Trost?

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Hallo zusammen. Ich wollte euch darauf aufmerksam machen,  dass nicht mehr viele Kapitel folgen werden. Zwei um genau zu sein, dann folgt der Epilog. Junas und Jamies Geschichte ist erzählt. Ich danke euch für eure Klicks und Reviews.
Liebe Grüße und bis bald.
Eure Biene

48. Trost?

Jamie

Ich bleibe im Krankenhaus und warte, bis Juna aus dem OP kommt. Es dauert nicht lange und sie ist wieder im Zimmer, schläft aber wieder ein.
Als sie wach ist und gegessen hat, kann sie das Krankenhaus schon verlassen. Ich bringe sie nach Hause, verfrachte sie auf die Couch, wo sie auch gleich wieder einschläft und mache mich auch schon auf den Weg, meine Kinder abzuholen. Ich fühle mich wie betäubt, alles kommt mir so unwirklich vor und ich habe das Gefühl, als würde ich träumen. Schön wärs, aber dieser Alptraum ist harte Realität. Juna und ich haben mit dem Arzt gesprochen. Er meinte, dass sowas recht oft passiert, und es meistens nicht ohne Grund passiert, aber das tröstet uns nicht mal annähernd. Er meinte, wir könnten es wieder versuchen, sollten aber etwas warten, ein paar Monate ins Land ziehen lassen. Im Moment mag ich daran überhaupt noch nicht denken.

Alberta kommt freudestrahlend auf mich zu gelaufen und springt mir in die Arme. „Na, mein Babygirl, wie war dein Tag?“ frage ich sie und zu meiner Überraschung antwortet sie mir auf deutsch. „Toll. Hab mit Mina gespielt.“ „Wirklich? Das ist super“, antworte ich ebenfalls auf deutsch. Wobei sich meins wesentlich furchtbarer anhört, als Berties. Ich rede kurz mit Sarah. Sie ist Albertas Bezugsperson hier im Kindergarten. Sie drückt mir ein Bild in die Hand, welches meine Kleine für Juna gemalt hat und dann verabschieden wir uns. Bertie zieht sich ihre Schuhe an und ich helfe ihr in die Jacke. Dann fahren wir zur Schule und holen die beiden Großen ab.
Auch sie hatten einen schönen Tag in der Schule und ich bin froh, dass Ihnen die neue Schule gefällt. Sie haben sogar schon Freunde gefunden und Elva fragt mich, ob Larissa nicht heute Nachmittag zu Spielen kommen könnte. „Heute nicht, Spatz. Juna geht es nicht gut. Wir sollten ihr Ruhe gönnen. Wir können schauen, wie es ihr in ein oder zwei Tagen geht, ok?“ vertröste ich meine Mittlere und sie nickt. „Na gut“, gibt sie etwas enttäuscht nach. Es tut mir leid, dass ich ihr diesen Gefallen nicht tun kann, aber ich denke, es wäre zu viel für Juna. Und für mich ehrlich gesagt auch. „Vielleicht kannst du ja zu ihr? Ruf sie doch nach den Hausaufgaben an und frag sie“, schlage ich ihr vor und das Gesicht meiner Tochter erhellt sich wieder. Ich versuche, meinen Kindern meine Trauer nicht anmerken zu lassen, doch natürlich ist Dulcie feinfühlig wie immer. „Ist alles gut, Daddy?“ fragt sie mich und ich lächle sie durch den Rückspiegel an. „Ja, Süße. Alles gut“, versichere ich ihr. Sie muss von meinem Kummer nichts wissen. Sie nickt und lässt es gut sein, auch wenn ihr Blick mir zeigt, dass sie sehr wohl weiß, dass was im Busch ist.
Als wir Zuhause ankommen, bitte ich meine Mädchen, leise zu sein, und Juna nicht zu wecken. Die aber, sitzt in der Küche und trinkt Tee. „Hey meine drei Süßen“, begrüßt sie meine Töchter lächelnd und wird von allen Dreien umarmt, wobei Alberta natürlich wieder auf ihren Schoß will. Ich will sie aufhalten, doch da hat Juna sie schon hochgezogen. „Wie war euer Tag?“ fragt sie meine Töchter und sie erzählen ihr gut gelaunt von ihrem bisherigen Tag. Ich sehe Juna zweifelnd an, doch sie schenkt mir ein kleines, liebevolles Lächeln. Es geht ihr gut soweit, wie es scheint. Die Anwesenheit der Mädchen tut ihr jedenfalls gut. „Daddy hat gesagt, dir geht es nicht so gut“ plappert Elva. „Ich hab etwas Bauchweh und bin müde“, erklärt Juna ihr. „Ok“, erwidert meine Tochter und damit gibt sie sich zufrieden. Zum Mittagessen schiebe ich Fisch in den Ofen und koche Reis dazu. Mir ist nicht danach, großartig zu kochen. Ich hab nicht mal Hunger, aber die Mädchen müssen essen. Und Juna sollte auch was essen. Sie sieht noch blasser aus, als heute morgen. Als Liva kommt, essen wir und ich bin froh, dass Juna auch etwas isst. Ich hingegen kriege keinen Bissen hinunter. Es ist, als läge ein dicker Brocken Irgendwas in meinem Magen. „Willst du nichts essen, Daddy?“ fragt mich Dulcie. „Später, Spatz. Ich mag grad nichts.“ „Oh oh“ kommt es von Elva. „Ich glaub, du hast dich bei Juna angesteckt. Du hast doch sonst immer Hunger“, merkt sie an und Juna lacht, bringt mich damit auch zum schmunzeln. „Ich glaube nicht“, beruhige ich sie dann. „Ich hab einfach gut gefrühstückt“, flunkere ich stattdessen.
Nach dem Essen geht Liva in ihr Zimmer, um Hausaufgaben zu machen und Elva ruft ihre Freundin an und fragt, ob sie bei ihr spielen können. Auch sie spricht schon viel besser deutsch als ich. Kindern fällt es so viel leichter. Liva übt sehr viel mit ihnen. Schon bei unserem ersten Besuch hier hat sie das getan.
Ich helfe meinen Mädchen bei den Hausaufgaben und bekomme bei Elva mal wieder fast die Krise. Sie lässt sich andauernd ablenken. „Elva! Wenn das jetzt nicht funktioniert, kannst du deine Freundin wieder anrufen und ihr absagen“, mahne ich sie und sie macht endlich, aber mit Gemoser ihre Hausaufgaben.
„Kann ich dir noch was gutes tun?“ frage ich Juna, die auf dem Sofa liegt und etwas Fern sieht. „Kannst du mir nochmal das Körnerkissen warm machen?“ bittet sie mich. „Sicher. Sonst noch was? Was trinken? Knabbern?“ „Tee wäre lieb.“ Ich nicke, gebe ihr einen Kuss und gehe zurück in die Küche, mache Tee und das Körnerkissen warm.
„Ich fahre eben los, Elva zu ihrer Freundin bringen. Wenn was ist. Ruf an, ja?“ sage ich zu Juna und sie lächelt. „Ich komme schon eine viertel Stunde ohne dich aus“, versichert sie mir und stiehlt sich einen Kuss, streicht mir über die Wange. „Fahr vorsichtig“, bittet sie mich auch diesmal und ich nicke.
Mir ist zum heulen zumute, doch ich schlucke es runter, wie ich es immer tue. Ich bringe Elva zu ihrer Freundin, die im Ort wohnt und sage ihrer Mutter, dass ich sie um 18 Uhr wieder abhole.
Ich fahre nach Hause und wäre beinahe über eine rote Fußgängerampel gefahren. Ich fluche über mich selbst und mahne mich zur Beherrschung.
Zuhause angekommen schläft Juna wieder und ich verhalte mich so leise wie möglich. Dulcie ist mit Bertie draußen im Garten und ich schaue ihnen einen Moment zu, gehe dann in die Küche und mache mir einen Kaffee. Ich komme mir verloren vor, weiß nicht recht, was ich machen soll. Noch immer ist da dieser dicke Brocken auf meiner Brust, der mich nicht richtig atmen lässt. Ich will mich ablenken, weiß aber nicht wie. „Du, Jamie…“ höre ich Liva sagen und ich fahre erschrocken herum. „Oh, hey. Was gibt’s?“ frage ich sie und lächle. „Kannst du mir vielleicht in Mathe helfen? Ich mag Mami nicht wecken“, bittet sie mich und ich strecke den Arm nach ihrem Heft aus. „Na klar, lass mal sehen.“ Ich bin zwar kein Matheass, aber für das Niveau der 7 Klasse sollte es reichen. Ich werfe einen Blick auf die Aufgaben. Ah, Dreisatz. Das ist einfach. Man muss nur logisch denken. Und es wäre von Vorteil, wenn man die Sprache beherrscht. Ich lese mir die Aufgabe durch und versuche sie zusammen zu bekommen. „Darf ich dich was fragen?“ bittet mich Liva und ich sehe von ihrem Heft auf. „Natürlich. Du kannst mich alles fragen“, versichere ich ihr und sie druckst noch etwas. „Raus mit der Sprache“, muntere ich sie auf und lächle. „Hat Mami ein Baby in ihrem Bauch?“ fragt sie mich dann und ich schlucke. „Wie… kommst du darauf?“ frage ich. „Sie ist immer so müde und sie legt oft ihre Hand auf ihren Bauch. Das macht sie sonst nie“, erklärt sie und ich seufze. „Nein, Süße. Sie hat kein Baby in ihrem Bauch. Nicht mehr…“, sage ich wahrheitsgemäß. Sie ist ein schlaues Mädchen und wird auch hier eins und eins zusammenzählen können, wenn Juna plötzlich wieder damit aufhört, die Hand auf ihren Bauch zu legen.  „Oh…“ macht sie und sieht mich mitleidig an. „Das tut mir leid.“ Sie legt ihre Hand auf meine und ich will am liebsten in Tränen ausbrechen. Ich streiche ihr über den Kopf und drücke sie kurz an mich, drücke ihr einen Kuss auf den Scheitel. „Aber… ihr könnt es ja wieder versuchen. Ich hätte gern eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder“, lächelt sie. „Wir werden sehen. Außerdem hast du doch irgendwie drei kleine Schwestern“, erinnere ich sie und Liva kichert. „Stimmt. Ich hab sie auch so lieb“, stellt sie fest. „Und sie dich“, versichere ich ihr und sie lächelt. Aber dann wird ihr Blick nachdenklich. „Ich werde nie ein eigenes Kind haben“, meint sie dann. „Denkst du das? Es gibt doch viele Möglichkeiten“, gehe ich auf ihre Bemerkung ein. „Ja, aber ich kann ja nicht schwanger werden. Auch wenn ich irgendwann ein richtiges Mädchen bin. Ich habe ja keine Gebärmutter. Die kann man aus meinem Schniedel nicht machen“, meint sie. „Das ist richtig. Aber vielleicht kannst du etwas von deinem Sperma einfrieren lassen“, überlege ich. „Geht das denn?“ „Ja. Also im Normalfall schon. Ich weiß nicht direkt, wie es bei dir ist, weil deine männliche Pubertät unterdrückt wird und du stattdessen weibliche Hormone bekommst. Aber vielleicht ist da irgendwas möglich“, überlege ich und Liva lächelt. „Das muss ich mal nachfragen. Vielleicht verliebe ich mich ja mal in eine Frau. Dann kann die mein Baby bekommen. Oder eine Leihmutter“, überlegt sie. „Vielleicht. Aber glaub mir Liva, man kann auch Kinder lieben, die nicht die eigenen sind.“, versichere ich ihr und lächle sie an. Sie sieht mich mit leuchtenden Augen an und umarmt mich. Ich drücke sie fest an mich und streiche ihr über die Haare. „Ich hab dich unglaublich lieb, Liva. Du bist ein ganz wunderbares Mädchen“, mache ich ihr klar und sie drückt mich etwas fester. „Ich hab dich auch lieb, Jamie. Und du bist auch ein toller Stiefpapa." Ich lasse sie los und strubble ihr grinsend durch die Haare. Was sie sagt, macht mich sehr glücklich. „Niiich!“ kichert sie und ich lache, wende mich wieder ihrem Matheheft zu. „So, jetzt werden aber deine Hausaufgaben gemacht“, erinnere ich sie und schaue nochmal auf die Aufgabe und seufze. „Aber zuerst… musst du mir deutsch beibringen.“ „Na gut. Also, da steht….“ Ich höre ihr aufmerksam zu und bin einfach glücklich und dankbar, dass sie zu meinem Leben gehört und sie mich in diesem Moment auf andere Gedanken bringt.

Juna

Ich habe gehört, wie Jamie und Liva sich unterhalten haben. Irgendwas mit Kinder, Jungs und Pubertät. Ich weiß nicht genau, um was es geh, aber ich bin froh, dass sich Liva auch Jamie anvertrauen kann. In manchen Situationen kann er sie vielleicht sogar besser verstehen, als ich.
Ich erhebe mich etwas schwerfällig, denn noch immer zwickt und piekst es überall. Ich bin müde. Aber ich habe zumindest keine Schmerzen mehr. Zumindest im Moment nicht. Ich gehe in die Küche und bleibe im Türrahmen stehen. Beobachte meine Tochter und meinen Freund, wie sie die Köpfe zusammen gesteckt haben und gemeinsam lernen. Jamie lernt Deutsch und Liva Mathe. Ich lächle und gehe zu beiden hinüber, streiche Liva übers Haar und schenke Jamie ein sanftes Lächeln, als er zu mir aufsieht. „Wie geht es dir, Mami?“ fragt Liva mich. „Schon viel besser“, sage ich, obwohl das nicht ganz stimmt. Jamie lächelt leicht, wenn auch etwas schwermütig. Ihn nimmt die Sache genauso mit. Er hat ganz schön zu kämpfen und ich hoffe, ihm ist klar, dass er nicht immer stark sein muss. „Möchtest du einen Kaffee?“ frage ich Jamie und gehe zur Küchenzeile, mache mir Teewasser an. „Nein danke. Hatte schon“, winkt er ab.

Mit meinem Tee setze ich mich zu den Beiden und ziehe meine Beine an. So ist der Druck etwas besser auszuhalten. Jamie sieht müde und abgekämpft aus und wenn Liva ihre Hausaufgaben gemacht hat, soll auch er sich ausruhen. Außerdem brauche ich seine Nähe.
Als Liva ihr schulheft zusammengeklappt und weggeräumt hat, geht sie nach draußen zu Dulcie und Alberta, um mit ihren zu spielen. Ich greife über den Tisch nach Jamies Hand und er verschränkt unsere Finger ineinander. „Kommst du mit aufs Sofa?“ frage ich ihn. „Ich wollte noch einkaufen fürs Abendessen“, meint er. „Lass uns einfach was bestellen. Ich kann auch morgen einkaufen fahren“, schlage ich vor. „Ich will nicht, das du schwer trägst.“ „Es sind nur ein paar Sachen. Das schaffe ich“, mache ich ihm klar. „Wir haben kein Brot mehr…“ „Hol den Mädchen morgen früh eben Brötchen. Ich kann Liva Geld mitgeben.“ „Aber…“ „Bitte Jamie“, bitte ich ihn und er seufzt. „Okay“, gibt er noch und steht auf. Wir gehen rüber und er setzt sich. Ich lege mich hin und lege meinen Kopf auf seinen Schoß. Er streicht mir mir den Fingern durch die Haare und starrt quasi vor sich an die Wand. „Sag was“, bitte ich ihn. „Was willst du denn hören?“ will er wissen und klingt beinahe trotzig. Ich setze mich auf und nehme seine Hand. „Sag mir, was du denkst.“ „Lieber nicht..“ murmelt er und ich schlucke. Gibt er mir doch die Schuld? Ich sehe ihn an, doch er erwidert meinen Blick nicht. Ich lasse seine Hand los und stehe auf. „Dann fahr eben einkaufen“, sage ich und gehe nach oben. Ich verkrümle mich ins Bett und kaum habe ich die Decke hochgezogen, überkommt es mich und ich schluchze.
Es dauert nicht lang und die Tür öffnet sich und Jamie legt sich zu mir, und schlingt seinen Arm um mich. Er drückt mir einen Kuss in den Nacken. „Es tut mir leid“, sagt er leise du. Ich schluchze erneut. „Ich hab das nicht gewollt“, weine ich. „Das weiß ich doch“, erwidert er sanft. „Aber du…“ „Ich gebe dir nicht die Schuld, Honey“ sagt er ich schniefe. „Aber, du hast gesagt…“ „…dass ich lieber nicht sage, was ich denke. Weil ich selbst nicht weiß, was ich denken soll. Ich bin wütend,  verzweifelt, ratlos, traurig. Und ich weiß nicht wohin mit mir. Ich will nicht darüber nachdenken, was passiert ist, weil ich….“ Er bricht ab und schnauft. „Jamie… Du darfst wütend sein und verzweifelt. Ratlos, traurig. Ich bin es auch. Und ich brauche dich“, mache ich ihm klar. „Und darum denke ich lieber nicht daran. Damit ich für dich da sein kann.“ „Das bist du doch. Du musst nicht immer stark sein Jamie. Das weißt du doch. Hör auf, immer der Starke sein zu wollen. Wir können uns gegenseitig halten“, versuche ich es ihm klar zu machen und er zieht mich fest in seine Arme. Ich umschlinge ihn mit meinen und ziehe Kraft aus dieser Nähe. Jamie spendet mir Trost, aber er selbst kann nicht aus seiner Haut. Er kämpft krampfhaft gegen diesen Schmerz an, und ich weiß nur zu gut, dass es umso schlimmer ist, ihn zu verdrängen.
Ich löse meine Umklammerung und sehe ihn an. Er streicht mir sanft lächelnd über die Wange. „Ich sollte wirklich kurz losfahren. Ich muss eh Elva bald abholen“, murmelt er dann und ich seufze, lasse ihn jedoch los. „Okay“, gebe ich nach und wische mir die Augen trocken.
Ich gehe mit ihm runter, schreibe ihm einen Einkaufszettel und seufze, als er das Haus verlässt.
Ich muss ihm wohl noch etwas Zeit geben.

Wenn das Leben dir Zitronen gibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt