Versuchs mal mit Sellerie

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2. Versuchs mal mit Sellerie

Jamie

Der nächste Morgen kommt viel zu schnell und ich verfluche den Wecker, stelle ihn aus und schließe nochmal kurz die Augen. Kurz. Dachte ich. Als ich das nächste Mal die Augen öffne, ist es bereits eine Stunde später. „Fuck!“ fluche ich und springe aus dem Bett, reiße die Zimmertüren der Mädchen auf und scheuche sie aus dem Bett. Ich gehe kurz pinkeln und lasse Dulcie ins Bad, suche dann Klamotten für Bertie raus . „Elva! Aufstehen! Wir haben verschlafen!“ scheuche ich meine Mittlere, die noch seelenruhig in der Pofe liegt. Auch nach weiteren zwei Minuten, in denen ich dabei bin, Sachen für sie rauszusuchen, bewegt sie sich nicht. „Elva!“ schimpfe ich und endlich regt sie sich, sieht mich mit glasigen Augen an. „Ich hab Bauchweh“, klagt sie. Na klar. Vermutlich liegt wieder eine Mathearbeit an, von er sie mir nichts erzählt hat. „Steh auf und geh dich anziehen. Flott!“ herrsche ich sie an und drücke ihr die Klamotten in die Hand, die sie anziehen soll. Ich wasche schnell Alberta, die nachts noch einen Windel braucht und ziehe sie an. Elva schlurft anschließend ins Bad. Sie ist eine hervorragende Schauspielerin . Das kenne ich bereits von ihr.
Dulcie ist schon unten und macht sich Müsli. „Machst du deiner kleinen Schwester bitte auch eins? Dann kümmere ich mich um die Pausenbrote“, bitte ich meine Große. „Mach ich“, sagt sie und ich setze Bertie auf ihren Stuhl. Ich mache die Pausenbrote fertig, schneide Obst und packe sie in die Dosen, lege sie auf die Arbeitsplatte. Ich brauche einen Kaffee. Ich stelle eine Tasse unter den Automaten und drücke auf den Knopf. Heute darf es extrastark sein.
Endlich kommt auch Elva runter und ich stelle ihr ebenfalls eine Schüssel Müsli hin. Lenny quiekt schon die ganze Zeit, weil er raus muss, doch für die Gassirunde fehlt mir die Zeit. Ich lasse ihn raus in den Garten. Ich werde später mit ihm gehen.
Ich sehe auf die Uhr. Scheiße, den Bus kriegen DD und Elvi nicht mehr. Also werde ich sie bringen müssen. Kommt Bertie heute eben etwas später in den Kindergarten. Den Termin mit Sam, meiner Agentin sollte ich noch schaffen.
„Seid ihr soweit?“ frage ich und sehe, dass Elva ihr Frühstück kaum angerührt hat. Typisch, sie träumt fast die meiste Zeit. „Los kommt“, scheuche ich und ziehe Bertie Schuhe und Jacke an. „Willst du so los?“ fragtich DD und ich schaue in den Spiegel an der Gardeobe. „Ach Fuck!“ fluche ich, denn ich trage noch immer meine Jogginghose und das Shirt von heute Nacht. Ich habe mir noch nichtmal die Zähne geputzt und von meinen Haaren brauchen wir erst gar nicht zu reden. „Passt auf Bertie auf“, bitte ich die beiden Großen und hechte nach oben, schlüpfe wenigstens in frische Sachen und putze mir im Eilverfahren die Zähne. Mit feuchten Händen fahre ich mir ein paar Mal durch die Haare. Das muss reichen. Die Dusche muss warten.
Ich laufe die Treppe nach unten, schnappe mir die Mädchen und den Autoschlüssel und setze Bertie in den Kindersitz. DD setzt sich vorn ins Auto und Elva jammert mit dem Gurt. „Was ist denn heute nur los mit dir?“ frage ich sie und helfe ihr. Sie setzt zu einer Antwort an, doch fängt dann an zu würden und erbricht sich. An ihr, an mir und auf dem Boden liegt nun ihr Erbrochenes. „Herrgott nochmal!“ fluche ich und Elva fängt an zu weinen. „Shhh, Spatz. Es ist alles gut“, tröste ich sie und nehme sie aus dem Auto, ziehe ihr den Pullover aus, ohne ihre Haare einzusauen und wische damit den Kindersitzt provisorisch sauber. Mit meinem Pullover wische ich den Boden sauber und werfe dann beides vor die Haustür. Darum kümmere ich mich später. „Geht’s, oder musst du nochmal spucken?“ frage ich Elva und sie wischt sich über die Nase. „Geht“, murmelt sie weinerlich. „Gut, pass auf. Wir bringen Bertie und DD weg und dann darfst du zuhause ein bisschen Fernsehen, ok?“ schlage ich ihr vor und sie nickt. Vielleicht kann ich das Meeting mit Sam über Skype machen.
„Es riecht ekelhaft nach Kotze“, jammert Dulcie. „Das lässt sich jetzt nicht ändern“, sage ich und fahre endlich los.
„Dulcie kommt gerade rechtzeitig zum Klingeln zur Schule. Sie springt aus dem Wagen und läuft zum Schulgebäude. Ich gehe ihr hinterher, erwische Elvas Klassenlehrer und entschuldige meine Tochter für heute. Vermutlich auch für morgen und dann werden wir sehen.
Bertie kommt zehn Minuten verspätet zum Kindergarten, aber das ist halb so schlimm.  Elva sieht blass aus und ich fahre auf direktem Weg nach Hause, wo ich die Pullover einsammle und Elva erstmal unter die Dusche stecke, denn ganz unbeschadet sind ihre Haare nicht geblieben. Eine halbe Stunde später liegt sie eingewickelt in eine Kuscheldecke auf der Couch und schaut Fernsehen. Ich ziehe mir einen frischen Pullover an und verziehe mich ins Büro, lasse die Tür einen Spalt offen, falls Elva mach mir ruft, und fahre den Laptop hoch. Wenig später bimmelt auch schon das Skype Signal und ich öffne den Videochat. „Guten morgen“, wünsche ich Sam. „Guten Morgen Jamie…“ sagt sie und sieht mich argwöhnisch an. „Geht es dir gut?“ fragt sie. „Ähm… Ja klar. Ich… hab nur verpennt“, erkläre ich. „Nichtmal Zeit für eine Dusche?“ fragt sie und ich seufze. „Nein… Elva ist krank, DD hat den Bus verpasst und ich musste sie zur Schule fahren“, erkläre ich und Sam sieht mich prüfend an. „Und sonst?“ will sie wissen. „Sonst… tja, alles beim alten.“ „Und du denkst, dass du das hinkriegst? Mit der Arbeit und allem?“ fragt sie und genau das ist das Problem. „Nein, ich denke nicht“, gebe ich zu.  „Jamie… die Projekte werden nicht ewig auf dich warten“, macht sie mir klar. Das weiß ich alles, aber es gibt wichtigeres. „Sam glaub mir, dessen bin ich mir bewusst. Aber die Mädchen brauchen mich“, erkläre ich. „Stell doch eine Nanny ein“, empfiehlt sie. „Sam… Meine Kinder brauchen ihre Eltern. Und Amelia wird vermutlich nicht so schnell wieder zurück kommen. Sie ist auf irgendeinem Selbstfindungstrip. Und ich werde meinen Kindern sicher nicht irgendeine Nanny versetzen. Das funktioniert einfach nicht.“, mache ich ihr klar und sie seufzt. „Nun, Jamie… dann kann ich vermutlich im Moment nichts für dich tun.“ Tja, damit habe ich gerechnet. Es ist okay. Meine Mädchen sind wichtiger als jeder Schauspieljob. „Damit habe ich gerechnet“, gebe ich zu. „Vielleicht kann ich den ein oder anderen Werbedeal für dich an Land ziehen“, meint sie und ich nicke. Solange ich dafür nicht ewig weg muss, oder ans andere Ende der Welt.
„Daddy…“ jammert Elva und kommt ins Büro, klettert auf meinen Schoß und kuschelt sich an mich. „Also… ruf an, wenn du was hast….“ Bitte ich sie und Sam nickt. „Alles gute“, wünscht sie und mir ist klar, dass sie der Meinung ist, dass es für mich vorbei ist. Soll sie. Wenn das so ist, kann ich es eh nicht ändern. Wende ich mich eben dem Schreiben zu. Meine Mädchen gehen einfach vor. Sie sind das Wichtigste in meinem Leben.
„Ich hab Bauchweh“, jammert meine Tochter und ich fühle ihre Stirn. Sie hat leichtes Fieber. „Ich mache dir eine Wärmflasche und koche dir einen Tee, ok?“ schlage ich ihr vor und sie nickt. Ich erhebe mich und trage sie zur Couch zurück, mache ihr wie versprochen einen Tee und eine Wärmflasche. Ich setze eine Hühnersuppe auf und geselle mich zu meiner Tochter, die sich ankuschelt. Ich nehme mein Handy und sehe, dass ich eine Nachricht habe. Sie ist von Juna und sie zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht. „Guten Morgen Jamie. Ich hoffe, sie hatten eine angenehme Nacht. Ich habe leider heute morgen verschlafen, aber zum Glück habe ich eine Tochter, die sich einen Wecker stellt. Ich wünsche ihnen einen schönen Tag“, hat sie geschrieben und ich tippe eine Antwort. „Guten Morgen Juna. Stellen Sie sich vor, ich habe auch verschlafen. Eine ganze Stunde. Meine Mittlere liegt mit Magen Darm flach und ich bin arbeitslos. Aber ansonsten ist alles beim alten. Darf ich ihnen das „Du“ anbieten?“ antworte ich und sende es ab. Mir ist klar, dass ich jammere, aber irgendwie möchte ich den Frust loswerden.

Wenn das Leben dir Zitronen gibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt