Power and Safety

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Tyler

Ein trotziger, höhnisch lachender Ton verlässt seinen Bauchraum, als er sich durch die verwuschelten Haare fährt und im Klappstuhl zurücklehnt. Ein schiefes Grinsen ziert fälschlich sein Gesicht und seine halb geschlossenen Augen werden von dunklen Ringen ummantelt, als er sich die Bierflasche an die Lippen führt. „So schlecht küsse ich nicht, Tyler.", witzelt er, bevor er einen Schluck nimmt und mich ansieht.

Er ist genervt. Genervt davon, dass ich ihn ausfrage über vorgestern. Über den Abend als meine kleine Schwester tränenüberflutet gegen mich gestoßen ist. Es nicht ausgehalten hat mit mir darüber zu sprechen und weiter in ihr Zimmer gerannt ist.

Nicht viel später hat er es ihr gleichgetan und ist nach oben gegangen, als ich ihn gefragt habe, was passiert ist. Obwohl ich wütend bin, weil sie Dylan vor ein paar Wochen das Herz rausgerissen hat, hat sich mein Beschützerinstinkt direkt gemeldet.

Was mache ich mir vor? Allmählig ist die Wut verklungen; vielleicht, weil er selbst ihr nicht mal mehr böse ist.  Was übrig bleibt ist das Mitgefühl.

Sie hat mehr durchgemacht als auch nur eine Person wüsste. Ich behaupte nicht, dass ich alles weiß. Ich weiß einen Teil. Ein Teil, der mich traumatisiert hat und mich sie für immer beschützen lässt.

„Ich behaupte nicht, dass euer komischer Pflicht-Kuss der Auslöser dafür war, okay?", erwidere ich und spreche ihn direkt an.

Auch, wenn ich glaube das Dylan nicht wirklich von seiner eigenen Aussage überzeugt ist, bin ich es. Er sieht zögerlich auf seine Finger und knibbelt nervös an dem Etikett.

„Tyler was ist, wenn es das doch war?", sein Blick trifft meinen, als ich meine Brauen zusammenziehe. „Sie hat mir vorher verboten sie zu küssen."

„Wann?", frage ich perplex.

„Als wir was hatten auf dieser dummen ‚Freitag der 13te' Party.", er stämmt seine Stirn in die Hände und seufzt aus.

Davon hat er mir nicht erzählt. „Ihr hattet wieder was?"

Er stockt und zieht seine Brauen hoch. „Du wusstest nichts davon?", ich schüttle meinen Kopf. „Ja, naja. Wir sind uns ein paar Mal nähergekommen. Sie hat es wieder versucht. Diesmal offen und ehrlich. Mir offen gesagt, was sie von mir will. Keine Beziehung. Nur Sex. Ich habe mich nicht drauf eingelassen... jedenfalls nicht richtig... schätze ich.", er kratzt sich überfordert am Hinterkopf.

Ich schaue ihn mit geweiteten Augen an. Wann zur Hölle ist das alles passiert? Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, aber die beiden sind schlimmer als Brooke und ich in unseren Top 3 dramatischsten Momenten. Bei Lilly und Dylan ist es ein ständiges Auf und Ab und mit dem Wechsel dazwischen sind sie schneller als Usain Bolt.

Ich atme tief ein und kneife meine Augen zusammen, um meinem Kopf die Chance zu geben die neue Information zu verarbeiten. Als ich sie wieder öffne, schaue ich direkt hoch zu Lilly Fenster. Vom Basketballplatz aus, kann man zwischen einigen wenigen Tannen in ihr Zimmer gucken. Der Sonnenuntergang spiegelt sich in ihren Glasscheiben, aber dennoch kann ich erkennen, wie sie zwei Kleidungsstücke hochhält und vermutlich gerade Jonah präsentiert, um seine Meinung zu hören. Gerade noch haben wir sie die Treppe der Terrasse hochgehen sehen, als sie von ihrem Lauf nach Hause kam, und nun macht sie sich für die Familienfeier fertig. Kennt man sie nicht, wirkt sie wie ein ganz normales Mädchen. Ein ganz normales Mädchen, welches lächelnd mit ihrem Kumpel bespricht, was sie anziehen wird und sich dabei ganz sicher nicht anmerken lässt, was eigentlich in ihr vor sich geht.

Ich kann niemanden dafür verurteilen, dass er nicht sieht, was sich hinter der Fassade verbirgt. Sie versteckt es so gut. Die Wut, Trauer... die Angst. Sie versteckt es seit Jahren.

Keeping SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt