Teil 1 - Tribute

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3. Der Todestag

   Mit zusammengepressten Zähnen gehe ich zurück zu Nicholas, der vor einer der Bänke steht und Stone nicht aus den Augen lässt. „Das ist krank“, schnaubt er, als ich ihn erreiche und neben ihm stehen bleibe.

   „Nicht hier“, fauche ich ihn an. Ist er denn des Wahnsinns? Wenn ihn hier ein Friedenswächter hört, ist er tot. Mehr als tot. Angst macht sich breit. Auch ich äußere meine Meinung laut, aber ich weiß wo die Grenzen sind. Hier sind duzende von Friedenswächtern. Bei den Stationen, beim offenen Feuer, bei den Bänken. Gerade ist in der Nähe keiner, ab das kann sich ändern.

   „Doch, genau hier!“, fährt mich Olas an und ich zucke zurück. Das hat er noch nie getan. „Sieh dir doch an, wie dieser Idiot meinen Bruder quält. Als ob das was ändern würde. Wenn Stone ausgelost wird, dann ist er tot, bevor die erste Minute in der Arena einbricht“, regt er sich weiter auf. Seine Halsschlagader sticht heraus, seine Augenbraue zuckt. Kein gutes Zeichen.

   „Olas, ich weiß das doch selber. Aber nicht hier!“, versuche ich erneut ihn zu beruhigen und ergreife seine Hand, dich ich fast zerquetsche. Merkt Olas denn nicht, wie viel Angst ich um ihn habe?

   „Diese Spiele sind absoluter Mist, sage ich dir. Was bringt uns das ganze Training, wenn man doch eh weiß, dass man nicht aus der Arena kommt?“, macht Olas allerdings weiter, als würde er mich gar nicht wahrnehmen.

   „Olas, bitte!“, flehe ich ihn jetzt regelrecht an. Ganz in der Nähe steht jetzt ein Friedenswächter, der zwar so tut, als würde er sich nicht für uns interessieren, aber angestrengt lauscht. Ich lege Olas meine Hände auf die Brust, presse meinen Körper gegen seinen und blicke zu ihm hoch. Früher hat meine Körpernähe Olas immer beruhigt, vielleicht wird das jetzt nicht anders sein. „Bitte, lass es gut sein! Nicht hier! Ich bitte dich, Nicholas!“ Tränen brennen in meinen Augen. Olas muss nur runter gucken und er sieht mich weinen. Er kann es nicht haben, wenn ich weine, doch er guckt nicht runter. Nun  überkommt mich die Angst. Kann der Friedenswächter uns hören? Wird er kommen und Olas töten? Ihm eine Kugel ins Gehirn jagen?

   „Warum denn? Was ändert das?“ Er reagiert gar nicht. Als würde ich gegen eine Wand reden. Er hört mir gar nicht zu, stattdessen tritt er sogar von mir zurück. „Der Sinn dieser Spiele ist nicht, Ehre für seinen Distrikt zu holen, sondern der, uns zu zeigen, wo wir stehen und wie sie mit uns umgehen können. Die Leute im Kapitol sind genauso dämlich wie der Präsident selbst.“

   „Nicholas!“, schreie ich ihm entgegen, doch zu spät.

   Die massige Hand legt sich um Nicholas Hals und zieht ihn in die Luft. Vor Entsetzten reißt Olas die Augen auf. Der Friedenswächter hat ihn gehört. Und jetzt ist es aus. Viel zu spät, erfasst Nicholas die Situation und beginnt sich zu wehren. Er strampelt wild mit den Beinen in der Luft, seine Fäuste hämmern auf die Arme des Friedenswächters ein, damit er loslässt und ein Röcheln verlässt seine Lippen. Ich weiß nicht was ich tue, aber ich greife ein. Im Nu entsteht ein Handgemenge aus drei Friedenswächtern, Nicholas und mir.

   „Lasst ihn los!“, brülle ich und werde von zwei Friedenswächtern nach hinten gezogen, weg von Olas und den anderen. „Er weiß nicht was er da sagt. Lasst ihn los!“ Panik überfällt mich. Ich weiß, dass das alles keinen Zweck hat, das ich mich selber in Gefahr bringe, indem ich so handel, aber Olas ist mein bester Freund. Ich muss ihm helfen. Und ich werde nicht aufgeben, bis ich ihn aus dieser Lage befreit habe. Er ist immer für mich da, hat mich aus allem rausgehauen, jetzt bin ich dran.

   „Lian, hilf mir!“, röchelt Nicholas, die Luft bleibt ihm weg und er verdreht die Augen nach innen, als der Friedenswächter ihn kräftiger um den Hals fasst. Mein Herz pocht wild in meiner Brust bei diesem Anblick, mein Kopf ist wie leer gefegt.

Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt