Jamie
Etwas später lassen es Juna und ich uns im Wellnessbecken gut gehen. Die Mädchen toben, wo alle, bis auf Alberta stehen können. Doch sie hat ihre Schwimmflügel um und ihre älteste Schwester passt gut auf sie auf. Auch ich habe natürlich immer ein Auge auf die Drei. „Darf ich dir eine indiskrete Frage stellen?“ wende ich mich an Juna. „Klar“, meint sie aufgeschlossen. „Naja, du sagtest ja, dass Liva genetisch gesehen noch ein Junge ist. Wie macht ihr das, sowie jetzt beim Schwimmen?“ frage ich, denn sie würde niemals als Junge durchgehen. „Sie trägt eine spezielle Badehose, und das Röckchen verdeckt den Rest“, erklärt sie. „Ah. Gute Lösung“, meine ich. „Ja, bevor wir diese spezielle Hose hatten, war es undenkbar, mit ihr in ein öffentliches Schwimmbad oder an den See zu fahren.“ „Kann ich mir vorstellen. Sie wirkt jetzt dafür sehr glücklich und ausgelassen. Ich wusste nicht mal, dass es so Etwas gibt.“ „Ich auch nicht und ich weiß auch nicht, ob es überhaupt so zu kaufen gibt. Ich habe mich mit Leuten im Forum ausgetauscht, derren Kinder in der selben Situation stecken, wie Liva. Da habe ich diese Hose von einer Bekannten bekommen. Die hat sie selbst gemacht“, erklärt sie mir. „Das ist nett. Du bist also in Foren und so?“ frage ich interessiert. „Ja. Ich habe sonst niemanden, mit dem ich mich austauschen könnte. Ich bin dankbar für diese Möglichkeit. Ich hätte sonst nicht gewusst, was ich hätte machen sollen.“ „Du hast meinen vollen Respekt dafür“, sage ich. „Ich wüsste auch nicht, was ich machen würde. Es zu akzeptieren ist ja eine Sache, dem Kind aber wirklich zu helfen, vermutlich eine ganz andere.“ „Ja, allerdings“, stimmt sie mir zu. „Ich finde, du machst deine Sache großartig. Liva ist glücklich und das hat sie bestimmt größtenteils dir zu verdanken.“ „Danke“, meint sie und wird tatsächlich etwas rot. „Aber wir tun doch immer alles erdenkliche, um unsere Kinder glücklich zu machen, oder? Ich meine, sieh dir deine drei Mädchen an. Ihre Mutter ist nicht da und sie sind so ausgelassen. Das haben sie dir zu verdanken“, sagt sie und ich seufze. „Sie haben in den letzten Wochen ziemlich gelitten. Vor allem DD. Dass sie jetzt so ausgelassen ist, haben wir wohl eher dir zu verdanken“, mache ich ihr klar und Juna streicht sich eine nasse Haarsträhne hinters Ohr. „Ihr hättet woanders bestimmt auch abschalten können“, wendet sie ein. „Aber ich wusste nicht wohin. Ich wollte in kein Hotel. Und allein sein wollte ich erst recht nicht. Ich habe einen Freund gebraucht“, mache ich ihr klar und lege meine Hand auf ihre. Sie hebt ihren Blick und mein Herz setzt einen Moment aus. Ihr Blick ist sanft und so… voller Zuneigung. Wie habe ich jemals an ihrer Ehrlichkeit zweifeln können? Mein erster Impuls ist es, sie zu küssen, doch ich erschrecke beinahe selbst vor diesem Gedanken. Sie ist atemberaubend schön, und scheinbar hat sie keine Ahnung davon. Sie in diesem Bikini zu sehen, ist eine Augenweide. Sie hat einen tollen Hintern und... Etwas passiert gerade in mir und ich weiß nicht, ob es gut ist. Ich weiß nur, dass ich ihre Nähe genieße. Ich zehre Kraft aus ihrer Anwesenheit. Jemanden zu haben, mit dem ich reden kann, der mir wirklich zuhört.
