Wiedersehen

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27. Wiedersehen

Jamie

„Ihr bleibt hier stehen, verstanden? Ihr rührt euch nicht von Fleck. Haltet eure kleine Schwester gut fest,“ befehle ich meine Mädchen, als ich unser Gepäck einsammle. Berties Koffer ist dabei, eine Extrarunde zu drehen, weil ich nicht schnell genug war, also laufe ich hinterher. Eine Frau am anderen Ende des Förderbands kapiert, was los ist und zeigt auf den kleinen, pinken Koffer. „Ja, genau der“, rufe ich und sie ergreift ihn. „Vielen Dank. Sie haben mir grad einiges an Zeit erspart“, bedanke ich mich und die Dame lächelt. „Sie sind Jamie Dornan, richtig?“ fragt sie mich und ich bejahe. „Können wir ein Foto machen?“ fragt sie mich und ich schaue kurz zu meinen Töchtern, die noch brav an Ort und Stelle stehen. „Ja, klar“, sage ich und stelle mich neben sie. Ihr Mann macht ein Foto und ich bedanke mich nochmal und gehe dann mit Berties Koffer zurück zu meinen Mädchen, packe ihn auf den Wagen zu den anderen. Ich setze Alberta auf die Griffstange und bitte meine beiden Großen, sich rechts und Links vom Wagen festzuhalten. Lenny habe ich bei meiner Schwester gelassen. Sie wird ihn schon mit nach Belfast nehmen. Dieses Herumgereise kennt er nicht wirklich und meine Schwester kümmert sich gern um ihn. Ihre Kinder lieben ihn.
„Daddy, wer war die Frau?“ fragt mich Elva kurze Zeit später. „Ich weiß nicht, Spatz. Ich kenne sie nicht.“ „Warum wollte sie dann ein Foto mit dir?“ fragt sie weiter. „Nun, ich denke, sie hat mich mal im TV gesehen, oder im Kino“, vermute ich. „Ach so“, meint sie und damit ist die Sache für sie erledigt. Ich versuche, meine Kinder so privat und normal wie möglich zu erziehen. So einen richtigen Einblick in meine Berühmtheit haben sie noch nicht. Zum Glück auch. Das würde sie vermutlich nur verwirren. Dulcie blickt da mittlerweile mehr durch, aber zum Glück ist das kaum Thema für sie. Ich bin einfach ihr Daddy.
Wir erreichen die Arivalhalle und ich halte Ausschau nach Becki, die ich aber nirgends finde. Ich schaue aufs Handy, lese, dass Juna mir geschrieben hat, das Ingo, Beckis Ehemann uns abholt. Alles gut soweit. Wenn ich nur wüsste, wie der Kerl aussieht. „Warum bleiben wir stehen?“ fragt Dulcie. „Ich weiß nicht, wo ich hin muss“, gebe ich zu und sehe schließlich einen Mann, in etwa meinem Alter, winken. Ich schaue hinter mir, ob er jemand anderes meinen könnte, doch das ist nicht der Fall. Ich gehe mit meinen Kindern zu ihm. „Ingo?“ frage ich und er nickt, hält mir die Hand hin. „Welcome in Germany“, sagt er mit starken Akzent und ich schätze, dass er nicht besonders gut Englisch spricht. „Danke fürs abholen“, antworte ich und er nickt nur lächelnd. Er begrüßt die Mädchen und nimmt schließlich den Kofferwagen. Ich nehme Bertie auf den Arm, die Ingo skeptisch mustert. Er hat einen langen Rauschebart, den er zu zwei Zöpfen geflochten hat. Er ist bereitschulteig und ist für mich die Sorte Wikinger oder Holzfäller. Neben ihm jedenfalls komme ich mir vor wie ein Streichholz. Aber er scheint nett zu sein. Wir packen die Koffer in den Kofferraum und die beiden Großen setzen sich schon in Auto. Zum Glück hat er an Kindersitze gedacht. Ich setze Bertie in den Schalensitz, stelle die Gurte richtig ein und schnalle sie an. „Guten Flug gehabt?“ fragt mich Ingo mit seinem gebrochenen Englisch. „Ja, danke“, lächle ich. Ich befürchte, die nächsten knapp 2 Stunden werden recht schweigsam. Aber okay. Memo an mich, ich sollte Deutsch lernen. Zumindest ein bisschen. „Sie haben Schnee in London?“ fragt er mich. „Ja, ein bisschen noch. Leider schmilzt er schon“ erzähle ich. „Sie haben kaltes Wetter gemeldet. Vielleicht bekommen wir Schnee“, meint er. „Das wäre schön. Meine Mädchen lieben Schnee."
Tatsächlich kann Ingo doch mehr Englisch als zunächst gedacht, auch wenn ich manchmal Probleme habe, ihn zu verstehen, weil seine Aussprache so anders ist, aber anders herum versteht er mich mit meinem Irischen Akzent genau so schlecht. Aber mit Händen und Füßen geht es.
Jedenfalls habe ich rausgefunden, dass er gern Bier und Whisky trinkt. Ich mag ihn. Er ist ein lustiger Typ und genau die Sorte Mann, die zu Becki und ihrer großen Klappe passt. Er scheint, so wie ich das nach dieser kurzen Zeit beurteilen kann, ihr Ruhepol zu sein. Aber mit einer ordentlichen Portion Humor. Ich denke, wir werden uns gut verstehen.
Wir erreichen Junas Haus und Ingo hupt ein paar Mal hintereinander. Meine Mädchen können gar nicht schnell genug aus dem Auto kommen und Alberta zappelt unruhig in ihrem Sitz. Ich lache und befreie mein kleines Mädchen. Als ich sie auf den Boden stelle, flitzt sie auch schon los zu Juna, die mit Krücken in der Tür steht. „Langsam! Passt auf!“ rufe ich meinen Mädels zu, die Juna bereits umzingelt haben. Sie begrüßt sie herzlich, schließt sie in ihre Arme und hebt schließlich Bertie hoch. So viel zum Thema Schonung. Ich lasse das Gepäck erstmal Gepäck sein, denn ich will auch endlich meine Freundin begrüßen. Sie stellt Alberta wieder auf ihre Füße und nimmt wieder ihre Krücken, die bis eben an der Tür gelehnt haben. Meine Drei laufen gleich zu Liva und Elli, flitzen dann ins Haus, als wären sie nie weggewesen. „Hey“, grinst Juna. „Hi“, erwidere ich und lege meine Arme um sie, streiche mit meiner Nasenspitze über ihre. „Wie war das mit ruhig angehen lassen?“ tadle ich und sie kichert. „Hör auf mich auszuschimpfen. Küss mich lieber“, fordert sie und ich lache, küsse sie endlich. Ihre Lippen sind köstlich und hungrig bewegt sie diese. Ich schmunzle an ihre Lippen. „Ich sollte Ingo mit dem Gepäck helfen“, sage ich dann und lasse sie los.
Wir lassen das Gepäck erstmal neben der Treppe stehen, denn Juna hat Kaffee fertig und außerdem einen Kuchen gebacken. Ich glaube, ich muss sie in den nächsten Tagen wirklich bremsen.
„Du hast ja noch gar keinen Baum!“ ruft Elva aus dem Wohnzimmer. „Ich hab mir gedacht, den stellt dein Daddy auf und ihr schmückt ihn“, meint sie und schaut mich unschuldig an. Dass sie das nicht allein tun konnte, ist mir klar. Ich lächle und nicke ihr zu.
Nach Kaffee und Kuchen verabschiedet sich Ingo von uns und fährt mich Hause. Meine Mädchen toben im Haus herum, spielen mit Elli und ihrem Golfball. „Ich kümmere mich dann mal um deinen Baum“, sage ich und Juna zeigt mir, wo ich den Baumständer und die Kiste mit dem Baumschmuck finde.

Wenn das Leben dir Zitronen gibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt