21. Willst du mich verarschen?
Juna
Die Wochen streichen ins Land und es wird immer weihnachtlicher. Noch zwei Wochen bis Weihnachten und nur wegen Liva sieht es hier weihnachtlich aus. Mir ist nicht nach Weihnachten. Ich fühle mich einsamer denn je. Papa fehlt mir, meine Mama….
Ich wünsche mir eine große Familie, aber ich habe nur Liva und Becki. Mama hatte keine Geschwister und Papas Familie lebt in Schottland. Wie haben zwar Kontakt, aber nicht so eng, dass wir Weihnachten gemeinsam verbringen werden.
Liva und ich werden wie immer an Heiligabend allein sein. Am ersten Weihnachtstag hat Becki uns, wie immer zum Mittagessen eingeladen und anschließend wird Mike Liva abholen. Sie versteht sich super mit ihrem Vater und ich muss zugeben, er macht seine Sache gut. Wir verstehen uns eigentlich sogar wieder ganz gut, aber mit ihm die Feiertage verbringen will ich nicht. Dazu bin ich nicht bereit.
Ich werde also das halbe Weihnachten ganz alleine sein. Vermutlich wird das in ein Frustsaufen enden.
Wie Jamie wohl Weihnachten verbringen wird? Wir haben nicht mehr geschrieben. Ich habe gesehen, dass er sein Profilbild geändert hat. Es zeigt einen Weihnachtsbaum Vermutlich in seinem Wohnzimmer und Lenny hat es sich davor bequem gemacht. Bei ihm liegt Bertie, die ihren Kopf auf seinen Hintern gelegt hat und vermutlich den Baum bewundert. Ich kann ihr Gesicht nicht sehen. Ich vermisse die kleine Maus. Ich vermisse sie alle noch immer. Ich hätte nicht gedacht, dass jemand, der nur so kurz Teil meines Lebens war, mir so schnell und fest ans Herz wachsen könnte. Ich träume sehr häufig von Jamie. Mal schöne Sachen, dann dass wir streiten. Er fehlt mir einfach und diese Funkstille macht mich wahnsinnig. Aber ich will mich nicht aufzwingen. Er hat seine Familie, seine Frau und die Kinder.
Liva und ich schauen einen Weihnachtsfilm, wobei ich mich nicht wirklich konzentrieren kann. Mein Handy geht mit einem Pling und ich hoffe insgeheim, es ist eine Nachricht von Jamie. Ich hoffe immer, es ist Jamie. Aber es ist Becki. „Pack deinen Sachen, Süße. Wir machen Urlaub. Ein verlängertes Wochenende, nur wie zwei. Ingo passt auf die Kinder auf“, hat sie geschrieben. Ingo ist ihr Mann. Sie hat doch nen Schaden. „Ich kann hier nicht weg“, schreibe ich ihr. „Laber nicht. Du hast bloß kein Bock. Deine Ausreden ziehen bei mir nicht. Also, FANG AN ZU PACKEN!!!“ schreit mich ihre Nachricht regelrecht an. Du meine Güte „Ist ja gut. Schrei doch nicht gleich“, antworte ich ihr und sehe Liva an. „Wusstest du davon?“ will ich von meiner Tochter wissen. „Wovon?“ tut sie unwissend. „Na dass Becki mit mir weg will.“ Sie grinst mich frech an. „Vielleicht“, kichert sie. „Ihr seid unglaublich. Wo geht’s denn hin?“ will ich wissen. „Das weiß ich nicht. Becki wollte schauen, wo sie was bekommt“, sagt Liva und ich glaube ihr kein Wort. „Ich will wissen, wo es hingeht“, schreibe ich meiner besten Freundin. „Vergiss es. Erfährst du früh genug. Pack warme Sachen ein“, antwortet sie und ich schnaufe genervt. Na schön… „Ich hasse dich“, antworte ich ihr und stehe auf, um zu packen.Und keine 12 Stunden später stehen Becki und ich am Flughafen. „London? Willst du mich veraschen?“ fahre ich sie an. „Was denn? Weißt du, wie schön London un diese Zeit ist? Es gibt einen total schönen Weihnachtsmarkt dort und alles ist herrlich geschmückt. Es ist sogar Schnee gemeldet. Ich dachte, du freust dich“, meint sie entrüstet und ich seufze. „Und was ist, wenn ich Jamie über den Weg laufen?“ „Jamie? Warum solltest du?“ „Na, weil er vielleicht in London lebt?“ brummte ich. „Woher zum Teufel soll ich das denn wissen? Aber mal ehrlich. Wie wahrscheinlich ist es, dass du ihm in dieser Riesigen Stadt ausgerechnet an diesem Wochenende begegnest?“ grummelt sie und verschränkt ihre Arme vor der Brust. Ich seufze. „Das kann ich einfach nicht gebrauchen…“ gestehe ich kleinlaut und Becki legt eine Hand an meine Schulter. „Ich bin doch da. Und wenn du ihm wirklich begegnen solltest, was wahrlich unwahrscheinlich ist in dieser Weltstadt, dann drehst du dich um und gehst. Und wenn er dich nicht in Ruhe lässt, haue ich ihn“, meint sie und ich muss kichern. Sie hat recht. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass ich ihn treffe. Und eigentlich wollte ich schon immer mal wieder nach London.
