Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]

Teil 1 - Tribute

12. Die Ernten-Übertragung

   „Das gefällt der Akademie gar nicht“, weißt mich Enobaria sogleich zu recht. „Du wusstest doch das Clove ausgesucht wurde.“

   Ich verdrehe die Augen und lehne mich zurück. „Aber ich bin besser als sie“, sage ich trotzig. Es stimmt auch, doch das als Ausrede zu nutzen, weil ich ihnen schlecht sagen kann, dass ich mein Versprechen halte, zerreißt mich innerlich. Die Wahrheit jedoch würde keiner der hier Anwesenden verstehen. Es werden keine festen Freundschaften geschlossen, dafür ist nach dem 18. Lebensjahr noch Zeit. Deshalb tu ich das einzige, was die vier verstehen. Mit meinem Können protzen.

   „Das wissen wir, 259“, antwortet mir Rex grinsend. Verärgert darüber, dass er mich mit der Nummer anspricht, die wir von der Akademie zugeteilt bekommen, sobald wir alt genug sind um zu trainieren, knirsche ich mit den Zähnen und mein Geschichtsausdruck verhärtet sich. „Du standest erst an Cloves Stelle.“

   „Wie bitte?“, frage ich erstaunt nach. Ich sollte ausgewählt werden? Und wieso war es dann Clove gewesen?

   „Du warst die erste Wahl der Akademie. Doch dann wurde dein Freund, 233, hingerichtet. Die Akademie befürchtete, dass du in der Arena nicht bei Sinnen wärst und dir der Sieg entgeht. Deswegen haben sie Clove gewählt.“

   Nicht bei Sinnen. Sie meinten, dass ich den Nicholas Tod nicht verkraften kann und Selbstmord begehen würde? Dass ich nicht aufmerksam genug sein würde? Oder dass ich mich gegen das Kapitol stelle? Einen Moment denke ich darüber nach. Hätte ich den Freifahrtschein vor Nicholas Hinrichtung bekommen, dann, so bin ich mir sicher, wäre ich tatsächlich nicht bei Sinnen gewesen.

   „Wie gut das ich gewinnen werde“, sage ich hochnäsig und recke mein Kinn ein bisschen in die Höhe.  Alles in mir widerstrebt meinen Worten, aber ich weiß, dass sie nötig sind.

   Cato sieht mich scharf an. Dabei hebt er eine Augenbraue und lächelt höhnisch. Er weiß, dass es nicht meine Art ist, so etwas zu reden und es auch niemals freiwillig tun würde. Deshalb lehnt er sich zurück und genießt es, wie ich mich immer mehr in meinen Untergang reite. „Ach ja?“, wirft er dümmlich grinsend ein, wofür er meinen Todesblick bekommt.

   „Das könnt ihr immer noch in der Arena klären“, unterbricht uns Enobaria mit ein klatschen in den Händen. „Lasst uns die Wiederholungen der Ernten angucken.“ Sie wendet sich dem Bildschirm zu. Nacheinander schauen wir uns die Ernten an. Enobaria schärft Cato und mir ein, dass wir besonders auf die Tribute aus Distrikt 2 und 4 achten sollen, weil sie später unsere Verbündete werden können. Doch auch die anderen sollen wir uns genau angucken, denn manchmal haben auch die Außendistrikte gute Tribute. Es ist selten, aber es kommt vor.

   Als ersten wird das Wappen von Distrikt 1 eingeblendet. Danach sehen wir, wie ein Mädchen, mit wallenender, blonder Mähne, üppigen Rundungen und kleegrünen Augen, selbstbewusst auf die Bühne tritt. Sie nennt sich Glimmer, für mich ein absolut hässlicher Name. In Catos Blick liegt so etwas wie Begierde. Eifersucht keimt in mir auf. Doch sie verfliegt schnell wieder, als ich Glimmer von der Nähe betrachte. Sie ist wirklich ein Blickfang. Gegen sie werde ich den Konkurrenzkampf um Cato verlieren. Sie ist tausendmal hübscher als ich. Und das findet Cato auch, dass lese ich in seinem Blick.

   Ihr Mittribut ist Marvel, ein hochgewachsener Junge, mit ernstem Gesichtsausdruck. Auf mich macht er nicht den Eindruck, als ist er der Killer, den er versucht zu imitieren. Das Gefühl in mir sagt, dass er nicht im Geringsten so ist, wie er gerade versucht zu sein. Und das macht ihn für mich sympathisch. Denn so wie ich, versucht er jemand zu sein, den das Kapitol haben will, nur damit einer von uns überlebt. Nur tu ich dies aus anderen Gründen wie er.