Ihre Freundschaft ist mir so unglaublich wichtig, dabei kennen wir uns kaum. Aber die Gespräche mit ihr, das Austauschen. Das alles bedeutet mir unglaublich viel.„Daddy!“ reißt mich Elva aus meinen Gedanken und ich reiße meinen Kopf herum.. Etwas zu hastig, denn es knackt in meinem Nacken und ein heftiger Schmerz durchzuckt mich. „Oh verdammt“, fluche ich und drehe meinen Kopf langsam zurück, reibe mir den Nacken. „Alles okay?“ fragt mich Juna. „Jaja. Geht schon“, winke ich ab und bewege langsam meinen Kopf hin und her. Es schmerzt noch immer, doch ich ignoriere es. „Daddy!“ ruft Elva erneut und ich wende meinen Kopf wieder in ihre Richtung. Diesmal langsam. Elva steht am Beckenrand, hält sich die Nase zu und springt ihn Wasser. Als sie wieder auftaucht, klatsche ich. "Super gemacht, meine Große!“ lobe ich sie. Sie hatte immer Angst zu springen. „Und jetzt vom ein Meter Brett?“ frage ich sie. „Neiiiin!!!!“ ruft sie und ich lache. „Und wenn ich dich auffange?“ biete ich ihr an und sie überlegt. „Oke!“ ruft sie und ich stehe auf. Juna nimmt Bertie auf den Arm und sie und die anderen beiden Mädels folgen uns.
Juna
Alberta hat endlich Vertrauen in mich und lässt sich von mir auf den Arm nehmen. Zusammen mit den Anderen gehen wir zurück ins große Becken und diesmal wagt sie es sich, mich loszulassen. Sie paddelt ihrer Schwester und Liva hinterher, während Jamie schon vor dem Sprungbrett auf der Stelle schwimmt und Elva auf das ein Meter Brett steigt. Als sie vorn steht schaut sie skeptisch. „Ich trau mich nicht“, sagt sie. „Du schaffst das. Ich bin hier und fang dich auf“, versichert ihr Jamie und breitet seine Arme aus. Elva zögert noch. „Versprochen?“ erkundigt sie sich. „Hoch und heilig“, verspricht Jamie und dann springt sie. Jamie fängt sie wie versprochen auf und nach Luft schnappend taucht Elva wieder auf. „Ich bin gesprungen!“ freut sie sich. „Hast du das gesehen, Daddy?“ fragt sie und Jamie lacht. „Natürlich hab ich das gesehen. Große Klasse, Elva. Ich bin stolz auf dich“, sagt er lächelnd udn drückt ihr einen Kuss auf. Er ist so toll mit seinen Mädchen. Er liebt sie so sehr und dass er Liva so akzeptiert, wie sie ist, bedeutet mir viel. Kinder sind oft viel toleranter als Erwachsene. Viele der Eltern aus Livas Schule waren anfangs skeptisch. Hatten Bedenken, grad was den Sport und Schwimmunterricht angeht. Im Schwimmunterricht ist es den Schülern gestattet, beim Umziehen Einzelkabinen zu benutzen statt der Sammelumkleiden. Und im Sportunterricht trägt Liva bereits ihren Speziellen Slip. Er stört sie nicht und sie fühlt sich nicht eingeengt.
Jamie hatte von Anfang an keinerlei Bedenken. Seine Frage vorhin war mir nicht unangenehm. Es war aus bloßem Interesse. Er interessiert sich dafür, wie ich damit umgehe und damit klar komme. Es ist wahre Interesse, nicht bloß Neugier. Er interessiert sich wirklich für meine Gedanken.
Als er mich vorhin so intensiv angesehen hat, durchfuhr es mich. Mein Herz schlug mit bis zum Hals und ich konnte meinen Blick nicht von seinen Lippen wenden. Sie waren leicht geöffnet und sein Blick war auf meinem Geheftet. Er war so nah und ich sah ihm in die Augen. Sie sind tiefblau, unergründlich wie der Ozean und doch voller Sehnsucht.
Elvas Rufen hat uns schließlich aus einer Starre gerissen und Jamie hat seinen Kopf herumgerissen. Ich habe es knacken gehört und er zuckte zusammen. Er meine es würde gehen, doch ich werde ihm im Auge behalten.
Elva ist stolz über ihren Sprung vom ein Meter Brett und kann nicht aufhören, immer und immer zu springen. „Ich hab Hunger, Mama“, meint Liva irgendwann und das ist das Schlagwort für alle. Wir gehen zurück an unseren Platz und die Kinder lassen sich die Leckereien schmecken. Jamie isst ein paar Apfelschnitze und Gummibärchen, während ich irgendwie keinen Hunger habe, aber ein paar Cracker knabbere. Mein Bauch ist voll. Voll von Emotionen. Jamie ist ein wundervoller Mensch. Sein Sinn für Humor, seine Empathie, die Liebe zu seinen Mädchen. Vor allem seine Liebe. Das alles ist einfach wunderbar. Und, Gott, er sieht so wahnsinnig gut aus.
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Wenn das Leben dir Zitronen gibt
RomanceJamie und Juna. Zwei Menschen aus verschiedenen Welten. Juna schreibt eigentlich nur eine Nachricht an ihren verstorbenen Vater, die jedoch an Jamie geleitet wird. Sie kommen in Gespräch und zwischen ihnen entsteht eine besondere Freundschaft. Oder...