessen. Die Leere in seinen Augen, als ich ihm ins Gesicht gelogen habe, damit er mich vergisst. Als ich gesagt habe, dass ich Shawn liebe. Die Wut, mit der er den Schuh von meinem Fuß gerissen hat, damit ich nichts von ihm habe. Nichts, was mich an ihn erinnert – an unsere gemeinsame Zeit.
Ich atme tief ein und aus, während ich auf dem Schotter an dem Gästehaus vorbeilaufe, indem meine Eltern schlafen. Meine Mutter ist vermutlich schon wach und ich habe gerade wirklich keine Lust ein Gespräch darüber zu führen, wie das Joggen war.
Als ich zur Hintertür laufe, die immer auf ist, kann ich meinen Augen kaum trauen.
„Träume ich?", ich grinse, als ich die Treppe hoch auf die Terrasse trete und bei Hannah ankomme, die ungewöhnlicherweise schon wach ist.
Sie dreht sich nur um und nickt mir kurz zu, bevor sie aufsteht.
Ihr Blick ist ernst und als sie mit ihrem Kaffee in der Hand auf mich zukommt, weiß ich, dass das nicht nur daran liegt, dass sie ein Morgenmuffel ist.
„Kann ich mit dir sprechen?", fragt sie eindringlich, woraufhin ich nur nicke.
Was auch immer jetzt kommt... es ist nichts Gutes. Ihre Hand um die Tasse gewickelt, lehnt sie sich mit dem Rücken gegen das Geländer.
Ich stelle mich direkt neben sie und beobachte sie eindringlich.
Die gleichen Schokobraunen Haare, die auch Dylan hat, sind zu einem wirren Dutt gebunden und sie trägt noch immer ihren Schlafanzug. Kommt sie extra aus dem Bett, um mit mir zu sprechen?
„Was ist das mit meinem Bruder, Lilly?", Hannah trifft mich unvorbereitet und ich weite ungewollt meine Augen, als ich mich keine Sekunde später wieder fange und versuche meine Maske zu richten.
Hannahs direkte und unverblümte Art und Weise ist etwas, dass ich schon immer an ihr bewundert habe. Sie weiß, was sie will, und sagt, was sie denkt.
„Worauf willst du hinaus?", ich hingegen habe immer nur gelernt niemandem zu zeigen, was in mir vorgeht. Zu manipulieren, wo ich nur kann und zu lügen, wenn es mich weiterbringt.
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Keeping Secrets
Teen FictionLilly Matthews hat alles, wovon ein junges Mädchen träumt. Eine reiche Familie, einen perfekten Freund und einen unkaputtbaren Ruf als Fall River's Prinzessin. Sie manipuliert und intrigiert rücksichtlos. Eiskalt und undurchdringlich, um Geheimnis...