Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]

Teil 1 - Tribute

Kapitel 16: Eröffnungsfeier

   Es fällt mir unheimlich schwer, mich vom Spiegel loszureißen, als Jasper mitteilt, dass es Zeit wird zu gehen. Er hat unfassbares geleistet. Sein Outfit ist so umwerfend schön und passend. Ich sehe nicht mehr aus wie ein Mauerblümchen, das nicht weiß, wie es eine Göttin spielen kann, sondern ich bin eine Göttin. Während ich mich zum x-ten Mal vor dem Spiegel hin und her wiege, kann ich mir genau Jades Reaktion vorstellen. Sie wird bestimmt wie mein Stylistenteam in Tränen ausbrechen. Enobaria wird mir ein Kompliment machen, während Rex über mich herziehen und Cato mich ignorieren wird.

   Wie wird Cato wohl aussehen? Wir müssen zusammenpassen von den Kostümen her, das ist so Vorschrift. Doch ich kann ihn mir nicht als einen Gott vorstellen. Vielleicht als Gott des Schlächters oder des Kampfes. Das würde den Menschen aus dem Kapitol bestimmt gefallen. Wenn er sein blutiges Schwert über den Kopf schwenkt und über und über mit Blut bedeckt ist. Wie gut, dass wir in wenigen Tagen in der Arena sind. Dann bekommen diese Monster das, wonach sie sich verzehren.

   „Lian.“ Jasper ist hinter mich getreten. Seine eine Hand ruht auf meinen nackten Oberarm. Durch den Spiegel kann ich seinen Kopf über meine linke Schulter hinweg sehen. Sein Daumen beginnt über meine Haut zu streicheln. Kurz schließe ich die Augen und entspanne mich. „Es wird Zeit.“

   Ich nicke kurz und öffne meine Augen. Durch den Spiegel lächle ich Jasper an, dann drehe ich mich weg. Es behagt mir nicht, wie viel Aufmerksamkeit ich bekomme. Es ist schön, endlich mal von einem Mann beachtet zu werden. Aber es ist die falsche Person, die falsche Zeit. Aber vielleicht bilde ich mir Jaspers Flirtversuche auch nur ein. Der einzige männliche Kontakt den ich hatte, waren Cato, der mir das Leben zur Hölle macht, und Nicholas, der nie versucht hat mit mir zu flirten. Woher kann ich dann wissen, das Jasper mit mir flirtet?

   Jasper führt mich auf den Aufzug zu, der uns ins Erdgeschoss bringt. Es ist eigentlich nur ein gigantischer Stall, in dem wir Tribute uns sammeln, auf die jeweiligen Kutschen steigen und zum Trainingscenter gebracht werden. In knapp zehn Minuten beginnt die Parade. Dafür werden wir Tribute paarweise und geordnet nach Distrikten auf die Kutschen gestellt, die von jeweils vier Pferden gezogen werden. Sie sind so dressiert worden, dass keine Fahrer benötigt werden, die die Zügel in den Händen halten. Ich will nicht wissen, mit welcher Grausamkeit die Menschen das erreicht haben.

   Cato und ich werden also von der zweiten Startposition aus losfahren. Genau dahin führt mich Jasper, vorbei an den anderen Tributen die schon da sind. Bei ihren Anblick zieht sich mein Herz zusammen. Die Kostümierungen sind teilweise richtig grausig. Die beiden Tribute aus Distrikt 8 beispielsweise tragen etwas Undefinierbares aus pinken und blauen Stoff. Es erinnert mich an Narrenkostümen. Distrikt 8 ist für Textilien zuständig, ein Distrikt, die man in tolle Kostüme kleiden könnte und stattdessen verunstaltet man sie zu Narren. Was sollen denn die Sponsoren denken?

   Den anderen Tributen geht es nicht anders mit ihren Kostümen. Sie sehen alle so lächerlich aus. Das schlimmste ist, dass sie es wissen. Und dass sie wissen, dass es sie Sponsoren kosten wird. Ihre Kostüme haben nicht im Geringsten irgendetwas mit ihren Distrikten gemeinsam. Dabei soll man bei der Parade seinen Distrikt verkörpern. Ich kann ihre Blicke auf mir spüren, diese Hoffnungslosigkeit, die mein Kostüm mit sich bringt.

   Auf einmal fällt es mir schwer zu atmen, der Druck auf meiner Brust ist so schwer, dass mir die Tränen in die Augen schießen und ich mich an Jaspers Arm festhalten muss, damit ich nicht umkippe. Wie ungerecht es ist. Die Tribute aus den ärmeren Distrikten haben noch nicht einmal zu Beginn der Spiele eine faire Chance zu gewinnen. Sie nehmen quasi nur an den Spielen teil, damit sie das Schlachtvieh für die reichen Distrikte spielen. Ihnen wird nie auch nur ein Hauch einer fairen Chance gegeben.