Wenn das Leben die Zitronen gibt

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Juna

Der folgende Tag ist regnerisch und bis auf einen Spaziergang mit den Hunden, haben wir es gemieden rauszugehen. Am Machmittag sitzen wir am Esszimmertisch und basteln mit den Mädchen ihre Laternen. Liva bastelt mit Dulcie, ich helfe Elva, während Jamie eine Fackel mit Alberta bastelt. Er versucht es zumindest. Er hat mehr Kleber an seinen Fingern, als an der aufgeschnitten Plastikflasche, die sie mit Seidenpapier bekleben wollen. Aber er hält sich mit Flüchen zurück, auch wenn es ihm ziemlich schwer fällt. Dulcies Hauslaterne nimmt bereits Gestalt an und auch Elvas Laterne mit Wachspapier und gesammelten Blättern sieht bereits auch nach Laterne aus. „Gott, verfl…“ entfährt es Jamie, dem das Seidenpapier an den Fingern klebt und Bertie lacht sich kringelig. „Aus Daddy wird nie ein Bastler“, meint Dulcie und kichert. Elva hilft gnädiger weise ihren Vater und zupft ihm das Papier von den Fingern. Ich kichere und Jamie verkneift sich nun auch ein Lachen. Irgendwann hat die Fackel genug Seidenpapier, wobei auch einige Schnipsel auf dem Boden gelandet sind, aber das ist nicht schlimm. Nun muss er noch die kleine Lichterkette in die Fackel kleben und den Stock an den Deckel.  Das macht er mit der Heißklebepistole, wobei er sich mindestens drei mal verbrennt. „Scheiße!“ kann er sich dann doch nicht verkneifen zu fluchen. „Daddy, du sollst nicht Scheiße sagen“, beschwert sich Elva. „Du aber auch nicht“, wendet er ein und steckt sich den Finger in den Mund, den er sich schon wieder verbrannt hat. Schließlich sind alle Laternen fertig und wir trinken einen heißen Kakao, damit alles trocknen kann. Als es dämmert, wollen die Mädchen sie natürlich ausprobieren. Wir schnappen uns Kinder und Hunde und gehen mit den Lernen raus. Es nieselt noch, aber das stört die Mädchen nicht. Die Laternen leuchten zu sehen ist ihnen viel wichtiger. Alberta hat irgendwann keine Lust mehr zu laufen uns sitzt stattdessen bei Jamie auf der Schulter, hält ihm immer wieder die Fackel vors Gesicht, bis ich sie ihr lachend abnehme.
Es wird zunehmend kälter, weswegen wir uns auf den Rückweg machen. Dort angenommen, setzt Jamie seine Jüngste von seinen Schultern, wobei es wieder hörbar knackt und er zusammenzuckt.
„Darf ich mir gleich mal deinen Nacken ansehen?“ frage ich ihn und er sieht mich einen Moment an, nickt dann.
Ich helfe Alberta, ihre dicke Jacke und die Schuhe auszuziehen und dann spielen die Mädchen mit der Legokiste, die ich für unseren Besuch aus dem Keller geholt habe. Ich erwärme ein Moorkissen für Jamies Nacken und bitte ihn dann, sich oben im Gästezimmer aufs Bett zu legen. Ich lege das Moorkissen auf seinen oberen Rücken und lasse ihn ein Paar Minuten allein, in denen er sich entspannen soll.
Ich schiebe derweil den Braten in den Ofen, den ich gestern Abend noch vorbereitet habe. Dann gehe ich wieder zu ihm. „Angenehm?“ frage ich und ihm entkommt ein schläfriges „hmm.“ Ich schmunzle, nehme das Kissen von seinem Rücken und setzte mich an den Bettrand, verteile etwas Massageöl in meine Hände. „Ich hoffe, meine Hände sind warm genug“, sage ich und beginne, ihn zu massieren. Er hat eine trainierte Muskulatur, das kann ich nicht nur unter meinem Fingerspitzen fühlen, sondern ich kann es klar und deutlich sehen. Er ist sehr verspannt und ich weiß, dass es mit einem Mal nicht getan ist. Aber er ist ja noch ein paar Tage hier. „Hast du schon länger Probleme damit?“ frage ich ihn und er stöhnt auf, als ich einen weiteren harten Punkt massiere. „Hin und wieder“ gibt er zu. „Seit wann?“ „Weiß nicht. N paar Monate… vielleicht länger…“ vermutet er. „Schläfst du gut?“ „Nicht wirklich.“ Das habe ich mir gedacht. „Du bist sehr verspannt. Du solltest dir hin und wieder was Gutes tun. Nimmst du dir mal ne Auszeit?“ frage ich und er schnauft. „Wann denn?“ „Na, wenn die Mädchen im Bett sind zum Beispiel? Ein entspannendes Bad, oder eine Massage…“ „Wenn die Mädchen im Bett sind dauert es meist nicht lange und ich gehe selbst schlafen. Manchmal gönne ich mir ein Bier oder ein Glas Wein. Meistens dann, wenn wir beide Telefonieren“, sag er. Schmunzelt er? „Alkohol gehört aber nicht zum Entspannungsprogramm“, tadle ich schmunzelnd. „Gönn dir zwischendurch ein heißes Bad. Wenigstens einmal die Woche“, schlage ich vor. „Ich versuchs“, murmelt er und stöhnt wieder. „Hast du Spaß dran, andere zu quälen?“ fragt er zähneknirschend und ich lache. „Ich habe mit keiner Silbe erwähnt, dass es angenehm wird. Beim nächsten Mal wird es vermutlich nicht mehr so sehr wehtun.“, besänftige ich ihn. „Beim nächsten Mal? Du willst mich also nochmal quälen?“ Er schielt mich mit einem Auge an, was mich wieder zum Lachen bringt. „Ja. Mindestens zwei mal noch“, versichere ich ihm und er schnauft. Ich lasse von ihm ab und muss zugeben, dass es sich gut anfühlt hat, seine Haut unter meinen Fingern gefühlt zu haben. Er ist so warm und seine Haut so weich. Und es geht ein unvergleichlicher Geruch von ihm aus. Maskulin, rein und frisch. Ich muss mir ein Seufzen unterdrücken. Ich laufe Gefahr, mich derbe in ihn zu verknallen. Und dass das keine Zukunft haben würde, muss ich ja wohl nicht erklären.
„So, das wars erstmal“, sage ich und erhebe mich, wische meine Hände an einem Handtuch ab. „Danke“, sagt er und rollt seine Schultern, dreht seinen Kopf hin und her. „Du solltest schnelle Bewegungen vermeiden“, rate ich ihm und sehe ihm zu, wie er sich sein Shirt und den Pullover wieder anzieht. Wieder unterdrücke ich ein Seufzen, als ich das Muskelspiel seiner Arme beobachte und seine Bauchmuskeln betrachte. Ich wende den Blick ab, denn ich fühle mich wie eine Gafferin. Ich nehme das Handtuch und das Moorpack und gehe nach unten. Die Mädchen sitzen noch an der Legokiste, wobei Elva ständig herumturnt. Sie kann nicht eine Minute stillsitzen. Ich schmunzle. „Das macht sie immer. Sie ist nicht still zu kriegen“, meint Jamie und ich drehe mich zu ihm um. „Da ist sie aber nicht die Einzige“, sage ich und Jamie hebt fragend eine Augenbraue. „Na, du bist auch ständig in Bewegung. Wackelst mit dem Fuß, änderst deine Sitzhaltung, reibst deine Hände aneinander. Ziehst an deinen Ohren…“ zähle ich auf. Wird er etwa rot? Ich kichere. „Muss dir nicht peinlich sein.“ „Mir war nicht klar, dass es so schlimm ist“, murmelt er und ich schmunzle. „Möchtest du noch einen Kaffee?“ frage ich und wechsle somit das Thema. „Ja gern.“
Ich stelle ihm einen Kaffee hin und mache mir auch einen. Dann mache ich mich daran, den Rosenkohl zu putzen. „Kann ich dir was helfen?“ fragt Jamie dann. „Wenn du möchtest, gern. Du könntest die Kartoffeln schälen“ sage ich und deute ihm, wo er alles findet.

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