Teil 1 - Tribute

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5. Das letzte Lagerfeuer

   Das Feuer wirft lange Schatten. Kinder und Jugendliche sitzen beisammen und lachen unbekümmert. Es ist das letzte Lagerfeuer und das Festmahl ist gewaltig. Die langen, breiten Tische ätzen unter der Last des vielen Essens. Das meiste können wir gar nicht alles essen, doch das stört hier keinen, dafür ist die Stimmung zu ausgelassen. Es gibt zwei lange Tischreihen, die sich von einem Ende des Platzes zum anderen ziehen.

   Ich sitze am linken Tisch, irgendwo in der Mitte. Saphire und Rubin sitzen zu meinen Seiten, mir gegenüber haben Nox und Pax, so wie Hades und Stone Platz genommen. Alle vier sind noch immer zu betroffen, von dem Tod ihres Bruders. Doch keiner nimmt es mir übel, dass ich ihn nicht retten konnte. Sie finden es sogar gut, wie ich mich für ihn eigesetzt habe. Ich jedoch kann sie nicht verstehen. Es ist nicht toll, dass ich ihn nicht retten konnte oder bei dem Versuch ihn zu retten versagt habe.

   „Du isst ja gar nichts“, stellt Nox erstaunt fest und reicht mir eine Schüssel mit Rosmarin-Kartoffeln. „Es schmeckt lecker. Iss doch etwas.“

   Auch die anderen versuchen mich nun zum Essen zu überreden, doch ich habe die Nase voll. Wieso verstehe sie nicht, dass ich nichts essen will? Schließlich platzt mir der Kragen. Ich pfeffere mein Besteck auf den Teller, erhebe mich und suche mir einen neuen Platz am zweiten Tisch. Dort sind meine Sitznachbarn allerdings auch nicht besser. Ausgerechnet der Platz Cato gegenüber ist noch frei. Während ich missmutig mit der Gabel über den Tisch kratze, spüre ich seinen zornigen Blick auf mir ruhen.

   Am liebsten würde ich in Tränen ausbrechen, als mein Herz bricht und mir klar wird, dass ich niemals eine reelle Chance bei ihm haben werde. Ich habe ihn geohrfeigt und ich war die letzten vier Tage immer besser als er. Und erst recht werde ich keine Chance bekommen, in der Arena zu überleben.

   Vater hat Rubin, Saphire und mir Schläge angedroht, sobald die Ernte vorbei ist. Er meinte, er will unsere „hübschen Gesichter nicht ruinieren“. Rubin hat sich auf meine Seite geschlagen und sich so gegen Vater gestellt. Wenn ich mich jetzt nicht melde, war dann alles umsonst? Hat Rubin umsonst ihr Ansehen verloren? Sich umsonst Mühe mit mir gegen? Wenn ich mich nicht mehr melde, wird dann unser neugewonnenes Verhältnis wieder leiden? Ich habe gerade so etwas wie Geschwister gefunden; mit Lic und Luke komme ich besser zurecht und mit Rubin verstehe ich mich jetzt genauso gut wie mit Saphire. Nur Flin habe ich seit der Hinrichtung nicht mehr gesehen.

   Mein Blick gleitet zu Rubin. Ihr rotblondes Haar ist glatt gekämmt worden, doch sie fährt sich mit der Hand durch und macht es wieder unordentlich. Trotz der Trainingskleidung die sie trägt, sieht sie auf ihre Weise gut aus. Sie hat den Körper einer Sportlerin, trainiert zu einer tödlichen Killerin. Rubin sieht aus wie eine Kampfgöttin. Sie könnte die Hungerspiele gewinnen, nicht ich.

   Ich schaue weiter zu Saphire. Ihr Haar ist blond, sonst lässt sich kein Unterschied zu Rubin erkennen. Saphire wirkt wie ein Engel, mit dem blonden Haar, das golden im Schein des Lagerfeuers schimmert. Ihre Locken umrahmen ihr Gesicht und betonen ihre grünen Augen, die geheimnisvoll glitzern. Auch sie trägt die Trainingsuniform und macht aus ihr etwas Besonderes. Ihr Körper ist geschmeidig und gefährlich. Würde sie sich nicht gegen eine Waffe in der Hand stäuben, wäre sie genauso tödlich, wie all die anderen Kinder hier. Kaum zu glauben, aber trotz ihres gleichen Aussehens und den gleichen Geschmack in Sachen Einrichtung, haben Saphire und Rubin nichts gemeinsam.

   Rubin ist eiskalt und wild, zeigt keine Scheu zu töten. Sie ist regelrecht angetan von den Hungerspielen. Wenn der Tod eines Tributs gezeigt wird, dann weiß sie tausend Arten, den Tod blutiger zu gestalten. Müsste sie in die Arena, dann würde sie bestimmt keine Reue zeigen. Fast so wie einer der Tribute, viele Jahre zuvor - Ich weiß nicht mehr seinen Namen, doch seine Taten sind mir in Erinnerung geblieben. Er aß die Herzen seiner Gegner, die er tötete. Zum Ende hin wurde er von einer Lawine, ausgelöst durch die Spielmacher, getötet. Kannibalismus ist etwas, das selbst im Kapitol nicht gerne gesehen wir -, wobei ich mir sicher bin, dass Rubin nicht so weit gehen würde. Sie ist dafür zu schlau und gut. Ihre Kleidung ist dunkel und ausgewaschen. Am liebsten hat sie ihre klobiegen, schwarzen Lederstiefel, die sie selten mal nicht an hat. Um ihre grünen Augen besser zu betonen, kauft sie sich einen selten vorhandenen Kohlestift.

Hungerspiele - Überlebenskampf [Finish]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt