Willkommen in Belfast

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29. Willkommen in Belfast

Jamie

Lächelnd sitzt Juna neben mir und schaut sich die Stadt an, die an uns vorbeirauscht. Wir sind soeben in Belfast gelandet und lassen uns nun vom Taxi nach Holywood fahren. Zu meinem Elternhaus, dort, wo ich aufgewachsen bin. Juna ist sehr gespannt auf das Haus. Ich habe ihr gesagt, dass man von meinem Zimmern aus das Meer sehen kann. Sie liebt das Meer, genauso wie ich. Ich bin mit dem Rauschen des Meeres aufgewachsen. Kann dann am besten schlafen, wenn es Regnet oder ich das Meer rauschen höre. Die Meeresluft macht einen herrlich müde und nur selten habe ich hier Probleme mit dem einschlafen. Manchmal liege ich mehr als eine halbe Stunde wach, denke über alles mögliche nach. Hier jedoch konzentriere ich mich auf das Rauschen des Meeres und es dauert nur wenige Augenblicke und ich bin im Land der Träume.
Nach nur wenigen Fahrminuten hält das Taxi und Juna schaut mich verwundert an. „Wir sind da“, verkünde ich und zeige auf das Haus zu unserer Rechten. „So nah?“ fragt sie erstaunt. „Ja, wenn ich nur einen Rucksack als Gepäck dabei habe, kann es durchaus sein, dass ich zum Haus laufe“, erzähle ich. Ich genieße jedes Mal den Moment, wenn ich aus dem Flugzeug steige und die Heimatliche Luft Belfasts schnuppere. Ich helfe Juna beim Aussteigen und nehme dann das Gepäck in Empfang. Ich bezahle den Fahrer mit einem nettes Trinkgeld und er düst davon. Juna humpelt auf Krücken die Treppenstufen zur Haustür hinauf, wo ich die Türe aufschließe. „Wir sind da!“ rufe ich ins Haus und höre sofort die Krallen meines Hundes auf den Fußboden heraneilen. „Langsam“, sage ich und gehe in die Knie, lasse mich von Lenny begrüßen, der gar nicht aufhört zu Jaulen. „Ist ja gut. Du tust ja so, als wäre ich Monate weg gewesen“, lache ich. „Also ich hab dich tatsächlich einige Wochen nicht gesehen“, beschwert sich meine älteste Schwester Liesa und ich grinse. „Was kann ich dafür, dass du so viel arbeiten musst“, necke ich sie und erhebe mich, ziehe sie in eine liebevolle Umarmung. „Hey, Kleiner. Frohe Weihnachten“, sagt sie sanft und ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange. „Frohe Weihnachten. Aber du bist die Kleinere“, erinnere ich sie und lasse von ihr ab, stelle ihr meine Freundin vor. „Das ist Juna. Juna, meine älteste Schwester Liesa“, mache ich die beiden bekannt. Juna lächelt freundlich und offenherzig, wie sie immer ist. „Freut mich sehr“, meint sie und reicht meiner Schwester die Hand, die sie ergreift. „Vielen Dank. Willkommen in Belfast“, wünscht sie Juna und ich bin nicht überrascht, dass Liesa distanziert wirkt. „Mach dir keine Sorgen. Sie taut schon noch auf“, spreche ich Juna gut zu. „Wo ist der Rest?“ frage ich und schaue um die Ecke. „Ein kleiner Spaziergang. Sie müssten gleich zurückkommen“, erklärt Lies. „Hey, James“, begrüßt mich Michael, Liesas Ehemann und mein Schwager, zieht mich in eine kurze, freundschaftliche Umarmung, wendet sich dann Juna zu. „Du musst Juna sein. Ich bin Michael“, lächelt er meiner Freundin zu, die das Lächeln erwidert. „Ja, richtig. Freut mich, Michael.“
Ich führe Juna erstmal in die Küche, damit sie sich setzen kann und hole uns etwas zu trinken aus dem Vorratsraum.

„Onkel Jamie!“ höre ich und schon kommen die vier Kinder angelaufen und umzingeln mich. „Hey, ihr Räuber“, begrüße ich meine zwei Neffen und beide Nichten, stelle ihnen dann Juna vor. Jessica umarmt Juna sofort liebevoll, dann erst mich. Ich begrüße John, meinen Schwager und stelle ihm ebenfalls meine Freundin vor.
„Wollt ihr Kaffee?“ fragt Liesa und alle Antworten einstimmig, also setzt sie eine Kanne auf.
Meine Nichten und Neffen machen sich über die Geschenke her, die ich ihnen mitgebracht habe und freuen sich darüber. Lenny liegt entspannt zu meinen Füßen und ist scheinbar froh, dass er mich wieder hat.  Meine Schwestern fragen Juna über alles mögliche aus. Jessica ist liebevoll und heißt sie mit offenen Armen willkommen, wie ich es erwartet habe.
Wenig später zeige ich Juna den Rest den Hauses und schließlich mein altes Zimmer, indem wir übernachten werden. Natürlich ist es schon lange kein Jugendzimmer mehr. Und anstelle eines kleinen Bettes, steht ein großes Boxspringbett an der Wand. „Das ist also dein altes Zimmer“, sagt Juna Lächelnd. „Ganz genau.“ Sie sieht sich um und geht direkt zum Fenster, schaut hinaus. Wie versprochen kann sie das Meer sehen. Unser Haus liegt auf einer Anhöhe, von wo aus man gut über die Siedlung bis hin zum Meer schauen kann. „Zu viel versprochen?“ frage ich sie und sie schenkt mir ein Lächeln, schaut gleich wieder hinaus. „Nein. Es ist wirklich schön. Es ist nicht weit bis zum Meer, oder?“ „Nein. Nur ein paar Gehminuten“, bestätige ich ihr. „Gehst du mit mir mal hin?“ fragt sie und ich schaue auf ihren Knöchel, der nach wie vor in eine Schiene gepackt ist. „Du kriegst das Meer zu sehen. Versprochen“, versichere ich ihr. Ob wir gehen werden, oder ob ich fahre, werden wir sehen.
Juna setzt sich aufs Bett und schaut mir dabei zu, wie ich unsere Sachen in den Schrank packe. „Wo schlafen die Kinder normalerweise?“ fragt sie mich irgendwann. „Es kommt nicht häufig vor. Dass wir alle zusammen hier sind, daher sind immer genügend Zimmer frei. Letztes Jahr zu Weihnachten haben alle Kids in Dads Schlafzimmer geschlafen. Die Jahre vorher im Gästezimmer. Aber Dads Zimmer ist einfach größer für alle“, erzähle ich. „Letztes Jahr war das erste Weihnachten ohne ihn, oder?“ fragt sie nach und ich nicke. „Dieses Jahr ist es anders, aber er fehlt sehr“, murmle ich und setze mich zu Juna, die meine Hand nimmt. „Ich weiß. Geht mir genauso.“ Ihr muss ihr nicht groß etwas erzählen, ihr sagen, wie ich mich fühle. Sie weiß es, sie macht das Gleiche durch. Es ist schön, jemanden zu haben, der einen versteht. Sie schenkt mir ein Lächeln und legt ihre Hand an meine Wange, gibt mir einen sanften Kuss. „Wenn mein Vater noch leben würde, hätte ich dich niemals kennengelernt“, sagt sie und ich überlege. Sie hat recht. „Und wenn Millie nicht gegangen wäre, auch nicht“, stelle ich fest. Ohne ihr Verschwinden hätte ich vermutlich meine Nummer nicht gewechselt. Wir haben beide unsere Schicksale zu verarbeiten. Aber nur diese haben uns zueinander geführt. Ich lehne meine Stirn an ihre und streiche mit der Nasenspitze über ihre. „Ich liebe dich“, hauche ich und sie küsst mich erneut. „Und ich liebe dich“, erwidert sie und lächelt.

Wenn das Leben dir Zitronen gibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt