Teil 3 - Sieger

402 19 0
                                    

54. Zusammenkunft

Ich muss eingedöst sein, denn als ich erwache, ist es die kälter und dunkler. Die Geräusche des Tages sind der Symphonie des Abends gewichen. Der Fluss rauscht laut unter mir und das Knirschen unter Catos Schritten verrät mir, dass wir auf den Weg zu unserem alten Versteck sind; der Höhle am Fluss. Irgendwie hat es Cato geschafft, mit mir auf den Armen, schon den halben Weg zu erklimmen. Er weiß, dass ich wach bin und trotzdem setzt er mich nicht ab, um mich alleine hochklettern zu lassen. Es dauert länger und ist für ihn kraftaufreibender und trotzdem spielt er den Gentleman.

Als er endlich unsere Höhle erreicht, wird gerade die Hymne gespielt. Jaquelines Gesicht wird eingeblendet, nur für ein paar Sekunden. Dann ist sie endgültig fort, wie all die anderen Tribute vor ihr. Nur die letzten, grausamen Wochen ihres Lebens werden von ihr übrig bleiben. Bilder, die ihr nicht gerecht werden können. Ich bin so ausgelaugt und erschöpft, dass ich die Augen kaum offen halten kann. Noch während Cato das Abendessen zubereitet, fallen mir die Augen zu. Doch er weckt mich wieder, zwingt mich liebevoll in den Schlafsack zu steigen und reicht mir Stücke vom Brot. Nach dem Essen steigt er zu mir in den Schlafsack und hält die erste Wache.

Ich weiß nicht wieso, aber heute Nacht fällt es mir besonders schwer, mich aus meinen Traum zu lösen. An der Schwelle von Tiefschlaf zum Aufwachen, kratze und hämmere ich gegen die Tür. Irgendwie holt mich der Tiefschlaf immer von neuem mit seinen kalten Klauen zurück und hält mich gefangen. Wenn ich in dieser Zwischenphase gefangen bin, dann weiß ich, dass ich egoistisch Cato gegenüber bin. Auch er muss mal schlafen und nicht immer nur ich. Doch jedes Mal, bevor ich den Gedanken ganz zu Ende bringen kann, gleite ich wieder zurück.

Jedes Mal ist es der gleiche Albtraum, der mich begrüßt und sich an mich klammert. Immer wieder muss ich mit ansehen, wie Thresh tot zusammenbricht, wie Cato von Wölfen oder wilden Hunden zerfleischt wird. Wie ich verblute und Peeta Kopf zur Seite rollt, kreidebleich und mit starren Augen, während Katniss alleine und aufgelöst zurückbleibt und zur Siegerin ernannt wird. Dazu hallt immer die Stimme des Präsidenten durch meinen Kopf, die immer das gleiche sagt. „Nur einer kommt hier lebend raus." Endlich gelingt es mir, den Tiefschlaf endgültig abzuschütteln und über die Schwelle der Zwischenphase zu gleiten und damit in die Phase des Aufwachens rübergleite.

Es ist Nachmittag und die Sonne scheint grell und heiß durch die Öffnung in die Höhle. Neben mir liegt Cato. Sein regelmäßiger Atem verrät mir, dass er schläft. Ich bin ihm nicht böse. Ich an seiner Stelle hätte es auch irgendwann aufgegeben mich zu wecken. Ich will ihn nicht unnötig wecken, denn seine Kraft braucht er für den bevorstehenden Kampf. So schlüpfe ich ganz langsam aus dem Schlafsack und zu unseren Rucksäcken mit den Vorräten. Ich schlucke die vorletzte Tablette und muss grinsen. Wenn das mal kein Zufall ist.

Ich schneide mir einige Scheiben von dem Brot ab, das wir noch haben, bestreiche sie mit Honig und schneide einen Apfel in Scheiben, die ich darauf verteile. Es schmeckt köstlich, auch wenn es nur eine einfache Mahlzeit ist. Meine letzte ausgiebige Mahlzeit ist viel zu lange her. Irgendwie verspüre ich seit Tagen keinen richtigen Hunger mehr. Ich habe mich mit trockenem Brot bei Kräften gehalten. Jetzt steht das Finale vor der Tür und ich muss bei Kräften sein, wenn ich den Kampf überleben will. Ehe ich mich versehe, habe ich fünf belegte Scheiben Brot verschlungen.

„Wie lange bist du schon wach?" Schlaftrunken richtet sich Cato im Schlafsack auf sieht mich zerknittert an.

„Nicht lange", antworte ich ihm. „Tut mir leid, dass ich nicht aufgewacht bin, als du mich versucht hast zu wecken", füge ich noch entschuldigend hinzu. Cato setzt sich neben mich und schaut auf mein letztes Stück der Brotscheibe, die ich gerade esse.

Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt