Teil 1 - Tribute

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24. Einzeltraining

Die Nacht schleicht vorüber, doch das Kapitol scheint nichts von Schlafen zu halten. Riesige Leinwände erhellen die Nacht, die entweder die neuste Modekollektionen von einem Stylisten anpreisen oder die strahlend weißen Zähne von Ceasar Flickerman präsentieren, der Werbung für einen Zahnarzt macht. Plakate sind an den Betonwänden der Hochhäuser befestigt, die die Gesichter von uns Tributen zeigen. Wobei ich öfter das Gesicht von Cato und mir erkennen kann, aber auch das Gesicht von Katniss. Autos bevölkern die Straßen und hupen, wenn der Vordermann nicht schnell genug fährt. Menschen stolzieren in schrillen Farben und komischen Konstruktionen, die Kleider darstellen sollen, über den Gehweg und grölen lautstark herum, ganz so, als seien sie betrunken. Erst gegen Morgengrauen lassen der Verkehr und die Hektik der Menschen nach. Es wird fast still auf den Straßen des Kapitols

In dieser Stille hinein kommen die Avox in den Speisesaal und decken den Tisch mit dem kostbaren Geschirr und haufenweise an Köstlichkeiten. Während sie ihre Arbeit verrichten, machen sie einen Bogen um den Stuhl auf dem ich sitze, so als rechnen sie damit, dass ich sie ansprechen und damit in Schwierigkeiten bringen könnte. Doch mir ist nicht nach reden zumute.

Ich sitze auf den Stuhl, die Beine habe ich angewinkelt und die Arme darum geschlungen. Doch die Geste kann mir nicht helfen das Gefühl zu vertreiben, auseinander zu brechen. Die Tränen sind schon vor Stunden versiegt, genauso wie meine Atemnot verschwunden ist. Zurück geblieben ist die Einsamkeit und der Schmerz der meinen Körper betäubt, mein Herz zerreißt und meinen Verstand vernebelt. Ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt mich von dem Balkon zu werfen. Es ist mir aber nicht richtig vorgekommen einfach so aufzugeben. Außerdem stimmt es wirklich, dass ein elektronisches Kraftfeld uns Tribute daran hindert zu springen. Ich musste nur die Hand ausstrecken um das Flimmern auf meiner Hand zu spüren.

Außerdem habe ich schon vorher gewusst, dass Cato mich hasst. Nun weiß ich wieso. Dass es mich so aus der Bahn wirft, damit habe ich nicht gerechnet. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sein Hass auf mich so groß ist, so ausgeprägt und tief sitzend. Es ist schwer es zu begreifen und es tut weh es zu akzeptieren, doch es muss mir dabei helfen, über Cato hinweg zu kommen und mich auf mein eigenes Ziel zu konzentrieren. Heil zu Saphire und Rubin zurück zu kehren.

Deswegen konnte ich auch nicht springen. Aufgeben steht nicht zur Debatte, vor allem jetzt nicht mehr. Morgen Abend sind die Interviews, was bedeutet, dass es übermorgen in die Arena geht. Schon allein der Gedanken an die Ungewissheit lässt mein Herz schneller schlagen. Was wird mich wohl erwarten? Ich muss mir dringend eine Strategie ausdenken. Denn sicher ist, dass ich nicht bei den Karrieros bleiben kann, so wie es Enobaria, Rex und Cato von mir erwarten. Wenn ich morgen Abend bei den Interviews punkte und das Kapitol dazu bringe, mir die Rolle der Göttin zu glauben, dann werde ich sofort zum Hauptangriffsziel. Glimmer und Tara werden nicht zögern, mich sofort bei der nächstbesten Situation umzubringen und Cato ist auch froh, wenn er mich los würde. Ich habe bessere Chancen, wenn ich bei der erstbesten sich ergebenen Chance die Flucht zu ergreife und ab warte, bis die Karrieros die meisten der Tribute erledigt haben.

Eine Bewegung zu meiner linken lässt mich aus meinen Gedanken schrecken. Die blonde Avox in der weißen Tunika, die an meinem ersten Tag hier die Torte angezündet hat. Sie kommt mit einem vollem Wasserkrug auf mich zu und hebt ein leeres Glas in ihrer anderen Hand leicht hoch, so um mich zu fragen, ob sie mir etwas eingießen soll. Ich nicke und nehme dankend das gefüllte Wasserglas an. Das Wasser ist eisig kalt und hinterlässt eine eisige Kälte in meinem Inneren. „Danke", flüstere ich heiser und rau. Und das meine ich ehrlich. Das kühle Wasser lindert meine Schmerzen und meine kratzende Kehle.

Sie nickt und dreht sich wieder weg, aber ich halte sie auf. „Warte", sage ich laut und lasse meine Füße vom Stuhl gleiten, so dass sie auf dem Boden stehen. Schlagartig wird mir kalt und das Gefühl des entzwei Brechens setzt wieder ein. Darauf kann ich mich jedoch nicht konzentrieren. „Kannst du bitte Enobaria und Rex wecken? Ich muss dringend mit den beiden reden." Die anderen Avox haben mit ihrem Handeln aufgehört und nun fangen sie nervös wieder an ihre Aufgaben wieder aufzunehmen. Jeder vermeidet dabei in die Nähe von der blonden Avox zu kommen. Diese nickt lächelnd und eilt dann mit dem nur noch halb vollem Wasserkrug hinaus.

Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt