Juna
Wir genossen die nächsten Tage einfach. Tagsüber mit den Kindern und am Abend nur wir zwei. Das Feuer brennt lichterloh zwischen uns und die Leidenschaft ebbt nicht ab.
Ich bin ihm heillos verfallen und jede kleinste Berührung seinerseits bringt mein Feuer jedes Mal erneut zum Glimmen.
Ich ignoriere die Tatsache, dass Jamie und die Mädchen in wenigen Tagen wieder weg sein werden.
Das Wetter ist herrlich sonnig und wir genießen die letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres. Jamie und ich sitzen auf meiner Terrasse, trinken heißen Tee, während die Kinder im Garten toben.
„Das gibt’s doch nicht. Ich habe echt gedacht, du veräppelst mich“, lacht Jamie plötzlich auf, als er Elli im Trampolin entdeckt. Sie springt aufgeregt auf und ab, während Lenny davor sitzt und sie fragend ansieht. Ich lache. „Wie du siehst, habe ich dir die Wahrheit erzählt.“ Jamie sieht sich das Schauspiel belustigt an und nippt an seinem Tee. Ich nutze die Gelegenheit, ihn mal wieder eingehend zu betrachten. Ich sehe die kleinen Lachfältchen um seine Augen. Nein. Er ist keine 25 mehr. Man sieht ihm sein Alter durchaus an, aber das macht ihn nicht weniger schön. Er ist genau richtig. Ich netrachte seine Finger, mit denen er seinen Becher Tee hält. Er hat so schöne Hände. Lange Finger, gepflegt und was er mot ihen anstellen kann....
Ich unterdrücke ein Seufzen, als ich sehe, wie er sich über die Lippen leckt. Seine Augen leuchten im Schein der Sonne viel heller als sonst. Sie wirken beinahe türkis.
Er wendet sein Gesicht in meine Richtung und das Lächeln, welches er mir schenkt, schießt geradewegs in mein Innerstes. Verdammt, ich liebe diesen Menschen. So sehr, dass allein der Gedanke daran, dass er bald fort ist, unglaublich schmerzt.Ein schmerzerfülltes Kreischen reißt uns auseinander und wir sehen, wie Elva unten im Sand am Fuße des Bootes liegt. Jamie ist sofort aufgesprungen und rennt zu seinem kleinen Mädchen. Sie weint bittere Tränen. „Au! Au!“ jammert sie und hält sich ihren Arm. Jamie betrachtet sie mit einem prüfenden Blick. Bis auf ihren Arm scheint sie unversehrt zu sein. „Was ist passiert?“ will Jamie wissen. „Bin runtergefallen“, sagt sie unter Tränen und sobald sie ihren Arm bewegt, weint sie erneut auf. „Wir sollten mit ihr ins Krankenhaus fahren“, mische ich mich ein und Jamie sieht mich an und nickt. Er macht sich große Sorgen, dass sehe ich ihm an.
Wir packen alle Kinder ins Auto und ich fahre sie ins nächste Kinderkrankenhaus. Die Fahrt dorthin dauert eine knappe halbe Stunde und jeder Buckel, jedes Schlagloch bereitet der kleinen Elva unglaubliche Schmerzen. Jamie sitzt hinten bei ihr und versucht sie zu trösten. „Ist ihr Arm gebrochen?“ möchte Dulcie wissen, die ebenfalls einen besorgen Blick auf ihre kleine Schwester wirft. „Ich weiß es nicht, Süße“, sagt Jamie sanft. „Ella, aua?“ fragt Bertie und sieht auch traurig aus. „Ja, Bertie. Elva hat Aua am Arm“, erklärt ihre älteste Schwester.Wir erreichen das Krankenhaus, setzten unsere Masken auf und betreten Dieses. Wir melden Elva an und müssen uns noch ins Wartezimmer setzen. Liva und Dulcie beschäftigen sich mit Alberta, während Elva sich an ihren Daddy klammert und ich bedröppelt daneben sitze.
„Kommst du gleich mit rein?“ bittet mich Jamie und ich sehe ihn fragend an. „Als Dolmetscherin.“ Ich lächle ihn warm an. „Na klar“, versichere ich ihm und lege meine Hand auf seine. Er macht sich Vorwürfe, dabei kann er nichts dafür. Sowas passiert eben manchmal. Er seufzt leise und streicht mit dem Daumen über meinen Handrücken.Jamie
Mir tut es bald genauso weh, wie Elva. Sie so zu sehen zerreißt mir das Herz. Ich kann es überhaupt nicht gut haben, wenn es meinen Kindern schlecht geht.
Ich vermute, dass sie sich den Arm gebrochen hat. So wie sie ihn sich hält, und jede kleinste Bewegung schmerzt. Wie oft habe ich mir schon irgendwelche Knochen gebrochen? Als Kind, als Erwachsener. Und jedes Mal waren es fiese Schmerzen. Aber es hatte wohl mal so weit kommen müssen. Elva ist waghalsiger als andere Kinder und turnt ständig herum. Sie ist manchmal schlimmer als ein Sack voll Flöhe, wie soll ich sie bloß ruhig halten?
Tja, Dornan, sie kommt eben ganz nach dir.
Endlich wird Elvas Name aufgerufen und sie klammert sich an mich, während wir in den Behandlungsraum gehen. Juna bittet DD und Liva, auf Bertie acht zu geben und folgt mir dann.
Der Arzt, der sich Elvas Arm ansieht ist lieb zu ihr und so vorsichtig wie möglich. Dennoch schreit Elva auf, als er ihren Arm bewegt. Mein Mädchen ist nicht unbedingt zimperlich. Also wenn sie weint, hat sie wirklich große Schmerzen.
„Ich gehe davon aus, dass der Arm gebrochen ist“, meint er und ich nicke. „Aber wir müssen sie dennoch röntgen. Um sicherzugehen, dass alles gut sitzt. Wenn sich die Knochen verschoben haben, müssen wir sie in die richtige Lage bringen“, erklärt er. Das klingt übel. Das würde eine Operation bedeuten, das weiß ich sehr gut.
Wir gehen rüber zum Röntgen und ich darf bei Elva bleiben, während sie die Bilder machen, die sie brauchen.
Anschließend müssen wir nochmal etwas warten und Dulcie erkundigt sich. „Was hat der Arzt gesagt?“ will sie wissen. „Wir müssen noch auf die Röntgenbilder warten“, erkläre ich und sie nickt. Nach weiteren 10 Minuten dürfen wir wieder rein. Die Röntgenbilder sind bereits auf dem Bildschirm zu sehen und selbst für mich als Leihe, ist das klar zu erkennen. Elvas Oberarmknochen ist eindeutig gebrochen. Verdammt, mein armes Mädchen.
Der Arzt kommt erneut herein und sein Gesicht bestätigt es mir. „Ich denke, dass ist eindeutig. Aber Glück im Unglück, kleine Maus. Es sitzt alles gut. Du bekommst einen Gips und dann musst du dich ein paar Wochen ausruhen“, sagt er zu ihr. Na toll. Elva und ausruhen sind zwei verschiedene Welten. Und das über Wochen. Da kommt Freude auf. Der Arzt wendet sich an mich. „Viele Kinder bemerken den Gips gar nicht. Solange sie keine Schmerzen hat, lassen sie sie ruhig spielen und toben. Alles natürlich nur so, dass nicht gleich der andere Arm auch noch kaputt geht“, sagt er.
Junas Anwesenheit wäre nicht wirklich von Nöten gewesen, denn der Doc spricht hervorragend englisch. Dennoch bin ich froh, dass sie hier bei mir ist.
Elva bekommt etwas gegen ihre Schmerzen und einen pinken Gips. Die Farbe durfte sie sich aussuchen, dann dürfen wir gehen. Wir sammeln die drei Mädchen ein und gehen ins Auto. Es ist bereits dunkel geworden. „Habt ihr Hunger?“ frage ich und zu meinem Erstaunen ist es Elva, die am lautesten schreit. „Jaaa!!! Ertönt es im Chor und ich lache. „Das ist eindeutig. Kann man hier gut irgendwo essen gehen?“ frage ich Juna. „Kommt drauf an. Was wollt ihr denn Essen?“ „Ich denke, das darf Elva heute entscheiden. Also, kleine Kröte, was möchtest du essen?“ frage ich an meine Mittlere gerichtet. „Ich will Pommes und Cheeseburger!“ lässt sie verlauten. „Also Pommes und Burger“, wiederhole ich und Juna lächelt. „Dann weiß ich, wo wir hinfahren“, meint sie und fährt ein paar Kilometer.Elva hat tierischen Hunger und verdrückt ein Kidsmenü mit Cheeseburger und Pommes und sogar die restlichen Nuggets von Alberta.
Gut gesättigt fahren wir nach Hause und lassen den Abend ruhig ausklingen. Später hat Elva wieder Scherzen und ich gebe ihr eine der Tabletten, die der Doc mir gegeben hat. Ich gehe eine letzte Runde mit Lenny und Elli, bevor ich meine Mädchen schließlich ins Bett bringe.
Als alles ruhig ist, geselle ich mich zu Juna, die Holz in den Kamin nachgelegt hat. Als sie sich aufrichtet, schließe ich sie in meine Arme, in die sie sich bereitwillig hineinschmiegt. Ich vergrabe meine Nase in ihr weiches Haar und kraule ihr sanft den Nacken. Ich will nicht nach Hause. Will nicht in die verrückte Welt zurück, die mich in London erwartet. Es ist ruhiger um mich geworden, dass schon, aber ich weiß, sobald jemand mitbekommen hat, dass ich wieder in der Stadt bin, wird die Jagt von neuem losgehen. Zumindest ist dafür gesorgt, dass man sich von meinen Mädchen fernhalten muss.
Ich werde mich mit Kenneth zusammensetzen und gemeinsam mit ihm einen Plan ausarbeiten, was das Drehen angeht und die Betreuung meiner Mädchen. Eine Nanny engagieren will ich nicht. Sicher können meine Schwestern die Drei hin und wieder zu sich nehmen, aber das sollte nicht die Regel sein. Vielleicht ist es möglich, dass die Mädchen am Nachmittag nach der Schule und dem Kindergarten am Set bleiben können. Wenn sie dort betreut werden könnten, wäre ich noch immer jederzeit da.
„Woran denkst du?“ reißt mich Juna aus meinen Gedankengängen. „Ich hab grade daran gedacht, dass ich eigentlich gar nicht zurück möchte. Mir gefällt die Ruhe hier“, gestehe ich. Sie schaut zu mir auf und lächelt sanft. „Du kannst jederzeit zurückkommen“, sagt die uns ich erwidere das Lächeln, streiche mit meiner Nasenspitze über ihre. Dann küsse ich sie sanft. Wie wird das mit uns weitergehen. Hat es Zukunft? Oder werden wir einfach Freunde bleiben. Ist das überhaupt möglich?Mein Handy klingelt und ich löse mich seufzend von Juna, schaue aufs Telefon. „Millie…“ murmle ich und Juna tritt einen Schritt zurück, streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Geh schon ran“, meint sie und lässt mich allein. Ich zögere und nehme schließlich das Gespräch an.
Juna
Ich lasse Jamie allein im Wohnzimmer und begebe mich nach oben ins Bad, um mir bequeme Sachen anzuziehen. Jamie hat ihr geschrieben und ihr die Sache mit Elva erzählt. Vermutlich will sie wissen, wie es ihr geht. Ich halte mich etwas länger im Bad auf und komme dann leise runter.
Als ich ins Wohnzimmer komme, sitzt Jamie auf dem Sofa und starrt auf sein Telefon, welches er in den Händen hält.
„Alles in Ordnung?“ frage ich leise und Jamie hebt seinen Blick. Er ist unergründlich. „Sie kommt nach Hause“, sagt er und ein Pfeil saust geradewegs in mein Herz. „Okay…“ erwidere ich und Jamie schluckt. „Sie… will zurück zu uns. Zu den Kindern und… zu mir….“ Er macht eine Pause. „Sie sagt, sie liebt mich…“
„Das ist…. Gut…“ murmle ich. Keine Ahnung, wem ich das einreden will. „Ist es das?...Juna… ich weiß nicht, was ich machen soll“, gibt er verzweifelt zu, legt sein Telefon auf den Couchtisch und kommt zu mir, nimmt meine Hände in seine. Ich atme tief durch und lehne meine Stirn an seine Brust. „Sie ist die Mutter deiner Kinder, deine Ehefrau…“ sage ich leise.
„Ja, aber… was ist mit uns?“ fragt er und ich schaue zu ihm auf. „Nichts ist mit uns. Jamie, das zwischen uns hatte nie Zukunft. Das weißt du….“
„Aber….“ Er bricht ab.
„Nichts aber. Du solltest zu ihr gehen und mit ihr reden. Wenn es eine Chance gibt, eure Ehe und eure Familie zu retten, solltest du sie nutzen“, sage ich sanft und er streicht über meinen Handrücken. „Und du…?“ Ich schenke ihm ein sanftes, gequältes Lächeln. „Ich werde immer deine Freundin sein. Du kannst dich jederzeit bei mir melden. Ich werde weiterhin immer für dich da sein“, versichere ich ihm. Ich weiß, es wird schwer für mich, aber ein Leben ohne ihn? Nein, dass möchte ich nicht. Erneut schluckt Jamie und lehnt seine Stirn an meine. „Du bist wundervoll“, sagt er sanft und legt seine Lippen auf meine. Ich weiß, es wird der letzte Kuss sein. Diese Erkenntnis trifft mich härter, als ich je angenommen habe und so löse ich mich schweren Herzens von seinen Lippen und lasse ihn allein. Ich kann jetzt nicht bei ihm sein.
Ich gehe in mein Schlafzimmer und lege mich aufs Bett, schluchze und weine bittere Tränen. Aber ich weiß, es ist das Richtige. Für ihn und vor allen für die Mädchen.
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Wenn das Leben dir Zitronen gibt
RomanceJamie und Juna. Zwei Menschen aus verschiedenen Welten. Juna schreibt eigentlich nur eine Nachricht an ihren verstorbenen Vater, die jedoch an Jamie geleitet wird. Sie kommen in Gespräch und zwischen ihnen entsteht eine besondere Freundschaft. Oder...