Jamie
„Meine Güte Jamie. Deine Laune ist zum kotzen“, beschwert sich Jessica, meine ältere Schwester. Ich verdrehe die Augen und versuche, sie zu ignorieren, kassiere dafür einen Schlag an den Hinterkopf. „Hör auf, rum zu bocken. Du wirst Weihnachten mit nach Belfast kommen und basta“, bestimmt sie. „Nein. Werde ich nicht“ mache ich ihr klar. Ich habe keine Lust zwischen ihren Familien alleine zu sitzen. „Jamie!“ blökt sie mich an. „Lass mich in Ruhe, Jess. Ich habe keine Lust auf deine große Schwester Standpauke“, maule ich. „Ich bin deine große Schwester und ich werde dir so oft eine Standpauke halten, bis du endlich nachgibst.“ „Da kannst du lange drauf warten“, schnaufe ich und lasse sie im Wohnzimmer stehen, gehe in die Küche und mache mir in aller Seelenruhe einen Kaffee. „Ich nehme auch einen. Milch und Zucker“, meint Jessica, als sie mir nachgekommen ist. „Ich hab dir aber keinen angeboten“, bocke ich und Jess bewirft mich mit der Zeitung, die auf dem Küchentisch liegt. Ich habe keine Lust mit ihr zu reden. „Man, Jamie. Warum machst du so einen Affentanz daraus?“ will sie wissen. Ich drehe mich zu ihr um und lache. „Ich? Wer von uns beiden kann es denn nicht gut sein lassen?“, schnaufe ich und verschränke meine Arme vor der Brust. „Was willst du denn alleine hier?“ fragt sie und ich verdrehe abermals die Augen. „Zumindest nicht zwischen zwei happy Familys sitzen“, erkläre ich knapp und sie seufzt. „Aber du gehörst doch dazu“, sagt sie nun sanft. „Jess bitte. Ich möchte nicht mit euch Weihnachten feiern, wenn meine Mädchen nicht dabei sind.“ „Dann sag Amelia eben, dass sie ein anderes Mal zu ihrer Mutter fahren soll. Und nicht ausgerechnet am 1. Weihnachtstag“, meint sie. „Aber die drei wollen ihre Oma sehen“, erkläre ich. „Pf“, macht Jess. „Sie hätte euch das ganze letzte Jahr besuchen können“, murmelt sie. „Ja, und wenn schon. Meine Güte, ich habe die Mädchen bis zum Abend des 1. Feiertages. Danach ist Millies Zeit. Und es ist okay für mich, dass die drei zum Jahreswechsel nicht bei mir sind, aber ich will dann nicht allein zwischen euch sitzen“, versuche ich es und diesmal verschränkt sie ihre Arme vor der Brust. Ich stelle ihr ihren Kaffee vor die Nase. „Du müsstest nicht allein sein, wenn du deine Freundin aus Deutschland nochmal anrufen würdest…“ Ich zeige ihr den Vogel. „Um mich nochmal zum Idioten zu machen? Das kannst du vergessen. Sie hat nicht zurückgerufen. Sie will nichts mehr mit mir zu tun haben.“ „Und was, wenn er ihr es nicht mal ausgerichtet hat?“
„Na und? Was ändert es denn? Er hat gesagt, er wäre ihr Ehemann. Sie haben sich also scheinbar versöhnt. Sie hat ihm noch eine Chance gegeben, so wie ich es bei Millie getan habe. Nur dass meine Ehe nun endgültig vorbei ist.“ „Du bist so ein elend sturer Esel“, meckert meine Schwester. „Dann bin ich das eben. Und jetzt lass es endlich gut sein“, bitte ich sie noch einmal und sie seufzt resigniert. „Darüber reden wir noch“, meint sie und setzt sich, nimmt einen Schluck von ihrem Kaffee.„Komm her, du Kotzbrocken“, meint Jess, als ich sie zur Tür bringe und sie mich in eine Umarmung zieht. „Nervensäge“, murmle ich und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich bin deine große Schwester. Ich darf ich nerven“, grinst sie und lässt mich los. Sie geht die drei Stufen runter und dreht sich nochmal um und winkt mir. Ich warte, bis ich sie drei Häuser weiter auf der gegenüberliegenden Straßenseite in ihrem Haus verschwinden sehe und gehe in mein Haus zurück.
Es ist viel zu ruhig hier. Kein Gezanke, kein Gekeife. Meine Drei sind dieses Wochenende bei Millie. Sie hat recht schnell eine Wohnung gefunden. Nicht weit von hier, so dass die Mädchen auch mal zu Fuß zu ihr gehen können. Zumindest Elva und DD. Bertie würde ich natürlich niemals irgendwo hin alleine laufen lassen.
Mittlerweile hat sie sich wieder an die Anwesenheit ihrer Mommy gewöhnt, und geht ohne großes Gezeter mit ihr mit. Ob es diesmal mit dem Übernachten klappt, wird sich zeigen. Beim legal musste ich Alberta spät abends wieder abholen, weil sie nur geheult hat.
Ich schnappe mir Lenny, ziehe mir meine dicke Jacke an und eine Mütze auf den Kopf und gehe eine ausgiebige Runde mit ihm. Der Himmel ist grau und es ist kalt und als wir uns auf den Rückweg machen, fängt es tatsächlich an zu schneien. Welch passendes Wetter für meine Mädchen. Millie wollte mit ihnen zum Weihnachtsmarkt und Eislaufen.
Ich mache zuhause den Kamin an, ziehe mir Jogginghosen an und mache es mir mit meinem Ipad auf dem Sofa bequem, um das vollendete Skript zu lesen, welches Kenneth mir zugeschickt hat.
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Wenn das Leben dir Zitronen gibt
RomanceJamie und Juna. Zwei Menschen aus verschiedenen Welten. Juna schreibt eigentlich nur eine Nachricht an ihren verstorbenen Vater, die jedoch an Jamie geleitet wird. Sie kommen in Gespräch und zwischen ihnen entsteht eine besondere Freundschaft. Oder...