Kapitel 35

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Ivy

Zwei Wochen... 

Zwei Wochen, seitdem Sascha nicht mehr da war.

Zwei Wochen die ich im Krankenhaus verbrachte, damit ich langsam heilte. Aber während meine äußeren Wunden genäht und versorgt wurden und immer mehr verblassten, blieb der innere Schmerz. 

Der seelische Schmerz. 

Nicht darüber, was Adam mir antat. Sondern der seelische Schmerz, den ich dadurch empfand, dass Sascha nicht mehr da war. 

Die ersten Stunden, die ersten Tage danach dachte ich, er würde wiederkommen. Ich hatte es gehofft und ich hatte gebetet, dass er es irgendwie rausgeschafft hatte. 

Jeden Abend kniete ich neben meinem Krankenhausbett und sprach zu Gott. Irgendeinem Gott. Hauptsache ich wurde gehört...

Ich war nicht gläubig. Das war ich nie. Aber dennoch schwor ich mir, für den Rest meines Lebens in die Kirche zu gehen, wenn man mir Sascha dafür wiederbringen würde. 

Doch mit jedem Tag der verging, sank meine Hoffnung. Und mit jedem Tag der verging, sank auch mein Mut weiterzuleben. 

Das Einzige, was mich noch am Leben hielt, war meine kleine Schwester. Meine süße, unschuldige Schwester. Welche sich immer noch in der Gewalt von Adam befand. 

Und solange sie bei ihm war und ich sie noch nicht befreien konnte, solange würde ich diese Welt auch nicht verlassen. Das hatte ich mir geschworen! 

«Hast du alles?» Ausgerechnet Nikolaj war in dieser schweren Zeit, meine größte Stütze geworden. 

Er war auch derjenige gewesen, der mich nach meiner Befreiung sofort ins Krankenhaus brachte und mich dort jeden Tag besuchte. 

Und er war auch derjenige, der mich heute wieder mitnahm. Zu sich und Adara, nach Hause. Denn ohne Sascha würde ich keinen Fuß mehr in sein Haus setzen. 

Das war sein Haus gewesen. Nicht Meins. Wenn ich an diesen Ort zurückgehen würde, dann nur mit Sascha gemeinsam!

Und da das nie wieder der Fall sein würde, bekäme mich auch niemand mehr in dieses Haus...

«Hast du alles, Ivy?» Als Nikolaj mich mit meinem Namen ansprach, zuckte ich kurz zusammen. Ich hatte mich noch nicht daran gewöhnt, dass ich jetzt eine Identität hatte. 

«Ich denke schon...» Eigentlich besaß ich nicht wirklich viel. Schließlich wurde ich nackt und nur mit Nikolaj's Jacke bekleidet eingeliefert. 

Die Sachen die ich während meines Krankenhausaufenthalts anhatte, waren entweder Kittel gewesen oder Klamotten von Adara.

«Weißt du schon wann die Testergebnisse kommen?» Nikolaj versuchte Smalltalk zu führen. Und als ich in seine rotgeränderten Augen sah, wusste ich, dass er nicht nur versuchte, mich abzulenken. 

Er hatte seinen Zwillingsbruder verloren und man sah es in seinen Augen, dass es ihn tagtäglich mitnahm. 

Anders als in meinen Augen... in meinen Augen konnte man nichts sehen. Ich hatte einen dunklen Vorhang vor meine Gefühle gezogen. 

Es war besser so!

Zwar fühlte ich den Schmerz... Aber ich weinte nicht. 

Erst dachte ich, dass ich seitdem ich realisiert hatte, dass Sascha tot war, jeden Tag weinen würde. Aber so schnell wie es kam, so schnell endete es auch wieder. Ich schob einen Riegel vor meine Trauer und vor meine Emotionen. 

Bloß nichts fühlen! Bloß keine Schwäche zeigen!

Das war seit ich klein war, mein Mantra. Es schützte mich und machte mich unverwundbar. Aber auch gefühllos...

Always Her (Mafia)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt