Teil 3 - Sieger

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50. Zweifel und Respekt

„Wie machst du das nur?"

Begeistert schaut sich Cato das Festmahl an, das man uns geschickt hat. Es beinhaltet zwei Laibe Brot, Ziegenkäse, Hönig, Äpfel und drei unterschiedliche Suppen und Eintöpfe. Die Sponsoren denken, dass sie uns einen großen Vorrat geschenkt haben, doch sie kennen Catos Essgewohnheiten nicht.

„Nur damit das klar ist", sage ich und schlage Cato auf die Finger, mit denen er sich einen Apfel stibitzen wollte. „Deine Diät ist noch nicht aufgehoben", ermahne ich ihn und drücke ihm die aufgefüllte Schüssel in die Hände. „Wir können es uns nicht leisten, Essen einfach zu verschwenden."

„Du hast Recht", sagt Cato verdrießlich. Trotzdem stellt er seine Schüssel zur Seite, um eine Terrine zu öffnen. Wehleidig zieht er den Geruch des Lammeintopfs durch die Nase ein, bevor er den Deckel wieder schließt und die Terrine zur Seite stellt. „Wie kriegst du es nur hin, dass die Sponsoren uns so was schicken?"

Ich krieche wieder in meinem Schlafsack und versuche meine Beine anzuwinkeln, um mich einzuigeln. „Ich weiß nicht", sage ich ehrlich und ziehe den Schlafsack bis unter die Nasenspitze. „Ich bin charmant. Außerdem bin ich eine Frau – Männer haben immer das Bedürfnis Frauen zu helfen", grinse ich.

Cato dreht sich zu mir um und lacht sein typisches Du-hältst-dich-für-etwas-besseres?-Du-bist-nicht-besser-als-der-Dreck-unter-meinen-Schuhen-Lachen. Es ist dieses Lachen, das mir im Distrikt mehrere Male das Herz gebrochen und mich wütend gemacht hat. Nun zucke ich nur mit den Schultern, um zu zeigen, dass mich diese Art der Beleidigung nicht trifft.

„Willst du nichts essen?", fragt Cato um das Thema zu wechseln. Er schaut fragend auf den Schlafsack hinab, in dem ich fast komplett verschwunden bin.

„Nein, mir ist nicht so gut", gebe ich zu und versuche ein Zitteranfall zu unterdrücken. „Ich glaub, ich hab mich mit dem Sitzen schon verausgabt. Ich werde einfach versuchen, mich etwas auszuruhen. Wenn das für dich in Ordnung ist", füge ich noch hinzu.

„Natürlich", sagt Cato, der sich schon wieder über mich beugt. „Kommt das Fieber wieder? Musst du vielleicht noch eine Tablette nehmen?" Mit seiner Hand befühlt er meine Stirn. Ich umschließe sie mit meiner und ziehe sie von meinem Gesicht weg.

„Ich brauch nur etwas Schlaf. Danach sollte es besser werden. Wehe du isst etwas von unseren neuen Vorräten!", ermahne ich ihn. Cato lacht, er küsst meine Stirn, dann verschwindet er aus meinem Blickfeld. Aber ich kann die Kelle im Topf kratzen hören und beruhigt schließe ich die Augen um zu schlafen.

Mit dem Schlaf kommen die Zweifel, die ich seit Wochen versuche zu verdrängen. Nämlich die Tatsache, dass ich mich Cato völlig hingebe, während ich weiß, dass alles was er sagt gelogen und geschauspielert ist. Es fühlt sich so echt an, es lässt mich glauben, dass jede sanfte Berührung, jeder Kuss echt ist, dass er wirklich das fühlt, was er nach außen hin ausstrahlt. Und so schön der Gedanke, das Gefühl ist, daran zu glauben, dass seine Gefühle echt sind – ich kenne Cato schon mein ganzes Leben an. Ich weiß wie grausam und kalt er ist. Und ich kann mich noch ganz genau an seine Worte im Trainingscenter erinnern.

Du bist unheimlich stark und talentiert. Du hast dich nie unterkriegen lassen. Dafür hasse ich dich. Weil du verbissen weiter machst, weil du besser bist als ich und vor allem weil du die Welt hasst in der wir leben. Ich will dir wirklich nicht helfen, alles kaputt zu machen, wofür wir stehen. Aber es bietet mir ironischer Weise genau das was ich will. Den Sieg. Ich weiß absolut nicht wieso, aber ich sehe wie dir das hier alles zusetzt und dafür hasse ich dich noch mehr. Denn wenn du dich nicht bald wieder in den Griff kriegst, dann wirst du nicht nur dir den Sieg vermasseln, sondern auch mir.

Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt