Teil 3 - Sieger

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45. Tiefliegende Gefühle

Anders als erwartet übermannt mich ein traumloser Schlaf. Zwar schleicht sich zu Beginn das blasse und tote Gesicht von Ethan in meinen Schlaf, doch der Schmerz um den Verlust ist nur ein kurzes Zwicken in meiner Brust, bevor sich das Gefühl von Geborgenheit in meinen Körper ausbreitet; das Gefühl von Freundschaft und Zuneigung. Und dieses Gefühl bestimmt meinen Schlaf. Als ich aufwache weiß ich automatisch, dass ich viel zu lange geschlafen habe, denn ich bin viel zu erfrischt. Neue Kraft durchspült meinen Körper, die Kraft die ich brauche um einen neuen, schrecklichen Tag in den Spielen zu überleben.

Meine Augen schmerzen als ich sie aufschlage. Grelles Sonnenlicht blendet mich und lässt meine Augen tränen. Langsam stemme ich mich auf und schützend strecke ich die andere Hand aus, um das Sonnenlicht daran zu hindern, mir weiter ins Gesicht zu strahlen. Blinzelnd gewöhnen sich meine Augen an die Helligkeit. Anhand des Sonnenstandes kann ich erkennen, dass es später Nachmittag ist. Ich habe fast einen kompletten Tag verschlafen. Erschrocken kämpfe ich mich halb aus dem Schlafsack. Doch dann erkenne ich Cato am Höhleneingang sitzen. Mit zu Schlitzen verengten Augen taste ich energisch über den Boden, bis ich einen kleinen Stein ertaste, denn ich wütend gegen Catos Rücken werfe. „Du solltest mich doch wecken!" Ich versuche wütend zu klingen, aber mein Lächeln verrät mich.

„Ey!", poltert er und wirbelt zu mir herum. „Du hast den Schlaf gebraucht."

„Und was ist mit dir? Brauchst du etwa keinen Schlaf?" Ich ziehe mir das eine Ende des Schlafsacks wieder so hoch wie möglich.

Weil Cato das Sonnenlicht in seinem Rücken hat, sehe ich nur seinen dunklen Umriss. Doch als er antwortet kann ich heraushören, dass er sein Grinsen wieder im Gesicht hat. „Ich brauche keinen Schlaf. Nicht so lange es Tribute zu töten gilt."

Schnaubend verdrehe ich die Augen zur Höhlendecke. „Das würde ich nicht zu laut sagen. Man könnte des wörtlich nehmen."

Seufzend schäle ich mich endgültig aus dem Schlafsack und setze mich neben Cato in den Eingang. Heiße Nachmittags-Luft schlägt mir entgegen. „Nichts passiert heute?", frage ich und schaue hinaus zum Zelt. Mein Kopf senkt sich auf seine Schulter hinab. 

„Nein, war alles ruhig heute Nacht. Deswegen hab ich dich auch schlafen lassen", antwortet Cato.

„Danke", sage ich ehrlich und lege meine Hand auf seine. Einen Moment lang kann ich spüren wie Cato zögert, doch dann verschränkt er seine Finger mit meinen und sein Daumen streichelt über meinen Handrücken. „Hast du schon gegessen?", frage ich um die aufkeimende Stille zu ersticken.

„Ja. Aber ich wünschte ich könnte mal wieder was richtiges Essen. Eine richtige Mahlzeit, verstehst du?" Cato dreht seinen Kopf um zu mir herunter sehen zu können.

Seufzend schließe ich die Augen und denke an meine letzte, richtige Mahlzeit. Ein Gericht, dass nicht nur aus gebratenem Fleisch bestand. „Ja, ich weiß was du meinst." Dann setzte ich noch hinterher: „Ich wünschte ich hätte die Möglichkeiten zu kochen."

„Du kannst kochen?", fragt Cato erstaunt.

Zum Glück kann er mein Gesicht nicht sehen, denn es wird augenblicklich heiß und rot. „Na ja", sage ich ausweichend. „Eine Suppe zu kochen erfordert jetzt nicht wirklich viel Talent." Ich richte mich wieder auf und sehe Cato an. Zusammen müssen wir lachen.

„Ein bisschen Talent erfordert es schon", sagt er und ist der Erste, der sich wieder einkriegt.

„Die größte Schwierigkeit ist wohl, die Suppe nicht anbrennen zu lassen", erwidere ich ernst und denke an Saphires Leichtigkeit aus frischem Gemüse eine herrliche Frühlingssuppe zu zaubern. Ich rufe mir das Bild deutlich vor Augen. Saphire die am Herd steht und beständig in dem hohen Topf herumrührt, während die Sonne durch das Fenster scheint und ihr blondes Haar zu purem Gold werden lässt. Nur Saphire schafft es, während des Kochens so elegant auszusehen.

Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt