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~Fianna~

Respekt und Vertrauen. Zwei höchst verschiedene Dinge, und doch ähneln sie sich in einer Hinsicht: Beide muss man sich verdienen.

...

Ich denke über das Gesagte nach, während ich zum Palast zurückkehre. Doch wirklich konzentrieren kann ich mich nicht darauf. Die ganzen Menschen in der Stadt machen mich nervös, aber nicht auf die Art, wie sie es früher taten. Es ist beinahe unerträglich, ständig ihr Blut riechen zu können und ihren Herzschlag zu vernehmen, wenn sie nah genug an mir vorbeikommen. Ich habe heute noch kein Blut getrunken, weil ich dachte, ich hätte es unter Kontrolle. Jetzt muss ich wohl für meine Naivität bezahlen. Meine Zähne presse ich so fest aufeinander, dass mir der Kiefer schmerzt. Alles ist besser, als jetzt ein Massaker zu veranstalten. Wenigstens habe ich mich mit Sonnencreme eingeschmiert, sodass ich keinen Schirm nehmen musste und mein Blut nicht zu kochen beginnt. Der kühle Wind des nahenden Frühlings zupft an meinen Haaren, die Sonne scheint nur kalt herab. Aber das ist gut, ich will keine Wärme in meiner Umgebung. Ich sehe den Palast schon in der Ferne. Es ist beeindruckend, wie niemandem je auffallen konnte, dass er dort steht.

Ich habe das Gefühl, dass sich eine warme Decke um mich legt. Meine Schritte werden langsamer und die Stimmen der Menschen leiser. Doch das wohlige Gefühl verschwindet abrupt, als Schmerzen durch meinen Bauch schießen. Reflexartig lege ich die Hände darauf. Das, was ich fühle, ist nass und kalt. Als ich an mir herunter sehe, fällt mein Blick auf eine silberne Klinge, die aus meinem Bauch ragt. Ein Rinnsal an dunklem Blut fließt daran herab und tropft auf den Beton. Ich höre jemanden hinter mir schreien und drehe mich um. Eine Gruppe von bis an die Zähne bewaffneten Frauen und Männern steht mir gegenüber. Fünf sind es, stelle ich fest. Nein, das ist falsch. Zwei von ihnen kämpfen miteinander, bis ich bemerke, dass einer der Kämpfenden keinen Geruch nach frischem Blut verströmt. Blake. Einen kurzen Moment wendet er sich mir zu, was er mit zwei heftigen Schlägen gegen Brustkorb und Magengrube bitter bereut, aber seine Augen senden nur ein klares Signal: Lauf!
Ich versuche dem möglichst zu folgen, aber ich stolpere über meine eigenen Füße, als ich auch nur versuche einen Schritt zu tun. Mir ist ganz schwindelig. Verdammt! Dieses verfluchte Messer muss vergiftet gewesen sein. Aber ich schaffe es nicht, es herauszuziehen. Ich kann mich überhaupt nicht mehr rühren. Meine Glieder erschlaffen, sodass ich nicht einmal mehr die Augen offen halten kann. Das letzte, was ich sehe, ist wie der Kerl mit den kurzen schwarzen Haaren, der mit Blake kämpft, mit brennendem Blick in meine Augen sieht. So, als würde er sie mir am liebsten mit bloßen Händen aus den Höhlen kratzen.

...

Ich schrecke hoch. Mein Körper fühlt sich ganz steif und verkrampft an. Mir schwirrt der Kopf. Benommen und zitternd richte ich mich auf, um festzustellen, dass ich mich wieder im Turmzimmer befinde und Blake auf einem hölzernen Stuhl vor mir sitzt. Durch sein Gesicht zieht sich Erleichterung, aber auch Sorge. Das gefällt mir nicht...

Ich brauche seine Hilfe nicht.

»Das waren Sonnenkrieger«, sagt Blake verbittert.

»Wieso haben sie uns angegriffen?«, frage ich. Jedes Wort schmerzt.

»Nicht uns... Dich. Weil sie wissen, wer du bist. Ich hatte gehofft, sie würden es nicht so schnell herausfinden.« Erst jetzt fällt mir die blasse Narbe auf, die sich nun quer über Blakes Gesicht zieht.

»Woher stammt die? Sie ist mir bisher nie aufgefallen.« ... Oder ist sie neu?

»Du weißt selbst, dass wir schneller heilen als Sterbliche.« Blakes Stimme klingt tadelnd. Mich macht es nur wütend. »Und der, der sie mir zugefügt hat, ist Zephyr Bristol. Dieser Mann ist ein Monster, auch wenn er denkt, dass wir es wären.«

Sign Of The Crescent Moon | Those Void Words Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt