Teil 3 - Sieger

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53. Das Finale beginnt

Cato sieht mich mit gerunzelter Stirn an, als habe ich den Verstand verloren. Vielleicht habe ich das für ein paar Minuten sogar. Aber nun bin ich wieder klar bei Verstand. Ich muss mich noch mehr beruhigen, damit er mir wirklich glaubt.

„Warum hast du dann diese Beeren gesammelt, wenn sie so tödlich sind?", will Cato von mir wissen.

Hilflos zucke ich mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich habe sie einfach nicht erkannt. Sie haben so süßlich gerochen, sie sahen überhaupt nicht giftig aus. Hätte Fuchsgesicht sie nicht gegessen und wäre ich nicht über ihre Leiche gestolpert, im wahrsten Sinne des Wortes, dann wärst du – dann hätte ich dich –" Mir bleiben die Wörter im Mund stecken. „E-entschuldige, ich hatte Angst, dass ich zu spät kommen könnte. Und dass ich dich – dass ich dich – " Ich kann es nicht sagen, will es nicht sagen.

„So leicht wirst du mich nicht los", sagt Cato. „Es braucht schon mehr als ein paar Beeren um mich umzubringen."

Auch auf dieser Distanz kann ich seinen Geruch wahrnehmen. Er riecht nach Heimat, nach Sonnenschein und den Staub auf dem Trainingsgelände. Er duftet nach den Bäumen, die es bei uns im Distrikt gibt. Seine starken Arme, sein Herzschlag, sein Geruch, ja er selbst, sind die Dinge, die mich daran hindern, völlig den Verstand zu verlieren.

„Erkennst du die Beeren wirklich nicht?", frage ich und werfe die Beere in meiner Hand wieder zu Boden.

„Morsbacas, oder?", fragt er dann unsicher, den Blick nach unten auf dem Boden gerichtet, wo sich die Beeren verstreut liegen.

„Ja", hauche ich bedrückt und bestätige ihn.

Zum ersten Mal wir ihm das Ausmaß der Situation bewusst. Er packt meine Oberarme noch fester und muss ein Schaudern unterdrücken.

Ich hätte nie gedacht, dass Cato tatsächlich vor etwas Angst haben könnte. Er wirkt nicht wie jemand, der sich vor etwas fürchtet. Jemand der den Tod nicht fürchtet hat schließlich auch vor nichts anderem Angst. Er kennt allmögliche Arten, seinen Gegner zu töten, bevor er getötet werden kann. Im Distrikt hielt er mich für gut, talentiert, aber auf keinster Weise hielt er mich für besser. Und dann habe nicht nur ich ihn übertroffen, sondern auch noch Katniss, ein schmales, ausgemergeltes Mädchen aus einem Außendistrikt. Es hat ihn in seinem Glauben an seine Unbesiegbarkeit verletzt. Nun hat es sich Cato in den Kopf gesetzt, Katniss zu töten und sie für seine Demütigung besonders leiden zu lassen. Müssten wir kein Liebespaar spielen, hätte er mich schon versucht am Anfangsgemetzel umzubringen. Wie sollte so jemand Angst vor etwas haben?

Und doch sehe ich nun die Angst in seinen Augen blitzen. Nicht vor einer anderen Person, nicht vor einer Mutation der Spielmacher, nicht einmal vor dem Tod selbst. Er hat Angst vor tödlichen Beeren, die ihm einen schwachen Abgang beschert hätten, einen unbedeutsamen, lächerlichen Tod.

Dann spannen sich seine Muskeln an, zucken, als würde er sich gegen etwas wappnen.

„Da ist ein Lagerfeuer, Lian. Bereit Thresh gegenüber zu treten?"

Ich löse mich aus Catos Griff und drehe mich in die Richtung, in die Cato blickt. In weiter Ferne sieht man die Rauchschwaden eines Lagerfeuers durch die Bäume hindurch. „Das ist nicht Thresh", erkläre ich sachlich und drehe mich zurück zu Cato. „Ich habe vorhin Katniss und Peeta belauscht. Sie haben sich über irgendwelche verschwundenen Vorräte gestritten. Peeta wollte Katniss mit irgendwelchen Beeren besänftigen, aber in diesem Moment wurde schon die Kanone abgefeuert." Ich mache eine Pause und runzel die Stirn. „Ich hätte es wissen müssen", stoße ich dann aus.

Jetzt komme ich nicht mehr drum herum, Cato alles zu erzählen. Ich erzähle ihm, wie ich vermute, dass Jaqueline sich von anderen Leuten der Vorräte ernährt hat. Und dass sie vermutlich zum Schluss kam, dass die Beeren, die Peeta gesammelt hatte, genießbar wären. Sie hatte ja keine Ahnung, dass Peeta überhaupt nicht wusste, wie giftig die Beeren waren, die er gesammelt hatte. Ihr eigenes Ende.

Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt