Juna
Schon als ich gestern Abend ins Bett gegangen bin, war ich aufgeregt. Und auch heute morgen sieht es nicht anders aus. Ich habe unten das Gästezimmer hergerichtet und Oben. Aber auch in Livas Zimmer ist Platz für die Mädchen. Wenn sie sich anfreunden, können sie so viel Zeit miteinander verbringen. Livas Zimmer ist ein Traum von Mädchenzimmer. Ihr Bett ist direkt unter dem Giebel und nur mit einer Leiter zu erreichen. Darunter befindet sich eine Kuschelecke mit jeder Menge Bücher und einem kleinen Fernseher. Dort unten könnten die Mädchen auch schlafen.
Liva freut sich auch schon auf unseren Besuch. Gestern Abend noch hat Jamie gefragt, ob es überhaupt okay wäre, wenn sie auch Lenny mitbringen würden. Natürlich ist auch der Vierbeiner willkommen. Elli ist eine freundliche Hündin und kommt eigentlich mit jedem Hund klar, also mache ich mir da keine Sorgen.
Gegen ein Uhr Mittags schreibt mir Jamie, dass sie angekommen sind und sich nun auf den Weg machen. Laut Navi sind sie zwei Stunden unterwegs, aber er wir will mit den Mädchen noch unterwegs irgendwo anhalten, um zu essen. Gut, so werden sie zum Nachmittag da sein. „Perfekt. Ich habe einen Kuchen gebacken, den lassen wir uns schmecken, sobald ihr da seid“, schreibe ich ihm und er schickt mit einen Daumen nach Oben.
Später gehen Liva und ich mit Elli nach draußen, lassen sie hinter ihrem geliebten Ball hinterherlaufen. Ich höre Reifen auf den Schotterweg und kurz darauf erscheint ein Mercedes SUV. Ich winke und zeige Jamie, dass er neben meinem Volvo parken kann. Er winkt ebenso und stellt seinen Wagen neben meinem dunkelblauen xc90 ab. Er steigt aus und ich komme auf ihn zu. Er sieht etwas abgekämpft aus, lächelt aber breit und öffnet wie selbstverständlich die Arme. Ich nehme die Einladung an und umarme ihn herzlich. „Herzlich willkommen“, sage ich und er löst sich, lächelt mich an. „Danke, dass wir herkommen durften.“ Ich winke ab und er hilft seiner Kleinsten aus dem Kindersitz. Die beiden Älteren stehen bereits schüchtern am Wagen neben ihrem Vater. Liva macht sich bereits mit den Mädchen bekannt. Auch sie beherrscht sehr gutes Englisch. Das war meinem Vater und auch mir sehr wichtig, da wir noch immer Familie in Schottland haben und die auch regelmäßig sehen.
Zwischen den Dreien ist das Eis schnell gebrochen, während Alberta sich noch an ihren Vater klammert. „Wie war denn eure Anreise?“, frage ich. „Ab dem Moment, als wir im Flugzeug saßen, entspannt“, sagt er, während er seinen Hund aus dem Kofferaum lässt. Er erblickt gleich Elli und die beiden beschnüffeln sich. Elli will gleich spielen und rennt weg. Lenny folgt ihr und die beiden fliegen übers angrenzende Feld.
„Oh, klingt irgendwie nicht so gut", gehe ich auf seine Bemerkung der Anreise, ein. „Ich erzähle es dir später“, meint er und ich nicke. Ich stelle mich Elva und Dulcie vor, die schüchtern meine Hand ergreifen, als ich sie ihnen reiche. Wir gehen erstmal ins Haus und ich stelle Kuchen, Kaffee, sowie Kakao für die Mädchen auf den Tisch. Die beiden Hunde toben in der Diele weiter. Ich gebe jedem ein Stück Apfelkuchen auf den Teller und schenke den Mädchen Kakao ein. Alberta sitzt auf Jamies Schoß und isst bei ihrem Papa mit. Wir reden über alltägliches, während die Kinder bei uns am Tisch sitzen. Abschließend helfe ich Jamie beim auspacken des Wagens und zeige unseren Gästen Ihre Zimmer. Elva und Dulcie möchten bei Liva im Zimmer schlafen. Jamie und Alberta beziehen das Zimmer daneben. Ich lasse sie erstmal ankommen und räume unten den Tisch ab, hole die Hunde ins Haus.
Jamie kommt wenig später allein runter und streichelt Lenny ausgiebig. „Also, wie war die Anreise?“ wiederhole ich meine Frage nochmal und Jamie seufzt. „Irgendwer scheint den Leuten gesteckt zu haben, dass ich vor habe zu verreisen. Jedenfalls waren eine Menge Reporter am Flughafen“, erzählt er. „Na ganz großes Kino“, bemerke ich. „Wem sagst du das… Ich muss wirklich aufpassen, wem ich was erzähle. Ich befürchte so langsam, dass es jemand ist, den ich scheinbar gut kenne. Oder die Person uns. Es ist ätzend“, schnauft er. „Das glaube ich dir aufs Wort. Es hat aber niemand mitbekommen, wo du hinfliegst, oder?“ frage ich nach. „Nein. Ich denke nicht. Ich habe nichts bemerkt und niemand ist uns hierher gefolgt.“ Ich nicke. „Ich bin mir sicher, dass du hier unerkannt bleibst. Selbst wenn im Dorf jemand meint, dich zu kennen, sagen wir einfach du bist ein Cousin aus Schottland. Aber vermutlich wird dich nicht mal jemand bemerken.“ „Klingt entspannt“, grinst er und reibt sich die Stirn. „Wenn ich in London geblieben wäre, wäre ich vermutlich irgendwann reif für die Klapse. Ich habe überlegt nach Belfast zu fahren, aber dort würde man mich doch am ehesten vermuten. Wahrscheinlich sind sie schon dort.“ „Stell dir vor, sie fragen dort nach dir und die Menschen die dich kennen schicken sie von einem Ort zum anderen“, scherze ich und Jamie hebt eine Augenbraue. „Das ist gut“, meint er und ich sehe ihn fragend an. Er zieht sein Handy aus der Tasche und tippt vor sich hin grinsend eine Nachricht. „Also falls sie in Belfast ankommen, werden sie beschäftigt sein“, sagt er amüsiert und ich lache. „Wenn sie nur immer wegbleiben würden“, fügt er seufzend hinzu. „Jamie, irgendwann werden sie es leid sein und das Interesse an dir verlieren“, versuche ich ihn aufzumuntern. Wir hören es oben poltern und dann die Mädchen lachen. „Ich hoffe, du hast recht. Aber erstmal können wir dank dir etwas Kraft tanken. Die Mädchen jedenfalls scheinen schon ihren Spaß zu haben“, lächelt er. Er hat ein schönes Lächeln. In natura sieht er genauso attraktiv aus, wenn nicht sogar noch attraktiver. Auch wenn sein Gesicht von Sorgen gezeichnet ist. Er hat seine Stirn immer in leichte Falten gezogen. Groß ist er. Und er sieht müde aus. „Du wirst auch schon noch runterkommen“, versichere ich ihm. „Zuerst zeige ich euch ein bisschen die Gegend. Ganz entspannt. Und dann fangen wir mit dem Unterhaltungsprogramm an. Haben deine Mädchen schon mal einen Laternenumzug mitgemacht?“ frage ich ihn. „Nein. Wozu macht man das?“ will er wissen. „Das machen wir zu Sankt Martin. Die Kinder laufen mit selbsgebastelten Laternen oder Fackeln. Man kann aber auch welche kaufen. Dazu wird gesungen. Liva ist zwar eigentlich schon aus dem Alter raus, aber ich wette, wenn deine Mädchen mitlaufen möchten, kommt sie gern mit. Sie hilft auch bestimmt beim Basteln“, erkläre ich. „Klingt nett“, schmunzelt er und ich lache. „Ich sehe schon. Du bist sehr begeistert. Wir können es auch lassen“, winke ich ab. „Nein. Ich denke, den Mädchen würde es wirklich Spaß machen. Aber basteln….? Ich hab zwei linke Hände“, sagt er und dreht besagte Hände hin und her. Ich lache. „So schwer ist das nicht. Ich helfe dir auch dabei“, verspreche ich und er wischt sich imaginären Schweiß von der Stirn. „Puh, Glück gehabt“, meint er und ich gebe ihn einem leichten Schubs. „Blödmann“, schmunzle ich.
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Wenn das Leben dir Zitronen gibt
RomanceJamie und Juna. Zwei Menschen aus verschiedenen Welten. Juna schreibt eigentlich nur eine Nachricht an ihren verstorbenen Vater, die jedoch an Jamie geleitet wird. Sie kommen in Gespräch und zwischen ihnen entsteht eine besondere Freundschaft. Oder...