Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]

Teil 2 - Spiele

29. Leichen

   Dank Marvel wird nicht weiter protestiert. Er packt die beiden Mädchen an den Oberarmen und zieht sie von mir fort. Bevor er sich ganz wegdreht schenke ich ihm ein leichtes Lächeln und nicke ihm zu. Während die anderen nun die Waffen aufsammeln, ziehe ich Samuel hoch und schiebe ihn vor Peeta. Beide sind wie versteinert. Peeta sieht aus, als wolle er flüchten, wird aber weiterhin von Catos Schwertspitze im Rücken festgehalten. Ich werfe Peeta das Messer zu, das er verdutzt auffängt. Samuel bekommt eines von meinen. Mit zittrigen Händen nimmt er es entgegen. „Ihr habt Cato gehört. Wer diesen Kampf überlebt, den nehmen wir als weiteren Verbündeten. Los jetzt." Mein Ton ist barsch und auf mein Kommando stößt Cato Peeta mit der Spitze auf Samuel zu.

   Samuel holt mir der Klinge aus und trifft Peeta am rechten Arm. Dieser ist so überrascht, dass er vergisst sich zu wehren. Samuel tritt ihm einmal gegen das Schienbein und Peeta schreit auf. Ich bin mir sicher, dass der Kampf schnell vorbei sein wird und wende mich ab.

   Die anderen haben schon die Waffen beiseite geschafft und sind nun dabei die Leichen zum Waldrand zu schaffen. Selbst Glimmer hilft mit. Marvel zerrt mit aller Kraft an einer Jungenleiche um sie vorwärts zu bewegen. Ich will nicht hinsehen, doch mein Blick wird magisch angezogen. Mein Blut gefriert in den Adern, als ich in Imanols leere Augen schaue. Es schaudert mich bei dem Gedanken, dass ich ihn umgebracht habe, dass ich sein Leben genommen habe.

   Ich widme mich der Leiche vor meinen Füßen. Kalia. Nun legt sich endgültig die eiserne Schlinge um meinen Hals und schnürt mir die Luft zum Atmen ab. Kalia liegt auf dem Bauch, mit dem Gesicht im Boden, aber ich habe sie trotzdem erkannt. An ihren Haaren und ihrer Statur. Zwischen ihren Schulterblättern ist ein klaffendes Loch, aus dem noch Blut quillt.

   Ich drehe sie mit aller Kraft auf den Rücken, presse meine drei mittleren Finger der rechten Hand auf meine Lippen und lege sie dann auf Kalias bläuliche und kalte Lippen. Dann schließe ich ihr die Augen, damit sie nicht mehr starr und trüb die Grausamkeit dieser Welt sehen muss. Ich greife nach ihren kalten Händen und versuche sie in Richtung Waldrand zu schleifen. Doch ihr Körper ist zu schwer, so als habe sie nach dem Tod Tonnen an Gewicht zugelegt. Da kommt Marvel und nimmt ihre Füße. Zusammen tragen wir sie zum Waldrand und legen ihre Leiche neben der von Leigha, deren Kehle aufgeschlitzt worden ist.

   Ich traue mich nicht zu zählen, wie viele Leichen hier liegen. Stattdessen drehe ich mich einfach um und helfe Marvel mit der letzten Leiche, die am Füllhorn liegt. Ich schaue sie nicht an, weil ich es nicht ertragen kann noch ein weiteres ausgelöschtes Leben zu sehen. Ich habe das Gefühl, von allen klebt das Blut an meinen Händen. Und dieses Gefühl macht mich wahnsinnig.

   Marvel und ich lassen die Leiche neben Kalia fallen. Die anderen sind schon zum Füllhorn zurückgekehrt, wo Peeta und Samuel noch immer kämpfen. Auch Marvel wendet sich von den Leichen ab. Doch ich bleibe stehen und zwinge mich die Leichen anzusehen, die Menschen zu zählen und ihnen meinen Respekt zu zollen. Vor mir liegen neun Leichen. Kalia aus Distrikt 3, Chris aus Distrikt 5, Ashton und Kara aus 6, Sam und Leigha aus 7, Imanol und Annie aus 9 und zu Letzt Dakota aus Distrikt 10. Eine eiserne Faust umschließt mein Herz und drückt es zusammen, eine weitere Hand legt sich schwer auf meinem Magen. Mit allen von ihnen habe ich beim Training noch geredet. Ich kenne ihre Geschichten, ihr Leben, soweit sie es mir anvertraut haben. Ich kann sie nicht einfach hier liegen lassen, als hätten wir uns nicht gekannt, denn so stimmt es nicht. Ich habe sie nicht gut gekannt, aber so gut wie es die wenigen Stunden miteinander erlaubt haben.

Wir sind Feuer, wir lassen unsere Flammen hochsteigen.

Sie sehen uns über tausende Meilen brennen.