Teil 1 - Tribute

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19. Verzweiflung siegt

   Immer wieder werfe ich mich hin und her und schreie in mein Kopfkissen. Mit Fäusten hämmere ich auf mein Kopfkissen ein, als würde mir das helfen, die Bilder meiner abgeschlachteten Familie zu verdrängen. Doch alles was ich versuche hilft mir nicht, meine Schuld an ihrem baldigen Tod in irgendeine Ecke zu drängen.

   Irgendwann halte ich es nicht mehr aus, einfach nur im Bett zu liegen. Ich fange an, durch mein Zimmer zu tigern, mir gegen den Kopf zu schlagen, an meinen Haaren zu zieh und zu schreien und gegen die Möbel zu treten. Wieso bin ich nur so dumm? Wieso habe ich nur Olas mein Versprechen geben? Ich hätte es sein lassen sollen. Olas würde es nie erfahren, wenn ich sein Versprechen nicht einhielt. Und wenn er es doch erfahren sollte – denn wer weiß was nach dem Tod auf uns wartet – was kann er groß tun? Er ist tot. Doch für mich war es nun zu spät, um ein normaler Tribut zu werden. Ich bin eine Göttin für die Sponsoren, das ist die Rolle, als die mich Jade verkauft. Sie wollen niemand anderen mehr.

   Als mir dies bewusst wird, halte ich an, presse die Hände vor meinen schock geweiteten Mund und gleite zu Boden. Grobe Schluchzer verlassen meinen Mund, ich höre mich an wie ein gequältes Tier. So ähnlich verhalte ich mich auch. Ich ziehe die Knie an, schlinge meine Arme darum und wiege mich hin und her. Mein Blick wird starr und heftet sich auf den Teppich.

   Das ist also mein Zusammenbruch. Ich habe ihn schon viel früher erwartet. Bei meiner Verabschiedung im Gerichtsgebäude, spätestens im Zug hier her. Vielleicht brauchte ich erst die Rede von Enobaria, die mir die Augen öffnet. Und das hat sie tatsächlich. Ich bin schuld, dass alle die mir lieb sind sterben.

   Ich wünsche mir, selber tot zu sein. Einfach umzufallen oder in meinen Tränen zu ertrinken. Es ist doch so einfach. Ich könnte einfach aus dem Fenster springen, ein Messer vom Esstisch klauen oder aus dem Laken ein Strick binden. Dann bringe ich Saphire nicht in Gefahr, Rubin oder Suzanne. Aber wenn ich mich umbringe, wird sie das nicht auch verletzen? Sie zählen auf mich, ich habe ihnen versprochen zurück zu kommen. Ich muss also weiter machen. Für sie, obwohl es ihren Tod bedeuten wird. Wieso ist meine Lage nur so hoffnungslos und eingefahren?

   Alles was ich will, ist aufwachen und zurück sein. Zurück an den Tag des ersten Lagerfeuers. Ich könnte so viel anders machen, könnte alles ändern. Nicholas könnte leben. Clove könnte wie geplant in die Spiele gehen und ich würde weder mich noch meine Familie in Gefahr bringen. Ich verliere mich in meinem Traum, in dem ich Olas vor seinem Tod retten konnte.

   Der Boden wird kleiner, ich schieße in die Höhe; Hände greifen meine Arme und ziehen mich hoch, ein brummen in meinem Ohr. Ich kriege nur verschwommen mit, was mit mir passiert. Verzweiflung zerreißt mein Herz, Trauer spült durch meinen Körper und reißt die Fetzen mit sich, die Taubheit macht es erträglicher. Ich bin ein entsetzlicher Mensch. Alle Optionen die mir bleiben, kommen aufs selbe raus. Egal für welche ich mich entscheide, egal wie ich sie drehe und wende, am Ende wird doch meine Familie verletzt, genau das, was ich eigentlich verhindern will. Ich bin so unglaublich dumm. Was bleibt mir noch für eine Wahl, wenn jede dafür sorgt, dass meine Liebsten leiden müssen?

   Der Schlag glüht auf meiner Wange, rasender Schmerz zuckt wie ein Blitz durch meine linke Wange und Gesichtshälfte, hoch zu meiner Schläfe, wo er mir Kopfschmerzen bereitet. Mein Kopf fliegt zur Seite, wobei ein Nerv oder ein Blutgefäß eingeklemmt, was ebenfalls für ein Stechen sorgt, nur um einiges schlimmer. Benommen durch den Nebel der sich in meinem Kopf sammelt, taumle ich nach hinten, verliere das Gleichgewicht, bleibe aber stehen, gesichert von einem festen Griff, der sich um meinen Arm klammert. Mein Schrei des Geheules wird zu einem erschrockenen „Aua“, bevor ich stumm bleibe. Mit dem Schlag sind auch meine Tränen verschwunden. Nur meine Wangen sind noch nass.

Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt