Frühstück im Schlafanzug

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Jamie

Ich habe das erste mal seit Wochen wirklich gut geschlafen, wache aber, dank meiner inneren Uhr, recht früh auf. Alberta neben mir schläft noch, also drehe ich mich auf die Seite und kuschle die kleine Maus an mich, schließe nochmal die Augen. Das Bett ist nicht zu hart und nicht zu weich, genau richtig, weshalb ich tatsächlich nochmal einschlummere.
Eine Hand, die auf meinem Gesicht patscht, lässt mich aufschrecken. Es ist Alberta. „Daddy, rrrchhh“, macht sie und ich lache leise. Ich hab wohl geschnarcht. „Daddy hat geschnarcht?“ frage ich sie. „Ja. Rrrchhh“, macht sie erneut und ich packe mir die kleine Kröte, knuddle sie und kitzle sie. Sie lacht ihr herrliches Babylachen, obwohl mein kleines Mädchen schon bald 4 wird. Ich liebe dieses Lachen und speichere es tief in meinem Hirn ab. Ich knutsche ihr süßes Gesichtchen ab und sie gackert unaufhörlich. „Nein… Daddy! Nein!“ versucht sie zu schimpfen und ich knabbere an ihren kleinen, Beinchen. Sie kreischt lachend auf und ich stoppe mein tun, bevor wir alle im Haus wecken. Es ist 8 Uhr und so ich stehe mit Alberta auf. Ich steige in eine Jogginghose und gehe mit meiner Kleinen ins Bad, wasche sie und putze ihre Zähne, dann meine. Ich ziehe sie an und gehe dann nach unten, wo zu meiner Überraschung schon Juna sitzt. „Guten Morgen“, lächelt sie und sieht aus wie aus dem Ei gepellt. „Guten Morgen. Frühaufsteherin?“ frage ich. „Meistens, ja“, lächelt sie. „Kaffee?“ „Unbedingt“ sage ich und sie kichert, steht auf und stellt eine Tasse unter den Vollautomaten. „Und du kleine Maus, was möchtest du trinken?“ frage ich Alberta und diese beäugt Juna noch immer skeptisch. Als sie keine Antwort von ihr bekommt, antworte ich für sie. „Meistens trinkt sie Apfelsaft. Verdünnt mit etwas Wasser.“ „Apfelsaft? Sollst du bekommen“, lächelt sie und stubst Alberta liebevoll an die Nase, was meine Tochter diesmal kichern lässt. Der Anfang ist gemacht. Ob sie gleich mal für 10 Minuten bei Juna bleiben würde, damit ich unter die Dusche komme? Nein, vermutlich muss ich auf Dulcie warten. Mit Elva lasse ich sie lieber nicht allein. Sie hat meist nur Unfug im Kopf, den sie ihrer kleinen Schwester beibringt. „Einen Cent für deine Gedanken“, meint Juna amüsiert, als sie mir den Kaffee vor die Nase stellt. Erst jetzt bemerke ich, dass ich vor mich hin grinse. Ich schüttle den Kopf und winke ab. „Hab nur grad dran gedacht, dass Elva Alberta immer Blödsinn beibringt“, verrate ich dennoch und Juna lacht. „Ist das so?“ „Ja. Ich glaube, sie kommt nach mir“, sage ich und kratze mich am Kopf, verziehe das Gesicht, was Juna nur noch mehr lachen lässt. Bertie bekommt ihren Apfelsaft, den sie gleich trinkt.
Etwas später kommen auch die anderen drei Mädchen runter und wir frühstücken, alle, bis auf Alberta, noch im Schlafanzug. Und ich erinnere mich plötzlich wieder, wie gemütlich das eigentlich ist. Das sollten wir zuhause auch einführen. Zumindest an den Wochenenden. Frühstück gab es bei uns immer erst, wenn alle fertig angezogen waren. Warum, keine Ahnung. Damals mit Mom und Dad haben wir auch oft, wenn beide frei hatten, im Schlafanzug gefrühstückt und manchmal sogar, an besonders faulen Sonntagen, hatten wir die Schlafanzüge den ganzen Tag an. Das fand ich als Kind toll. So wusste ich, dass Mom oder Dad nicht plötzlich los mussten. Bei Dad kam das häufig vor, aber wenn er den Schlafanzug anbehielt, wusste ich genau, er bleibt heute den ganzen Tag zuhause.
„Warum lächelst du so, Daddy?“ fragt mich Elva und ich frage mich, wann sie mich das letzte mal so gesehen hat. Ist es wirklich zu einer Seltenheit geworden? „Ich hab mir gerade gedacht, wie schön es doch ist, wenn man so lange wie möglich den Schlafanzug anbehält“, erkläre ich ihr und sie lacht. „Aber ich kann doch nicht im dem Schlafanzug in die Schule“, kichert sie und auch ich lache. „Ich meine doch am Wochenende, du kleiner Clown“, korrigiere ich und sie gackert weiter. Ich schüttle lachend den Kopf. „Macht ihr das sonst nie am Wochenende?“ fragt mich Liva. „Nein, irgendwie nicht. Nur wenn jemand krank ist“, erkläre ich. „Mama und ich machen das immer, wenn wir zuhause bleiben“, sagt sie und ich lächle. „Das ist wirklich gemütlich. Mit meinen Eltern und Schwestern kam das auch oft vor. Dann wusste ich, Dad hat frei.“ „Was hat dein Dad beruflich gemacht?“ fragt mich nun Juna. „Er hat Babys geboren“, erklärt Elva und ich lache.  „Nicht ganz Spatz. Er hat geholfen, sie auf die Welt zu bringen. Geboren haben sie die Mamas“, erkläre ich amüsiert. „Is doch das gleiche“, meint sie. Tja, wenn sie meint. „Ein schöner Beruf“, meint Juna. „Ja, er hat ihn geliebt. Er war Professor. Hat geschult, Symposien gehalten und all das. Aber er hat bis zuletzt auch im Krankenhaus in Belfast gearbeitet“, erzähle ich. „Hat er da auch Oma Samina kennengelernt?“ will Dulcie wissen. „Ja, hat er.“ „Er hat sich also noch mal verliebt?“ fragt Juna nach. „Ja, aber Samina wusste immer, dass meine Mom seine größte Liebe war. Aber sie waren denoch sehr glücklich miteinander“, sage ich lächelnd. „Wir Geschwister waren damals sehr überrascht, als Dad uns Samina vorgestellt hat, aber eigentlich waren wir auch erleichtert. So war er nicht allein in Belfast. Wir waren alle schon in London und hatten unsere eigenen Familien. Er hätte auch eine Einstellung in London bekommen können, aber er wollte Belfast partout nicht verlassen“, erzähle ich, als ich mich daran erinnere ich. „Mein Opa wollte keine neue Frau mehr“, erzählt Liva. „Er hat gesagt, Mama und ich reichen ihm bis ans Ende seiner Tage. Noch ein weibliches Wesen von unserer Sorte hält er nicht aus“, erzählt sie kichernd und ich lache.

Juna

Jamie wirkt heute morgen schon viel entspannter, als gestern noch. Er lächelt fast die ganze Zeit und dabei bilden sich diese kleinen Lachfältchen in seinen Augenwinkeln. Dass er keine 30 mehr ist, sieht man ihm an. Er ist ein reifer, gutaussehender Mann. Den Bart hat er tatsächlich gestutzt, so dass er um einiges kürzer ist, als auf dem Selfie, welches er mir geschickt hat. Unglaublich dass es schon knapp 2 Monate her ist.  Oder auch erst. Ich kenne ihn noch nicht lange, und dennoch habe ich das Gefühl, wir würden uns schon so lange kennen. Wir wissen zwar noch nicht viel voneinander, aber dieses Zwischenmenschliche passt einfach. Er hat die selbe Art von Humor, wie ich und auch sonst sind wir uns in vielen Ansichten einig.
Es ist schön, Leben im Haus zu haben. Vier Kinder,  zwei Hunde. Und einen Erwachsenen, mit dem ich mich unterhalten kann. Das fehlt mir, seit Papa nicht mehr da ist. „Was wollt ihr denn heute schönes machen?“ frage ich die Mädchen. „Schwimmen!“ ruft Elva und zeigt auf den Pool im Garten. Jamie lacht. „Wohl kaum, Zwerg. Es ist zu kalt. Und sicher hat der Pool keine Heizung“, meint er. „Menno“, zieht die kleine eine Schnute. „Wenn ihr Schwimmsachen dabei habt, können wir auch ins Schwimmbad fahren. Nicht weit von hier gibt es ein Schwimmbad mit Rutsche und einem kleinen Wellnessbecken. Dort ist auch nicht allzu viel los“, schlage ich vor und Elvas Augen leuchten. „Können wir bitte, Daddy?“ fleht sie. „Meinetwegen“, lenkt er ein, und auch Dulcie freut sich.
Wenig später habe ich ein paar Sachen eingepackt. Gummibärchen, ein paar Cracker, Obst und etwas zu Trinken. Ich klappe die zusätzlichen Sitze in meinem Kofferraum auf, damit wir nicht mit zwei Autos fahren müssen und packe meine Tasche und den Verpflegungskorb ein. Die Hunde bleiben im Haus, nachdem wir sie ausgiebig im Garten haben toben lassen.
Die Mädchen plappern die ganze Fahrt über und Jamie schaut sich die Gegend an. „Viel Wald“, merkt Jamie an. „Ja, hier gibt es noch viele weitläufige Wälder. Wir sind hier mitten im Naherholungsgebiet der Dammer Berge“, berichte ich. „Berge?“ Jamie schaut mich skeptisch an und ich lache. „Ja ich weiß, wirkliche Berge sind es nicht, etwas hügelig vielleicht, dennoch haben wir eine eigene Schweiz.“ Sein Gesicht wird noch skeptischer und wieder lache ich. „Dort kann man wunderbar spazieren gehen. Wenn das Wetter schön ist, kann ich euch was zeigen. Wir haben einen Schönen Aussichtsturm mit einer interessanten und gruseligen Räubergeschichte. Vom Turm aus hat man einen wunderbaren Blick auf die anliegende Stadt und den Dümmer. Einem großen See. Der größte hier in Norddeutschland. Den kann ich euch auch gern zeigen“, biete ich an „Gut, ich lass mich gern überzeugen“, zwinkert er mir zu und ich kichere.
Wenig später erreichen wir das Schwimmbad und Jamie geht mit seinen Mädchen in die Familienumkleide.
„Bin fertig, Daddy!“ höre ich Elva und dann, Jamies Lachen. „Ich glaube nicht. Sieh dich an. Du hast deinen Badeanzug falsch herum und außerdem noch deine Socken an“, höre ich ihn sagen und bringt damit auch mich und Liva zum Lachen. Wir gehen uns abduschen und sehen die vier Dornans im Schwimmbad wieder. Er stellt Alberta auf ihre Füße und nimmt mir, Gentleman like, den Korb ab. Ich versuche nicht auf seinen durchtrainierten Oberkörper zu starren. Doch als er vor mir herläuft. Kann ich nicht anders, als das Muskelspiel seines Rückens zu verfolgen. Ich muss mir ein Seufzen verkneifen. Wann habe ich das letzte Mal so einen gutaussehenden Mann gesehen? Meine Tochter kichert, also entgeht ihr mein Blick nicht. Ich merke wie ich rot werde und Liva verkneift sich ein Lachen. Zum Glück habe ich eine anständige Tochter, die mich nicht verrät.
Wir suchen uns einen Platz etwas am Rand und breiten dort unsere Handtücher aus. „Darf ich ins große Becken?“ fragt Dulcie ihren Vater. „Klar“, meint dieser und DD und Liva flitzen los. Elva will mitlaufen. „Hier geblieben“, sagt Janie und hält sie fest. „Ich will auch ins große Wasser“, meint sie beleidigt. „Aber nicht ohne mich. Du kannst noch nicht so gut schwimmen“, erklärt er ihr und sie verdreht die Augen. „Dann komm mit“, drängelt sie. „Ja, gleich. Ich muss deiner Schwester erst die Schwimmflügel anziehen“, erklärt er und sie verschränkt die Arme vor der Brust, übt sich in Geduld. Ich schmunzle, will ihm anbieten, mit ihr schon zu gehen, doch Jamie ist fast fertig und außerdem, muss Elva schließlich auch lernen zu warten.
Dann endlich gehen wir ins große Becken und Alberta klammert sich wie ein Äffchen an Jamie. „Na, sind wir seit neuestem wasserscheu?“ fragt er sie belustigt und die Maus bibbert. „Kalt“, sagt sie und will ihren Papa partout nicht loslassen. „Daddyyy…“, drängelt Elva. „Magst du mit mir ins Wasser da vorn gehen?“ frage ich Alberta und strecke die Arme nach ihr aus, deute auf das Babybecken an der Seite. Sie schaut fragend zu Jamie. „Ist, okay, Babygirl. Geh ruhig mit Juna“, sagt er sanft und sie beäugt mich. „Ich bin hier und kann dich sehen“, beruhigt er sie und schließlich lässt sie sich von mir auf den Arm nehmen. Liva ruft mich von Sprungbrett aus und ich winke ihr. Ich gehe mit Bertie ins Babybecken, wo es viel wärmer ist. Sie nimmt gleich eine kleine Gießkanne und fängt an zu spielen. Ich setze mich zu ihr und nehme in die Hand, was sie mir gibt. Sie ist so eine süße Maus. Fröhlich schaut sie mich mit ihren braunen Kulleraugen an. Die beiden anderen Mädchen haben blaue Augen, wie Jamie. Ich nehme an, ihre Mutter hat braune Augen.

Wenn das Leben dir Zitronen gibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt